Kirchenleitende aus der ganzen Region trafen sich in Bratislava, um nach gemeinsamen Lösungen für die aktuellen Herausforderungen in ihren Kirchen zu suchen.
Kirchenleitende treffen sich in Bratislava zum Austausch über gemeinsame Probleme und rufen zu Unterstützung der örtlichen Diakonie auf
(LWI) – Der Krieg in der Ukraine und die regionale Flüchtlingskrise, ein Rückgang bei der Kirchenmitgliedschaft, verschärft durch die COVID-Pandemie und die fortwährende Herausforderung, gemeinsame Grundlagen bei den Minderheitenkirchen mit unterschiedlichen historischen, theologischen und sprachlichen Traditionen zu finden. Das waren einige Schwerpunktthemen, über die auf einem kürzlichen Treffen lutherischer Kirchenleitender aus der Region Mittel- und Osteuropa gesprochen wurde, das am 21. Oktober in Bratislava seinen Abschluss fand.
Der Präsident des Lutherischen Weltbunds (LWB), Panti Filibus Musa, und LWB-Generalsekretärin Anne Burghardt wandten sich in einer Rede an die Delegierten des Treffens, in der es darum ging, dass sich die Kirchen in einer Zeit voller Konflikte und wachsender Polarisierung für Frieden und Versöhnung stark zu machen. Die Teilnehmenden hörten von Bischof Pavlo Shvarts von der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine einen Bericht aus erster Hand über den Krieg in seinem Land. Er erinnerte daran, dass die russische Aggression nicht erst vor acht Monaten, sondern bereits vor acht Jahren begonnen habe, und er meinte, dass die Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf lange Sicht mehr als „Marathon“ gesehen werden müsse und nicht einfach nur als kurzangelegter „Sprint“.
Der LWB-Koordinator für humanitäre Hilfe in der Ukraine, Josef Pfattner, berichtete, wie die Kirchen in den Nachbarländern Polen, Ungarn, Slowakei und Rumänien den vor dem im Februar ausgebrochenen Konflikt geflüchteten Menschen, hauptsächlich Frauen und Kindern, sofortige Hilfe zukommen ließen. Der LWB arbeite weiterhin sehr eng mit den Kirchen vor Ort zusammen und bemühe sich, „bestehende Netzwerke zu stärken und zu unterstützen“ und möglichst effizient auf die Bedürfnisse der Flüchtlinge zu reagieren.
Martin Balcar, in der Tschechischen Republik Leiter des Zentralbüros der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder, sprach über die Notfallhilfe der örtlichen Kirchengemeinden in seinem Land, wo 150 Kirchen mehr als 2.000 ukrainischen Flüchtlingen ihre Türen geöffnet haben. Nach einem kompletten Verbot der diakonischen Arbeit unter dem 1989 zu Ende gegangenen Sowjet-Regime sei die Diakonie seiner Kirche jetzt die zweitgrößte im Land und eine „wirklich wichtige Partnerin des Staates“. Die Herausforderung bestünde darin, dass diese unverzichtbare Arbeit an der Basis kaum beachtet und selten auf gleiche Weise anerkannt werde, wie die Beiträge nationaler oder internationaler Nichtregierungsorganisationen.
Klára Tarr Cselovszky, Leiterin des Referats für ökumenische und auswärtige Angelegenheiten bei der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn, sagte, die Kirche in ihrem Land habe auch „einen stärkeren Einfluss auf die Gesellschaft als die Zahlen nahelegten.” Lutherische Christinnen und Christen machten rund 2,5 Prozent im mehrheitlich katholischen Land aus. Sie stehen mit der Regierung in einer Beziehung der – wie Bischof Tamás Fabiny es nennt – „kritischen Solidarität“. Das heißt, sie arbeiten in den Bereichen Bildung und Diakoniearbeit zusammen und sprechen sich deutlich für eine stärkere Integration von Flüchtlingen und ausgegrenzten Gemeinden aus.
Bishof Leon Novak von der Evangelischen Kirche A.B. in Slowenien bemerkte, dass Lutheranerinnen und Lutheraner in seinem Land, deren Anteil an der Bevölkerung gerade mal ein Prozent ausmacht, „hohes Ansehen“ beim Staat genössen. Das läge unter anderem an der Rolle, die der Reformator Primož Trubar im 16. Jahrhundert bei der Ausprägung der Landessprache und nationalen Identität gespielt habe. Er sagte, dass die Beziehungen zu den benachbarten Kirchen und der größeren LWB-Gemeinschaft auch für die Ausbildung von Pastorinnen und Pastoren und bei der Stärkung der Position der Kirche wichtig seien.
