Eine Krone von Dornen

9. Apr. 2020
Die Vizepräsidentin für die Region Nordische Länder, Erzbischöfin Dr. Antje Jackelén, fasst die Karfreitagsbotschaft des LWB in ein Gespräch mit dem Verfasser des 1. Petrusbriefs. Foto: Dominik Kempf, Unsplash

Die Vizepräsidentin für die Region Nordische Länder, Erzbischöfin Dr. Antje Jackelén, fasst die Karfreitagsbotschaft des LWB in ein Gespräch mit dem Verfasser des 1. Petrusbriefs. Foto: Dominik Kempf, Unsplash

Botschaft des LWB zu Karfreitag 2020 von Antje Jackelén

UPPSALA, Schweden/GENF

Der unsre Sünden selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie irrende Schafe; aber ihr seid nun umgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen. 1. Petrus 2, 24-25

Danke, Petrus, für dieses Christuslied, das an die Worte des Propheten Jesaja angelehnt ist! „Durch seine Wunden seid ihr heil geworden.“ Christus hat für uns gelitten!

Leid ist in unserer Welt eine Realität. Wo immer es Leben gibt und Kreativität, gibt es auch Schmerz, Kampf, Leiden und Tod. So ist es schon seit Millionen von Jahren. Und Gott ist mittendrin.

Weißt du, Petrus, sehr viele von uns erfahren durch das neue Coronavirus gerade so viel Leid und so viel Schmerz. Wie das von der Schlange gebissene Volk in der Wüste, das zu der ehernen Schlange aufschaute, die Moses zu ihrer Heilung an einer Stange hoch aufgerichtet hatte (4. Mose), schauen wir zur Heilung der von dem neuen Coronavirus heimgesuchten Völker und Nationen zu dem gekreuzigten Christus und seiner „Corona“ – seiner Dornenkrone – hinauf.

Manchmal erkennen wir erst im Nachhinein einen Sinn in unserem eigenen Leiden. Und bekanntermaßen ist es schwierig und aus pastoraler Sicht unklug, den Sinn und die Bedeutung des Leides einer anderen Person ausmachen und bestimmen zu wollen. Statt anderen Menschen erzählen zu wollen, was Gott sich bei ihrem Leiden gedacht hat, müssen wir sie einfach auf ihrem Weg begleiten. Wir müssen an ihrer Seite stehen und die heilende Wirkung der Wunden Christi beschwören. Damit wir der Redlichkeit und Gerechtigkeit leben.

Außerdem, Petrus, erfahren wir derzeit mehr und mehr über das Leiden des Planeten Erde. Ich weiß, die Erde ich nicht Jesus. Aber auch die Erde hat Wunden, und viele dieser Wunden wurden ihr durch unsere Sünden zugefügt. Man könnte sagen, die Erde trägt unsere Sünden in ihrem Leib, genau wie Jesus unsere Sünden an seinem Leib auf das Kreuz hinaufgetragen hat. Meistens reagiert die Erde auf ihre Misshandlung durch uns – genau wie Jesus – nicht in gleicher Weise und bedroht uns nicht. Manchmal aber schlägt sie zurück und trifft dann alle gleichermaßen – die, die sie nur nutzen, und die, die sie zum eigenen Vorteil ausnutzen und missbrauchen.

Einen wichtigen Unterschied gibt es aber natürlich: Wir glauben, dass die Wunden Jesu Heilung bedeuten. Die Wunden der Erde können uns nicht heilen. Sie erinnern uns vielmehr an unsere Verwundbarkeit und an die Wunden, die wir anderen zufügen. Die Wunden der Erde sind Wunden, die uns anflehen und auffordern, bei ihrer Heilung zu helfen.

Unser Mitwirken an der Heilung der Wunden der Erde könnte letzten Endes ein Mitwirken an der Heilung bedeuten, die Gott uns in Christus zukommen lassen will. Da Jesus unser Hirte ist, sollten wir wirklich alles uns Mögliche tun, um die Weideflächen, auf denen wir leben, zu erhalten, denn ohne Weideflächen kann es weder Schafe geben noch braucht es Hirten!

Weißt du, Petrus, wir haben schon viel zu lange missachtet oder ignoriert, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen den Weideflächen und dem Hirten, zwischen der Natur, die uns umgibt, und unserer Erlösung. Aber jetzt scheinen wir es endlich zu begreifen!

Wenn wir uns heute am Fuße des Kreuzes verneigen und dann nach oben schauen zu unserem Erlöser mit seiner Dornenkrone, begreifen wir, dass Christus zu vertrauen auch bedeutet, dass wir Sorge tragen müssen für den Grund und Boden, auf dem wir stehen und gehen. Dass wir Sorge tragen müssen für den Leib, der wir sind, für die Richtung, in die wir uns in unserem Leben bewegen, für unsere Gemeinschaften. Dass wir Sorge tragen müssen für die, die leiden, und dass wir in der Lage sein müssen, solidarisch mit ihnen zu leiden.

Petrus, können wir es wagen zu behaupten, dass das Kreuz als Zeichen dafür, dass Gott sich allem Ringen und allen Problemen, die es gibt, annimmt, im Zentrum des Universums steht? Dass Gott in Christus Heilung bedeutet – nicht nur in Bezug auf deine und meine persönlichen Sünden, nicht nur in Bezug auf das Leid der Menschen, nicht nur in Bezug auf die Wunden des Planeten Erde, sondern in Bezug auf alles, was ist? Das Kreuz als Beweis für Gottes Liebe!

Gott, der es nicht zugelassen hat, dass die Ungerechtigkeit des Kreuzes fortbesteht, freut sich ganz sicher nicht über das Leiden nur um des Leidens Willen. Vielmehr will Gott erkannt werden durch die Ausgießung des Geistes des Trostes und der Kraft – um zu heilen und ein Leben in Fülle zu feiern. Ich danke dir, Petrus, für diese Unterhaltung, die meinen Horizont erweitert hat! 

Erzbischöfin Dr. Antje Jackelén ist LWB-Vizepräsidentin für die Region Nordische Länder.

 

 

LWF/OCS