Ostervision: Von Gott gesehen, erkannt, gerufen

3. Apr. 2021
Foto: Pisit Heng, Unsplash

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Osterbotschaft 2021 von Bischöfin Elizabeth Eaton 

Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, beugte sie sich in das Grab hinein und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte. Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. 
Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir: Wo hast du ihn hingelegt? Dann will ich ihn holen. Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister! 
Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott. Maria Magdalena geht und verkündigt den Jüngern: „Ich habe den Herrn gesehen“, und was er zu ihr gesagt habe. (Joh 20,11-18) 

Liebe Schwestern und Brüder in Christus, 

meine Lieblingsgeschichte in der Heiligen Schrift ist der Bericht im Johannesevangelium über Maria Magdalena, die zum Grab geht. Es war das erste Ostern, aber das wusste Maria nicht. Sie erwartete Tod. All die Hoffnungen und Träume, die Aufregung und die Verheißung dieser neuen Jesus-Bewegung waren zunichte gemacht. Die Verheißung, dass die gerechte, barmherzige Herrschaft Gottes näher rückt; dass es eine neue politische Ökonomie gibt, in der die Letzten die Ersten sind; dass die Hungrigen gespeist werden; dass Tyrannen von ihren Thronen gestürzt werden und die Niedrigen aufgerichtet. Alles vorbei. Eine naive Illusion von Menschen, die hoffnungslos den Bezug zur realen Welt verloren haben. Es waren Menschen kurz vor der Befreiung des neuen Lebens in Christus. Und nun war alles weg, zum Schweigen gebracht von den herrschenden Mächten – vom Zustand und dem Lauf der Welt. 

In ihrer tiefen Trauer konnte Maria Jesus nicht erkennen. Erst als Jesus sie beim Namen rief, konnte sie den auferstandenen Herrn sehen. Jesus sah Maria. Jesus kannte Maria. Jesus sprach „Maria“. Es war das vollständige Gesehenwerden, das völlige Erkennen und das liebevolle Angerufenwerden, das Maria Magdalena für die Hoffnung auf die Auferstehung und für eine tiefere Beziehung zu Christus öffnete. Weil Maria gesehen wurde, konnte sie sehen. 

Das nenne ich Ostervision. Wir sind von Gott gesehen, erkannt und gerufen worden durch den gekreuzigten und auferstandenen Erlöser, und nachdem wir den Geist in der Taufe empfangen haben, können wir jetzt alle sehen. Wir können Christus sehen, und wir können Christus in unserem Nächsten sehen. Niemand ist für Gott unsichtbar, und niemand ist für uns unsichtbar. Das ist eine tiefgreifende Änderung unserer Perspektive. In der Tat ist es mehr als eine Anpassung alter Zustände; Tatsache ist, dass wir in Christus eine neue Schöpfung sind. 

Stellen Sie sich vor, in dieser Realität zu leben, die bereits im Tod und in der Auferstehung Jesu verwirklicht und durch den Geist über alles Fleisch ausgegossen wurde! Stellen Sie sich die Freiheit vor, ein Leben der Integrität – der Ganzheit – zu leben, weil wir genau so gesehen und erkannt wurden, wie wir sind, und mit Namen zu diesem neuen Leben gerufen wurden. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der jede und jeder Einzelne mit der Würde bekleidet ist, nach Gottes Ebenbild geschaffen zu sein, und alle in ein lebendiges Gewebe eingewebt sind. 

Natürlich leben wir in einer Welt, in der diese Vision nicht überall sichtbar ist. Ja, wir sehen immer noch „durch einen Spiegel in einem dunklen Bild“. Aber Gott hat uns zu einem vorausschauenden Volk gemacht. So, liebe Geschwister, mit neu geöffneten Augen, lasst uns mutig sagen: „Christus ist auferstanden. Christus ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!“ 

Die Leitende Bischöfin Elizabeth A. Eaton ist LWB-Vizepräsidentin für die Region Nordamerika.