Anna Sóos, Vize-Präsidentin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Rumänien, hob hervor, wie schwierig es sei, junge Menschen zu erreichen und die Bildung auf allen Ebenen zu fördern, angefangen in den Vorschulen über die Universitäten bis hin zur Seminarausbildung am Protestantisch-Theologischen Institut von Cluj-Napoca im Nordwesten des Landes. Aus Sicht eines mehrheitlich orthodoxen Landes betonte sie außerdem, dass der LWB dabei helfen müsse, „uns zusammenzubringen und den Dialog zwischen den Menschen christlichen und nichtchristlichen Glaubens zu fördern.“
Auch Bischof Jaroslav Javornik von der Slowakischen Evangelischen Kirche A.B. in Serbien betonte, dass dem LWB eine wichtige Rolle bei der Stärkung der Kompetenzen von Minderheitenkirchen in der gesamten Region zukomme. Er lobte das vom LWB ausgerichtete Programm der Klausurtagung für neu gewählte Kirchenleitende (RoNEL), mit dem engere Beziehungen zwischen den Menschen in kirchlichen Leitungspositionen aus verschiedenen Teilen der lutherischen Gemeinschaft aufgebaut werden. Er sprach auch über ein neues gemeinsames Programm zur Stärkung von Frauen in den Kirchen auf dem gesamten Balkan und meinte, alle diese Kirchen bräuchten mehr Unterstützung bei der diakonischen Arbeit in ihren Gemeinden.
Andris Krauliņš, Sekretär des Referats für internationale Angelegenheiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Lettland, sagte, „die Zukunft der Kirche wird nicht einfach“ und die Kirchen würden vor allem in ländlichen Gebieten „hauptsächlich infolge der COVID-19-Pandemie immer leerer“ werden. Doch er bemerkte auch, dass jedes Jahr rund eintausend neue Mitglieder der Kirche beiträten, von denen die einen eine kirchliche Trauung wünschten, während andere von lutherischen Gemeindemitgliedern eingeladen worden waren oder sich durch Alpha-Kurse mit einer Einführung in das Christentum angezogen fühlten.
Die Teilnehmenden hießen das Oberhaupt der Evangelischen Kirche A. B. in der Slowakei, Generalbischof Ivan Elko, herzlich willkommen. Er sprach über die Geschichte seiner Kirche und das Leiden der Menschen im letzten Jahrhundert. Außerdem hörten die Delegierten eine Rede von Bischof Jerzy Samiec von der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, der die Ausrichtung der 13. Vollversammlung des LWB in Krakau im kommenden September vorbereitet.
Bischof Samiec sprach über den Holocaust und die Auswirkungen, die dieses schreckliche geschichtliche Ereignis noch immer für die Kirchen in der Region hat. „Ausgrenzung beginnt langsam“, sagte er, „deshalb besteht die Herausforderung für uns als Kirchen darin, dass wir uns umschauen und sehen, was heute geschieht, und dass wir uns für alle ausgegrenzten Menschen einsetzen, selbst wenn wir ihre Standpunkte, Glaubensvorstellungen oder Werte nicht teilen mögen.“
Nach der Konsultation sagte der LWB-Regionalsekretär für Europa, Ireneusz Lukas: „Diese Versammlung ist der einzige Raum, an dem die Führungspersonen aller LWB-Mitgliedskirchen aus der Region zusammenkommen können. Sie gibt ihnen die Möglichkeit, die gegenseitigen Beziehungen zu pflegen, indem sie an Gottesdiensten teilnehmen und über das Wort Gottes nachdenken, Erfahrungen austauschen und nach gemeinsamen Lösungen für die aktuellen Herausforderungen in ihren Kirchengemeinden suchen. Dieses Jahr bestand ein wesentlicher Teil unserer Konsultation in der Vorbereitung auf die LWB-Vollversammlung, die in Polen stattfinden wird – zum zweiten Mal in der Geschichte des LWB in unserer mittel- und osteuropäischen Region.“