In der krisengeschüttelten Region Yola empfängt die LKCN die ELKU
Yola, Nigeria/Genf (LWI) – Ein Austausch von Ideen, Talenten, Wissen und Spiritualität: Mitglieder der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn (ELKU) reisten im Rahmen des LWB-Austauschprogramms für Kirchenleitende nach Yola in Ostnigeria, um sich dort mit Mitgliedern der Lutherischen Kirche Christi in Nigeria (LKCN) zu treffen. In einigen Monaten wird die ungarische Kirche ihrerseits eine Delegation der nigerianischen Kirche empfangen.
Die Lutherische Kirche Christi in Nigeria (LKCN) entstand durch die Missionsarbeit von Niels Brønnum, einem dänischen Arzt und Prediger. 1913 kam er in den Ort Yola, der am Fluss Benue in Ostnigeria liegt und heute eine Stadt ist. Inzwischen ist Yola zum Sitz der LKCN geworden, die mit aktuell 2,2 Millionen Mitgliedern eine wachsende Kirche ist. Aufgrund ihrer Geschichte unterhält die LKCN enge Beziehungen zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Dänemark und zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika. LKCN-Erzbischof Panti Filibus Musa ist außerdem Präsident des Lutherischen Weltbundes.
Das LWB-Programm „Durch den Austausch von Führungspersonen voneinander lernen“ will die Kooperation der Kirchen stärken, indem Wissen weitergegeben wird und die Teilnehmenden sich darüber austauschen können, wie ihr Glaube Ausdruck findet. Sowohl die LKCN als auch die ELKU haben eine stark diakonische Ausrichtung. Bischof Amos Elisha Gaya (links außen) fördert in der LKCN den diakonischen Dienst, und Nuwayina Sekenwa Briska (rechts außen) koordiniert einige der Diakonieprogramme der Kirche in ländlichen Gebieten. Die ungarische Kirche wurde von Bischof Tamás Fabiny (zweiter von rechts) und der Leiterin der Diakonie, Annamária Buda (zweite von links) vertreten. Erzbischof Panti Filibus Musa von der LKCN steht in der Mitte.
Durch das ländliche Nigeria zu reisen ist nicht einfach. Für längere Strecken nimmt man meist Geländewagen. Die meisten abgelegenen Dörfer sind nur nach langer Fahrt über unasphaltierte Straßen erreichbar. Dazu wird die Fahrt häufig durch Checkpoints unterbrochen. Diese sind aufgrund der Gefahr durch bewaffnete Angriffe von Boko Haram notwendig.
Das Gesundheitsprogramm in Wakka in der Diözese Mayo Belwa wird ausschließlich von ehrenamtlich arbeitenden Frauen betrieben. Die von ihnen betreuten Gemeinschaften lassen ungern Männer in ihr Zuhause. Die Frauen besuchen einmal die Woche Familien in verstreuten Siedlungen, um Gesundheitsaufklärung und Unterstützung zu leisten. Mit Bildern und Liedern erklären sie, wie wichtig es ist, vorbeugende Maßnahmen anzuwenden, z. B. sich die Hände zu waschen, Moskitonetze zu verwenden oder abgekochtes Wasser zu trinken. Die Ehrenamtlichen bemühen sich sehr, die Sterblichkeitsrate von Säuglingen und Kindern zu senken. Das Gebet gibt ihnen Kraft, wenn ihnen Misstrauen entgegenschlägt oder sie von den Menschen vor Ort abgelehnt werden.
Bischof Gaya ist für die von Boko Haram am meisten verwüstete Diözese zuständig. Die Kirche im Dorf Banga nahe der Grenze zu Kamerun wurde bei einem Überfall völlig zerstört; genauso erging es den Häusern der Dorfbewohner. Nachdem er seine Familie an einem sicheren Ort untergebracht hatte, blieb Bischof Gaya, um sich um seine „Herde“ zu kümmern: die Mitglieder seiner Gemeinden und die Haustiere, die rund um das Haus in seiner Diözese leben. Er kennt die Angriffe aus erster Hand und hatte Angst, dass die bewaffneten Kämpfer zurückkehren könnten, während er noch die Toten begrub.
Es gibt allerdings zahlreiche Hoffnungsschimmer und Anzeichen für einen Neuanfang. In Garaha haben sich die Menschen zusammengetan, um ihre Kirche wiederaufzubauen, und in Kalaa haben über 650 Menschen an einer zweitägigen Rüstzeit für Presbyter teilgenommen. Bischof Gaya erzählt, seine Diözese erlebe gerade eine Periode der geistlichen Erweckung, was teilweise auf die Verfolgungssituation zurückzuführen sei. Paradoxerweise steigt die Zahl der Muslime, die sich christlichen Gemeinschaften anschließen, und selbst einige Kämpfer der Boko Haram haben ihre Sünden bekannt und sich taufen lassen.
Durch Boko Haram ist es zu einem starken Anstieg der Binnenmigration gekommen. Millionen Binnenvertriebene mussten in Lagern unterkommen, von denen einige von der Kirche betrieben werden. Eins der von Bischof Fabiny und Buda besuchten Lager wurde um eine katholische Kirche herum errichtet. Im September 2014 sollte es einigen Familien nur für einige Tage Unterschlupf bieten, aber aus den Tagen wurden bald Wochen, Monate und Jahre; heute leben dort etwa 700 Menschen. Darunter sind viele Kinder, die hier mit Buda ungarische Abzählreime spielen.
Das theologische Seminar der LKCN wurde nach dem dänischen Missionar Niels Brønnum benannt. Es ist das größte seiner Art in Westafrika. Dort werden PfarrerInnen und ReligionslehrerInnen auf Englisch ausgebildet. Einige Studierende und sogar der Leiter des Seminars sind muslimische Konvertiten. Zum Zeitpunkt des Besuchs waren gerade Sommerferien und die meisten Studierenden arbeiteten auf den Feldern ihrer Familien, aber die 45 SchülerInnen des Junior-Seminars, die nur dreimal im Jahr nach Hause gehen, waren vor Ort. Jeder Schultag beginnt mit einer Versammlung, in der die Nationalhymne und die Schulhymne gesungen werden und das Vaterunser gebetet wird.
Der Schwerpunkt des Austauschprojekts zwischen LKCN und ELKU liegt auf der Diakonie, bzw. für Nigeria insbesondere auf Gesundheitserziehung und Krankenhausprojekten. In den 1970er Jahren wurden alle kirchlichen Einrichtungen einschließlich der Krankenhäuser verstaatlicht; deswegen konnte das erste Lutherische Gesundheitszentrum erst vor vier Jahren in Demsa eröffnen. Es verfügt über eine gute Ausstattung und sorgt für PatientInnen in einem Umkreis von mehreren hundert Kilometern.
Gegen Ende ihres Besuchs nahmen die ungarischen Gäste an einem Sonntagsgottesdienst in der Kathedrale der LKCN in Numan teil. Buda las die Epistel in der Landessprache Hausa. Bischof Fabiny hielt seine Predigt über das Gleichnis vom verlorenen Sohn im Lukas-Evangelium. Der Gottesdienst wurde auf der Facebook-Seite der LKCN übertragen.
Jetzt freuen sich die Teilnehmenden des Austauschprogramms auf den Gegenbesuch von Bischof Amos und Briska in Ungarn in einigen Monaten, um die Gastfreundschaft der nigerianischen Schwestern und Brüder erwidern zu können.