Mit biblischen Inhalten für positive Männlichkeitsbilder werben

3. Dez. 2020
Kinder und Jugendliche aus vier lutherischen Schulen in Liberia nehmen an einem Marsch gegen alle Formen von Gewalt in ihrem Land teil. Foto: LCL/Linda Johnson Seyenkulo

Kinder und Jugendliche aus vier lutherischen Schulen in Liberia nehmen an einem Marsch gegen alle Formen von Gewalt in ihrem Land teil. Foto: LCL/Linda Johnson Seyenkulo

Webinar-Reihe läutet Initiative „Mensch sein – Mann sein in einer Welt der Gewalt“ ein

GENF, Schweiz (LWI) – Biblisch-theologische Inhalte wirksam machen, um geschlechtsspezifische Gewalt und patriarchalische Macht in der Kirche zu überwinden – so lautet das ehrgeizige Ziel einer neuen Initiative des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Zusammenarbeit mit der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK) und dem in Südafrika beheimateten Netzwerk Sonke Gender Justice, das sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetzt. Die Initiative mit dem Titel „Transformative Männlichkeitsvorstellungen: Mensch sein – Mann sein in einer Welt der Gewalt“ startete am 26. November.

Zu ihrer Eröffnung setzte sich ein Webinar mit der Frage auseinander, wie Gewalt inhumane und verzerrte Vorstellungen von männlicher Identität hervorbringt. Die Veranstaltung stand am Beginn der „16 Aktionstage zur Beendigung von geschlechtsspezifischer Gewalt“. Die Webinar-Reihe umfasst zwei weitere Veranstaltungen, in der Folge sind für 2021 Praxis-Workshops geplant, bei denen das Thema vertieft werden soll.

Chad Rimmer, LWB-Programmreferent für Identität, Gemeinschaft und Bildung, berichtete zu Beginn des Webinars, aufgrund der Corona-Pandemie würden in manchen Ländern bis zu 40 Prozent mehr Fälle häuslicher Gewalt angezeigt: „Von jeher ist es ein dringendes Anliegen, Männer in die Entwicklung von transformativen Männlichkeitsbildern und die Anstrengungen für mehr Gendergerechtigkeit einzubinden, doch die Pandemie hat das Bewusstsein dafür weltweit geschärft.“

Eine „Theologie der Befreiung“

Die neue Initiative habe einerseits die Zielsetzung, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt zu überwinden, so Rimmer weiter, andererseits gehe es auch um eine Kritik an „Systemen von Macht und Patriarchat in Kirche und Gesellschaft“, die Gewalt und Unterdrückung Vorschub leisteten. Für von ihrem Glauben getragene Menschen habe hier die Theologie besondere Bedeutung, da „die Inhalte, die wir vermitteln,“ ebenso dazu dienen könnten, „Menschen zu befreien und gerechte Beziehungen zu anderen aufzubauen wie andere auszuschließen und Gewalt zu verfestigen“.

Bafana Khumalo vom Sonke-Netzwerk berichtete von einer Reihe aufsehenerregender Fälle von Vergewaltigung und Missbrauch durch christliche Geistliche in seinem Land. „Die Kirche sollte allen einen sicheren Raum bieten”, betonte er und hinterfragte, welche Theologie es Männern erlaube zu meinen, „sie hätten das Recht, den Körper von Frauen zur eigenen Befriedigung zu missbrauchen.“

Philip Peacock von der WGRK rekapitulierte, was aus christlicher Sicht das Menschsein ausmacht: die Fähigkeit zur Reflexion über die eigene Existenz, zum Aufbau von Beziehungen mit anderen sowie zur Verwirklichung des Heilsplans, den Gott für uns hat. Gewalt gegen Frauen schmälere das Leben, da sie ihm ein Stück Sinn nehme und „wir als Männer unsere Humanität verlieren“.

Teufelskreis von Traumatisierung und Gewalt

Sehr wirksam lasse sich in der Kirche mithilfe kontextuell verankerter Bibelarbeit Veränderung bewirken, so Peacock. In seiner Heimat Indien etwa helfe die Auseinandersetzung mit der Hagar-Geschichte im 1. Buch Mose Teilnehmenden, die aktuellen Herausforderungen zu verstehen, vor die sie der Kampf gegen sexuelle Gewalt in ihrem Land stelle.

Die Kirchen hätten in diesem Zusammenhang eine wichtige Aufgabe, betonte Rimmer. Sie könnten Räume schaffen, in denen der „Teufelskreis von Traumatisierung und Gewalt“ durchbrochen werden könne. Wesentlich sei in diesem Zusammenhang beispielsweise, „ein sicheres, förderliches Umfeld“ für Männer und Jungen zu bieten, wo diese „sich über die körperliche und psychische Gewalt austauschen können, die ihnen im eigenen Leben widerfahren ist“.

Aus der dreiteiligen Webinar-Reihe und den anschließenden Praxis-Workshops sollen Materialien hervorgehen, die im religiösen Kontext unterschiedlicher Kulturen angewendet werden können, um Rollenklischees zu überwinden und für positive Männlichkeitsbilder zu werben.