Theologinnen aus Afrika, Asien, Europa und Lateinamerika teilen Ärger und Hoffnung
GENF, Schweiz (LWI) – Verschiedene Frauen, die heute im Bereich öffentliche Theologie tätig sind, wollen der prophetischen Stimme Mirjams nacheifern, der Schwester von Moses, die das Leben schützte und die Befreiung ihres Volkes von der Unterdrückung verkündete. In einem Webinar am 30. März berichteten vier ordinierte Frauen aus Mexiko, Österreich, Tansania und Malaysia von den Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, und erzählten von ihrer Verantwortung, auch auf der höchsten Ebene der Kirchenleitung eine andere Sichtweise einzubringen.
Angela del Consuelo Trejo Haager, Direktorin des lutherischen Seminars „Seminario Luterano Augsburgo“ in Mexiko, sprach über die kraftvolle Botschaft, die ordinierte und nicht-ordinierte Frauen der heutigen Zeit den Worten und Taten Mirjams entnehmen könnten. Von der temperamentvollen Sklavin im Teenager-Alter, die entschlossen war, „sich gegen die unterdrückerische ägyptische Herrschaft zur Wehr zu setzen“, bis hin zu der tanzenden Prophetin, die die Befreiung aus der Sklaverei feiert, hörten wir hier ein Lied, „das niemand aufhalten kann“, sagte Trejo. „Es fordert uns auf, auch heute weiterhin Gerechtigkeit für die Frauen in unseren Ländern zu verlangen.“
Trejo, die Koordinatorin des Netzwerks für Gendergerechtigkeit des Lutherischen Weltbundes (LWB) in der Region Lateinamerika und die Karibik ist, sprach darüber hinaus über das Lied „einer anderen Maria“ in den Evangelien, die ebenfalls „jubelt“, aber auch „eine Melodie der Denunzierung“ singt und damit „die stolzen“ und „die mächtigen“ Unterdrücker ihrer Zeit anprangert. Die Lieder seien ein Aufruf zum Handeln, um „Verwandlung und Erneuerung“ zu bewirken, sagte sie. Sie würden uns auffordern, „Melodien erklingen zu lassen, die Frieden [...] und Gerechtigkeit schaffen und uns die Freiheit geben, unserer Meinung Ausdruck zu verleihen“.
Öffentliche Stimme vornehmlich männlich
Eva Harasta, Theologische Referentin des Bischofs der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Österreich, antwortete auf Trejos Ausführungen und berichtete, dass mehr als ein Drittel der Geistlichen ihrer Kirche Frauen seien. Diese würden „von ihren Gemeinden geschätzt und ihre Rolle als theologische und pastorale Instanz sei voll anerkannt“, sagte sie. Auf höheren Leitungsebenen hingegen gebe es derzeit zum Beispiel auf Diözesanebene keine einzige Frau unter den Superintendenten, was bedeute, dass „die öffentliche Stimme der Kirche nach wie vor vornehmlich männlich ist“.
In akademischen Kreisen, so Harasta weiter, sei die Situation für Theologinnen noch schwieriger – insbesondere in dem von ihr gewählten Bereich der systematischen Theologie. Über feministische Themen zu schreiben, habe man ihr schon früh zu verstehen gegeben, wäre „Gift für meine Karriere“, wenn sie an deutschsprachigen theologischen Fakultäten arbeiten wolle. Aber es sei doch „theologisch fragwürdig“, setzte sie dem entgegen, „die ganze Tradition und die Standpunkte der feministischen“ Perspektive einfach zu ignorieren. Außerdem würde das zu einem Verschweigen von Problemen wie häusliche Gewalt und anderer Probleme, mit denen Frauen konfrontiert sind, führen.
Die Stimme von Frauen in die öffentliche Theologie einzubeziehen, so Harasta, würde helfen, „traditionelle Geschlechterrollen zu überwinden, die zur Unterdrückung der Frau geführt haben,“ und würde helfen, „die Rolle des ordinierten Amtes neu zu denken“. Außerdem würde es wichtige Auswirkungen in Bezug auf die Ökumene haben, führte sie weiter aus, und einen größeren Schwerpunkt auf Vielfalt und eine inklusivere Theologie legen, die in einem „freieren Verständnis unserer Beziehung zu Gott“ wurzeln würde.
