Vom „Heiligen Krieg” zu sprechen ist Missbrauch des Evangeliums

24. Mai 2024

Bei ihrem Solidaritätsbesuch in der Ukraine traf die LWB-Delegation auch mit führenden Vertretern der christlichen, muslimischen und jüdischen Gemeinschaften in der Ukraine zusammen. Eine gemeinsame Sorge war die Instrumentalisierung des Christentums zur Legitimierung der russischen Invasion in der Ukraine. 

Gruppenbild mit Verantwortlichen von Religionsgemeinschaften in der Ukraine vor der Lutherischen Kirche St. Katharinen in Kiew.

Gruppenbild mit Verantwortlichen von Religionsgemeinschaften in der Ukraine vor der Lutherischen Kirche St. Katharinen in Kiew. Fotos: LWB/Anatolyi Nazarenko

LWB-Führung trifft leitende Mitglieder des Allukrainischen Rates der Kirchen und religiösen Organisationen  

(LWI) – Bei ihrem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew trafen der Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB), Bischof Henrik Stubkjær, und die LWB-Generalsekretärin, Pfarrerin Dr. Anne Burghardt, mit Vertretern des Allukrainischen Rates der Kirchen und religiösen Organisationen zusammen. Zehn Mitglieder des Gremiums sprachen mit der LWB-Delegation in der Kirche St. Katharinen in Kiew über die gesellschaftliche Rolle von Religionsgemeinschaften in Zeiten des Krieges.  

„Wichtig ist, dass wir als Kirchen zusammenstehen, denn wir können der Gesellschaft etwas geben,“ sagte LWB-Präsident Bischof Henrik Stubkjær: „Wir bringen die Botschaft, dass wir zusammenstehen und solidarisch mit Ihnen sind.“  

Echte Freundschaft in der Not  

Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk, das Oberhaupt der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, dankte den LWB-Vertreterinnen und -vertretern für ihren Besuch in einem Land im Krieg und für die Unterstützung seit dem Beginn der großangelegten Invasion Russlands in der Ukraine. „Sie zeigen uns in unserer Not, was echte Freundschaft ist“, sagte er.  

Den LWB-Mitgliedskirchen in Europa dankte er außerdem für ihre Gastfreundschaft bei der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine. 

„Dieser Krieg ist eine schreckliche Tragödie. Er ist nicht nur eine Belastungsprobe für den Einzelnen, sondern für die ganze Gesellschaft“, sagte er. „Seit Ausbruch des Krieges bewerten die Menschen alles neu: ihre Beziehungen zur Gesellschaft, zu ihren Familien und sogar zu Gott.“  

„In Zeiten der Dunkelheit sind die Kirchen ein Licht der Hoffnung“, sagte Pfarrer Anatolij Rajchinets, der stellvertretende Leiter der Ukrainischen Bibelgesellschaft. Glaubensgemeinschaften in der Ukraine nutzten „ihre Ressourcen, ihre Gebäude und ihre Verbindungen“, um Menschen in Not zu helfen, ergänzte Erzpriester Vitalij Danchak von der Orthodoxen Kirche der Ukraine. Er dankte dem LWB für seine humanitäre Arbeit im Land, vor allem in der Frontstadt Charkiw: „Wir sind dankbar, dass der LWB den Menschen in der Ukraine mit humanitärer Hilfe zur Seite steht, ganz unabhängig von ihrem Glauben oder ihrer Konfession.“  

„Eine ökumenische Herausforderung“  

Zahlreiche Kirchen leisten den vom Krieg betroffenen Menschen aktiv Unterstützung. Allerdings hat der Druck auf die ukrainischen Kirchen und ihren gesellschaftlichen Beitrag zugenommen. Landesweit wurde die Wehrpflicht eingeführt und auch Pfarrern droht die Einberufung zum Militär. Viele Kirchen trifft das sehr hart, wie z.B. auch die evangelischen Kirchen, da sie ohnehin nur wenige Pfarrer haben.  

Treffen mit Vertretern des Allukrainischen Rates der Kirchen und religiösen Organisationen.

Treffen mit Vertretern des Allukrainischen Rates der Kirchen und religiösen Organisationen.

Sehr besorgt äußerten sich die Geistlichen über die Propaganda und Ideologie eines so genannten „Heiligen Krieges“, die auch von der russisch-orthodoxen Kirche mitgetragen wird. „Wir beobachten mit großer Sorge, wie sich eine Kirche hinter eine völkermörderische Ideologie stellt. Wie können wir der Instrumentalisierung der Religion entgegentreten?“, fragte Erzbischof Schewtschuk.  

„Gewaltige Mittel“ würden eingesetzt, so Pfarrer Anatolij Rajchinets, „um dieses Narrativ zu verbreiten". Er warnte davor, die Idee von einem „Heiligen Krieg“ in den Kirchen und den zwischenkirchlichen Beziehungen zuzulassen. Abgesehen davon, dass das Evangelium missbraucht wird, um Gewalt zu legitimieren, schade es dem Ansehen aller Glaubensgemeinschaften in der stark säkularisierten ukrainischen Gesellschaft, wenn eine Kirche die Invasion absegnet, sagten die Vertreter des Allukrainischen Rates der Kirchen und religiösen Organisationen.

Lutherische Solidarität  

„Wenn Evangelium und Christentum zur Rechtfertigung dieses Krieges missbraucht werden, ist das gefährlich“, sagte die Generalsekretärin. „Seit Beginn des massiven Überfalls hat die weltweite lutherische Gemeinschaft die russische Aggression gegen die Ukraine scharf verurteilt, zu Gebeten für einen gerechten Frieden aufgerufen und den Opfern dieses Krieges beigestanden“, sagte LWB-Generalsekretär Burghardt. Die Dreizehnte LWB-Vollversammlung in Polen hat diese Haltung erneut bekräftigt und Russland dazu aufgerufen, seinen Krieg gegen die Ukraine zu beenden. 

 

LWB/C. Kästner-Meyer