Thailand: Vertrauen und Respekt in interreligiösen Beziehungen aufbauen

Dass sich Bischof Boonmee Jarupong dem christlichen Glauben zuwandte, war für ihn anfangs ein Akt der Rebellion, der einen Bruch mit seiner Familie und seinem Umfeld bedeutete. Im Laufe seines Lebens lernte er, dass eine Kirche wächst, wenn die traditionellen Werte respektiert und die Gemeinschaft zusammengehalten wird. 

Im folgenden Interview erzählt er, wie durch respektvollen Umgang, Gnade und Dienst vielen Menschen Hoffnung gemacht wurde und sie Gerechtigkeit erfahren haben. 

10 Jan. 2025
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Bischof Boonmee Jarupong (Mitte) mit den neuen Pfarrpersonen der lutherischen Gemeinde Ban Rai Pattana, Distrikt Pan, Provinz Chiang Rai, am 30. Mai 2024. Foto: ELCT

Bischof Boonmee Jarupong (Mitte) mit den neuen Pfarrpersonen der lutherischen Gemeinde Ban Rai Pattana, Distrikt Pan, Provinz Chiang Rai, am 30. Mai 2024. Foto: ELCT

Boonmee Jarupong, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thailand 

(LWI) – Bischof Boonmee Jarupong von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thailand wurde buddhistisch erzogen. Sein Lebensweg ist geprägt von Selbstentdeckung und jugendlicher Rebellion, die schließlich zu Heilung führte. Im folgenden Interview erzählt er, dass seine Frau und er ihr Leben dem Dienst einer kleinen lutherischen Gemeinde verschrieben haben und wie sie es durch gesellschaftliches Engagement, Initiativen für soziale Gerechtigkeit und einen großen Respekt für traditionelle Werte geschafft haben, dass diese immer größer wurde. Sein Lebensweg zeigt, mit welchen Herausforderungen man in interreligiösen Beziehungen konfrontiert sein kann und welch transformierende Wirkung Gnade auf Einzelpersonen und Gemeinwesen hat. 

Erzählen Sie uns von Ihrem persönlichen Glaubensweg. 

Meine Eltern und Großeltern waren buddhistisch, und mein Vater arbeitete im Tempel und lernte dort die Balinesische Sprache. Er brachte mir viel über Religion und das Leben nach dem Tod bei. Er war auch traditioneller Heiler. Mit 16 wurde ich sehr krank, und obwohl wir viele Ärzte konsultierten, verbesserte sich mein Zustand nicht. Schließlich ging ich zu einer Station der norwegischen Mission, wo man mir einen gesünderen Lebensstil zeigte und mir beibrachte, auf mich und meinen Körper besser Acht zu geben. In diesem Umfeld und in der Kirche ging es mir Schritt für Schritt besser. Diese Erfahrung führte dazu, dass ich den christlichen Glauben annehmen wollte, und so ließ ich mich schließlich taufen. 

1994 ging ich an ein christliches Priesterseminar. Ich hatte damals noch nicht vor, Pastor zu werden – ich hatte meine eigenen Unternehmen –, aber ich wollte den christlichen Glauben besser kennenlernen. Am Priesterseminar lernte ich auch meine Frau kennen, die ich 1998 heiratete. Wir haben unser Studium am Seminar abgeschlossen und dann bat uns die Kirche, eine kleine lutherische Gemeinde zu übernehmen. Sie befand sich zwar in einer großen Stadt, aber die Gemeinde an sich war sehr klein. Sie hatte gerade einmal 20 Mitglieder. Wir beschlossen damals, uns dort niederzulassen, eine Familie zu gründen und uns voll und ganz dem kirchlichen Dienst zu widmen. Meine anderen Unternehmen gab ich auf. Das war der Anfang unseres kirchlichen Dienstes und mir ist bis heute nie langweilig geworden. 

Wie finanziert sich Ihre Gemeinde? 20 Menschen sind doch zu wenige, um das Gehalt eines Pastors zu finanzieren. 

Heute ist die Gemeinde auf etwa 100 Mitglieder angewachsen, von denen 40 regelmäßig in den Sonntagsgottesdienst kommen. Zudem haben wir ein sehr lebendiges Programm für Kinder, an dem regelmäßig etwa 140 Kinder teilnehmen. 

Wie hat Ihre Familie reagiert, als Sie beschlossen haben, sich christlich taufen zu lassen, und dann später angefangen haben, für die Kirche zu arbeiten? 

Mein Vater war anfangs sehr wütend. Er sagte mir, dass ich nicht mehr sein Sohn sei, weil unsere Familie seit Generationen buddhistisch sei. Ich war der erste Christ in unserem Dorf, und weil ich noch sehr jung war, war es nicht einfach, andere Glaubensüberzeugungen zu haben als alle anderen und anderer Meinung zu sein als sie. Der Tempelvorsteher schlug schließlich vor, dass ich das Dorf verlassen sollte. 

Heute ist das Verhältnis zu meiner Familie sehr viel besser. Als Jugendlicher war ich ein ziemlicher Rebell – ich trank Alkohol, hörte laut Musik und baute ziemlich viel Mist. Mit der Zeit merkte meine Familie, dass ich mich verändert hatte. Viele meiner Verwandten – zum Beispiel meine Tante und meine jüngere Schwester – sind ebenfalls zum Christentum übergetreten. 