Strukturelle und kulturelle Herausforderungen
Hoyce Jacob Lyimo Mbowe, Exekutivdirektorin der ökumenischen Stiftung „Mindolo Ecumenical Foundation“ in Sambia, brachte eine afrikanische Perspektive ein. Sie wies darauf hin, wie schwierig es für Frauen sei, in den Kirchen auf ihrem Kontinent überhaupt bis in Führungspositionen zu kommen. Kulturelle Schwierigkeiten seien ein großes Hindernis und das beginne schon damit, dass Bildung in ärmeren Familien eher den Jungen zuteilwerde und dass Mädchen ausgegrenzt würden, erklärte sie.
Auch wenn einige Kirchen – wie auch ihre eigene, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Tansania – Frauen ordinieren würden, gebe es keine Frauen im Bischofsamt. Die Stimmen von Frauen würden auf den Entscheidungsebenen also nicht gehört. „Einige Theologie-Seminare würden zudem keine Frauen aufnehmen“, erklärte sie weiter. „Und einige Kirchen schicken keine Frauen in die theologische Ausbildung.“ Als sie an der Makumira-Universität in Arusha studierte, sei sie unter den 18 Studierenden in ihrem Jahrgang die einzige Frau gewesen.
Und selbst Frauen, die alle diese Hürden überwunden und eine der spärlichen Beschäftigungsmöglichkeiten als Theologinnen gefunden hätten, würde nicht gerne über die Schwierigkeiten sprechen, mit denen sie konfrontiert seien, so Mbowe. Es herrsche eine Kultur „des Schweigens“ und der „Unterordnung“, erklärte sie. Und das führe dazu, dass Frauen, die sich nicht trauen würden, ihre Meinung zu sagen, „von ihren Vorgesetzten oder Gemeinwesen abgelehnt würden“.
In vielen asiatischen Kirchen hingegen „ist es gut, eine Frau und im Bereich öffentliche Theologie tätig zu sein, denn man hat eine Plattform, man ist anerkannt und wird wertgeschätzt“, man wird als Führungsperson der Kirche und der Gesellschaft „gesehen und als solche wird einem vertraut“, erklärte Ngui Au Sze. Sie ist Dekanin des Englischen Generalrats der Basler Christlichen Kirche Malaysias. Als geistliche Führungsperson des englischsprachigen Teils ihrer Konfession erklärte sie, dass mehr als die Hälfte aller Menschen im ordinierten Amt Frauen seien.
Aber auch in Asien seien Frauen auf den höheren Leitungsebenen nicht so präsent und „dieses Ungleichgewicht macht mir Sorgen“, führte sie aus. Die ehemalige Bischöfin Josephine Tso von der Evangelisch-Lutherischen Kirche Hongkong (ELKHK) sei für sie Quelle der Inspiration, aber sie sei besorgt, dass in den letzten Jahren immer weniger Frauen am Theologischen Seminar Sabah studieren würden.
Alle Teilnehmenden waren sich einig, wie wichtig es sei, „Verantwortung dafür zu übernehmen, die eigene Stimme öffentlich zu erheben“, einander gegenseitig zu stärken und – „mit so viel Leidenschaft wie Mirjam“ – den eigenen „konstruktiven Ärger“ in die richtigen Bahnen zu lenken. Jene Menschen, die sich gegen Gendergerechtigkeit wehren, würden Frauen oftmals nach ihrer Zugehörigkeit zu ethnischen oder sozioökonomischen Gruppen spalten, sagte Harasta. „Keine Frau kann für alle Frauen sprechen, obwohl es Aspekte der Diskriminierung gibt, die auf uns alle zutreffen“, erklärte sie. „Wir sollten es nicht zulassen, dass man uns dieses Zusammengehörigkeitsgefühls beraubt.“
„In der öffentlichen Theologie geht es darum, Gottes Gegenwart zum Wohl aller in den öffentlichen Raum zu bringen, und das können wir nicht allein oder getrennt voneinander tun“, erklärte Sivin Kit, Programmreferent für Öffentliche Theologie und Interreligiöse Beziehungen beim LWB. Er moderierte die Veranstaltung und sagte, wie ermutigend es sei, den Rednerinnen zu lauschen und „partnerschaftlich verbunden zu sein, um unser aller Beiträge zu verbessern“, weil „die Teilhabe und das Führungswirken aller benötigt würde“.
Von LWB/P. Hitchen. Deutsche Übersetzung: Andrea Hellfritz, Redaktion: LWB/A. Weyermüller