Sicherstellen, dass auch ärmste Länder Impfstoff erhalten
LONDON, Vereinigtes Königreich/GENF (LWI) – Religiöse Führungspersonen aus aller Welt haben im Vorfeld des G7-Treffens am Freitag einen offenen Brief an Boris Johnson und die politischen Führungen der G7-Länder geschrieben, in dem sie fordern, dass die Patente für die COVID-19-Impfstoffe vorübergehend freigeben und zusätzliche Mittel bereitgestellt werden, um sicherzustellen, dass auch die ärmsten Länder der Welt Impfstoffe erhielten und eine Ausbreitung weiterer Varianten des Coronavirus verhindert werden könne.
Die „Gruppe der Sieben“ – kurz: G7 – ist ein Zusammenschluss von sieben wirtschaftsstarken Ländern aus aller Welt, zu denen Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, das Vereinigte Königreich und die USA zählen. In diesem Jahr findet der G7-Gipfel vom 11. bis 13. Juni in Cornwall statt.
Das Schreiben ist unterzeichnet vom Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, Martin Junge, dem Dalai Lama, dem ehemaligen Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, der heute Vorsitzender von Christian Aid ist, Emmanuel, dem Metropolit-Ältesten von Chalkedon, der das orthodoxe Ökumenische Patriarchat vertritt, und Thabo Makgoba, dem anglikanischen Erzbischof von Kapstadt.
Die religiösen Führungspersonen würdigen in dem Schreiben die internationale Initiative der Weltgesundheitsorganisation, die dazu beitragen soll, dass Hilfsmittel im Kampf gegen COVID-19 schneller entwickelt und allen Ländern gerecht zur Verfügung gestellt werden können – den so genannten „Access to COVID-19 Tools Accelerator (ACT-A)“. Dank dieser Initiative konnten Impfstoffe bisher in mehr als 100 Länder geliefert werden. Sie weisen aber auch darauf hin, dass nach wie vor eine enorme Ungerechtigkeit bei der Aufteilung der Impfstoffe zwischen reichen und armen Ländern herrsche. In dem Schreiben rufen sie daher dazu auf, zusätzliche Finanzmittel bereitzustellen und mutige Schritte zu unternehmen, um die Produktion zu steigern.
Sie schreiben: „Bis zum heutigen Tag sind weniger als 1 Prozent der 900 Millionen verabreichten Impfdosen in Ländern mit niedrigem Einkommen verabreicht worden. Mehr als 83 Prozent sind in den wohlhabenden Ländern der Welt verimpft worden. Die Kluft zwischen ärmeren und reicheren Ländern der Welt in Bezug auf die zur Verfügung stehenden Impfstoffe wächst Tag für Tag.“
Weiterhin unterstützen die religiösen Führungspersonen die Forderungen nach einer Freigabe der Patente für die Impfstoffe, um eine schnellere und einfachere Verteilung in Ländern mit einer niedrigen Durchimpfungsrate sicherzustellen.
„Die Regeln zum Schutz von geistigem Eigentum auszusetzen – ein Vorschlag, der von immer mehr G7-Ländern unterstützt wird – würde uns die Möglichkeit geben, nicht nur die Produktion zu steigern, sondern sie auch auf mehr Standorte auszuweiten. Dadurch würde die Zeit bis zum Erreichen einer Herdenimmunität verkürzt und damit die Zeit, in der potenziell gefährliche Varianten entstehen können.“
Obwohl die WHO-Initiative ACT-A sehr erfolgreich sei, warnen die religiösen Führungspersonen, würden die Fortschritte ohne eine erneute Finanzspritze der G7-Staaten zum Stillstand kommen:
„Während viele G7-Länder ACT-A bereits großzügig finanziell unterstützt haben, macht es uns große Sorge, dass sich die Finanzierungslücke für dieses Jahr auf 19 Milliarden US-Dollar beläuft. Weil alle Länder weltweit versuchen werden, die eigene Durchimpfungsrate zu steigern, wird die Finanzierungslücke immer größer werden, wenn die finanzielle Unterstützung nicht erhöht wird. Es ist dringend notwendig, die Kosten durch eine Aussetzung der geistigen Eigentumsrechte und die Weitergabe von Kenntnissen und Ressourcen an Generikahersteller zu senken.“
„Die G7 haben eine besondere Verantwortung in beiden Bereichen. Als ein Zusammenschluss von Ländern mit den weltweit größten Volkswirtschaften wird Ihr finanzielles Engagement für ACT-A für den Erfolg oder Misserfolg des Vorhabens sorgen. Wir rufen Sie daher dringend auf, sich auf den von Norwegen und Südafrika vorgelegten Vorschlag einzulassen, die Last auf vielen Schultern zu verteilen; der Vorschlag wurde an 89 Länder weltweit geschickt und sieht vor, dass die G7 gemeinsam 63 Prozent der Finanzmittel aufbringen, die notwendig sind, um die Finanzierungslücke zu schließen.“
Der G7-Gipfel, der am Freitag in Cornwall, England beginnt, wird ein entscheidender Augenblick sein, die globalen Impfanstrengungen voranzutreiben, und wird allgemein als wichtiger Test für die Regierung des Vereinigten Königreiches und die G7 insgesamt gesehen.
Die religiösen Führungspersonen enden ihr Schreiben mit den Worten:
„Wir sind überzeugt, dass eine gerechtere Gestaltung der Bemühungen um einen Zugang der ärmeren Länder der Welt zu Impfstoffen sowohl eine ethische Pflicht als auch eine epidemiologische Notwendigkeit ist, wenn wir vulnerable Bevölkerungsgruppen schützen wollen, egal wo sie leben – und dazu zählen auch Bürgerinnen und Bürger der G7-Staaten. Der altbewährte Grundsatz ‚vom Mitmenschen her kommen uns Leben und Tod‘ trifft es heute mehr denn je auf den Punkt und wir rufen Sie dringend auf, sich dieser Herausforderung rasch und wirkungsvoll zu stellen.“