Was begeistert die Menschen in Ihrem Umfeld am lutherischen Glauben? 

Im Buddhismus gibt es viele gute Lehren – zum Beispiel, dass man immer ein guter Mensch sein soll. In meinem Umfeld haben die Menschen viel Respekt für jemanden, der sich von einem Rebell in einen verantwortungsbewussten Menschen verwandelt. Meine Verwandten haben gesehen, wie zufrieden meine Familie ist und dass wir immer zusammenhalten, und das hat ihr Interesse geweckt. 

Dem buddhistischen Glauben zufolge braucht es viele gute Taten, um ein besseres Leben nach dem Tod zu haben. Für viele Menschen ist es schwierig, Gnade als ein Geschenk zu verstehen. Aber wenn sie sehen, wie sehr sich mein Leben gewandelt hat und wie zufrieden meine Familie ist, werden sie neugierig auf das Evangelium von Jesus Christus. 

Wie würden Sie Ihre Kirche beschreiben? 

Unsere Kirche hat 28 Gemeinden in fünf Distrikten. Es gibt 23 Mitarbeitende in der Kirche, von denen 16 Pfarrpersonen sind, darunter auch zwei Frauen. Wir haben 3.700 getaufte Mitglieder. 

Unser Ziel ist, den Menschen durch die Gnade Gottes Gerechtigkeit, Hoffnung und Zufriedenheit zu schenken. Unser Engagement konzentriert sich insbesondere auf das Thema soziale Gerechtigkeit, das in unserem Verständnis in den biblischen Grundprinzipien und in praktischem Handeln verankert sein muss. Die Bibel lehrt uns, die Armen, Unterdrückten und Marginalisierten zu lieben und zu beschützen. Wir setzen uns mit Projekten in den Bereichen Nachhilfe, medizinische Hilfe und Hilfe beim Thema Wohnraum für Menschenrechte und eine gesellschaftliche Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller Menschen ein. Darüber hinaus kämpfen wir gegen Genderungerechtigkeit, führen Kampagnen gegen Gewalt durch und treten ein für Inklusion. 

Wir engagieren uns diakonisch, betreiben Bibelschulen und bauen unsere Programme für Frauen und junge Erwachsene aus. 

Haben Sie viele ökumenische Beziehungen oder steht Ihre Kirche recht allein da? 

Wir haben enge Beziehungen mit anderen christlichen Glaubensgemeinschaften wie der katholischen Kirche, den Pfingstkirchen und der methodistischen Kirche in Thailand. Hin und wieder feiern wir gemeinsam Gottesdienst, wir tauschen uns über theologische Themen aus und arbeiten gemeinsam an den Zielen, die wir alle verfolgen, also beispielsweise Gerechtigkeit, Menschenrechte und Klimawandel. 

Ihre Gemeinde ist von 20 Mitgliedern auf 100 angewachsen. Wie haben Sie das geschafft? 

Ein entscheidender Faktor war immer unser Kinderprogramm, das viele Kinder aus der direkten Umgebung und damit ihre Familien anzieht. Außerdem hat das gesellschaftliche Engagement in unserem direkten Umfeld einen hohen Stellenwert für uns, wir begegnen allen Menschen mit Respekt und gehen enge, fast familiäre Bindungen mit dem Menschen in unserem Umfeld ein. 

In der thailändischen Kultur ist es wichtig, den Menschen, die älter sind als man selbst, mit Respekt zu begegnen. Die richtige Art, sie anzusprechen, ist sie als Großeltern oder Tanten und Onkel anzusprechen, auch wenn man gar nicht verwandt ist. Dadurch haben die Menschen das Gefühl, Teil einer großen Familie zu sein. Wir und andere christliche Kirchen machen das immer noch so und gehen damit als Gemeinde mit gutem Beispiel voran. Christliche Gläubige sind in den Augen Anderer also Menschen, die die traditionellen Werte noch respektieren. 

Es ist sehr wichtig, solche von Vertrauen geprägten Beziehungen aufzubauen, bevor es um die Religion gehen kann. Erst muss Respekt vorhanden sein – das ist ein langer Weg, aber er lohnt sich.

Letzte Frage: Was bedeutet es für Ihre Kirche, Ihre Arbeit und Sie persönlich, Teil der weltweiten Gemeinschaft von Kirchen zu sein? 

Man hat das Gefühl, Teil einer Familie zu sein. Der Lutherische Weltbund (LWB) ist nicht einfach nur ein Büro; der Lutherische Weltbund ist eine Gemeinschaft von Kirchen aus aller Welt. Ursprünglich war es in meinem Verständnis meine Mission, mich für Gerechtigkeit, Hoffnung und Zufriedenheit in der thailändischen Gesellschaft einzusetzen. Jetzt ist mir klar, dass es um die weltweite Gemeinschaft geht. Wenn ich wieder zu Hause bin, will ich den Mitgliedern meiner Kirche von diesem breiteren Blickwinkel erzählen.

LWB/C. Kästner-Meyer