Treffens der europäischen Regionen des LWB in Prag
(LWI) – Welche Rolle spielen „Erinnerungen, Geschichten und Zeugnisse“ bei der Zukunftsgestaltung der Kirchen in Gesellschaften, die sich immer schneller verändern? Das fragte Pfarrer Pavel Pokorný, Leiter der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) in Tschechien zu Beginn der Tagung der europäischen Regionen des Lutherischen Weltbundes (LWB), vom 8. bis 11. Oktober in Prag.
Im Eröffnungsgottesdienst in der historischen Kirche Sankt Martin in der Mauer forderte Pokorný die Teilnehmenden auf, sich an die biblischen Geschichten von Gottes Treue zu seinem Volk zu erinnern. “Welche unserer heutigen Geschichten werden für zukünftige Generationen von Christinnen und Christen Bestand haben?”, fragte er.
Pokorný erinnerte an die Geschichte seiner eigenen Kirche „aus der Zeit der Reformation und Gegenreformation, aus der Zeit der Toleranz und aus den beiden Perioden des (nationalsozialistischen und kommunistischen) Totalitarismus“. Er betonte: „Das Gedächtnis prägt unsere Identität und gibt Orientierung, sowohl für uns als Einzelne als auch für die Gemeinschaft.“
Das Gedächtnis sei mehr als das bloße Speichern von Informationen; es sei eine „Beziehung“, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verbindet. Er erinnerte an die Erzählungen von Gottes Treue zu den Menschen im Alten Testament und an die frohe Botschaft von der Auferstehung Jesu, die in den Evangelien überliefert ist. Er fügte hinzu: „Mit ihm werden wir lebendig, trotz unserer Ängste, unserer Hilflosigkeit, trotz der Sünde und der Dunkelheit in der Welt.“
Auf der Suche nach Verbindungen
Vertreterinnen und Vertreter von LWB-Mitgliedskirchen aus ganz Europa tagen derzeit in der tschechischen Hauptstadt, um über die gemeinsamen Herausforderungen in zunehmend säkularen Gesellschaften zu diskutieren. Das Treffen findet in einer Kirche der EKBB im Prager Stadtteil Smíchov statt. Gemeindepfarrer Jonatan Hudec stellte die Kirche, die dieses Jahr ihr 100-jähriges Jubiläum feiert, als einen lebendigen, multifunktionalen Gemeinschaftsraum für kulturelle, soziale und pädagogische Aktivitäten vor – unter anderem gibt es ein Café sowie Raum für Konzerte und Theateraufführungen.
Als Synodalältester der EKKB sprach Pokorný über die tschechische Gesellschaft, die laut einer Studie der World Population Review aus dem Jahr 2024 zu den säkularsten Ländern der Welt zählt (Rang 3). Er beschrieb die Arbeit der Kirche als „Suche nach Verbindungen“ zu Menschen, einschließlich derer, die sich selbst keiner Religionsgemeinschaft zuordnen, jedoch oft nach Spiritualität oder Sinn im Leben suchen.
Wir gehören Christus, aber Christus gehört uns nicht.
EKKB-Synodalältester Pavel Pokorný
Pfarrer Pokorný verwies auf das Gleichnis vom Sämann als Inspiration für die Mission der Kirche, das „Saatkorn des Evangeliums“ auf ehrliche und einfache Weise mit den Menschen zu teilen. Anstatt sich um die Zukunft kirchlicher Institutionen zu sorgen, betonte er, dass es „ein gesundes Selbstvertrauen und eine offene Haltung“ brauche, um persönliche Beziehungen zu fördern und „wegweisende Glaubensgemeinschaften“ zu schaffen.
In dieser Zeit des Wandels, so wurden den Teilnehmenden in Erinnerung gerufen, dürfen die Kirchen nicht in vergangenen Erfahrungen verharren, sondern sollten aus Gottes Verheißungen Kraft schöpfen, um allen Menschen – besonders den schwächsten und schutzbedürftigsten Mitgliedern der Gesellschaft – ein offenes und inklusives Willkommen zu bereiten. Pokorný erinnerte an die mutigen Beispiele christlicher Zeuginnen und Zeugen früherer Generationen und schloss mit den Worten: „Wir gehören Christus, aber Christus gehört uns nicht.“
Die Tagung der europäischen Regionen fand vom 8. bis 11. Oktober 2024 in Prag, Tschechische Republik, statt. Delegierte aus den LWB-Mitgliedskirchen in Europa kamen zusammen, um über den weiteren lutherischen Weg im heutigen, sich schnell verändernden Europa zu beraten. Gastgeberin der Tagung war die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder.