Ein Glaubensimperativ für Menschenrechte

15 Dez. 2020
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Der Palast der Nationen in Genf, in dem der Menschenrechtsrat tagt. Aufgrund der Pandemie fand das Webinar online statt. Foto: LWB/C. Kästner

Der Palast der Nationen in Genf, in dem der Menschenrechtsrat tagt. Aufgrund der Pandemie fand das Webinar online statt. Foto: LWB/C. Kästner

Webinar: Rolle von Glaubensgemeinschaften beim Einsatz für Menschenrechte

GENF, Schweiz (LWI) – Glaubensgemeinschaften und Kirchenleitende müssen sich entschiedener für Menschenrechte einsetzen und für Menschenrechtsverstöße und extreme Lehrmeinungen in ihrem Kontext Rechenschaft ablegen. Dies war der allgemeine Konsens während eines Webinars anlässlich des Internationalen Tages der Menschenrechte mit dem Thema „Ein Glaubensimperativ für Menschenrechte.“ Das Webinar wurde vom Lutherischen Weltbund (LWB) gemeinsam mit Side by Side, Act Alliance, ACT Church of Sweden, der Anglikanischen Kirchengemeinschaft, dem Ökumenischen Rat der Kirchen, Islamic Relief Worldwide, Christian Aid und Religions for Peace veranstaltet.

Während einer Podiumsdiskussion gaben Deepika Singh (Religions for Peace), Gloria Mafole (Christlicher Rat von Tansania und Side by Side Tanzania), Patrick Watt (Christian Aid) und Hanbeet Rhee (Aktion „Donnerstags in Schwarz“, Ökumenischer Rat der Kirchen) Einblicke in ihre Arbeit und sprachen über die Probleme, denen aus dem Glauben handelnde Personen bei ihrem Einsatz für Menschenrechte oft begegnen, und über mögliche Handlungsansätze, um diese Probleme zu bewältigen.

Auswirkungen von COVID-19

„Glaube und Menschenrechte stehen für zwei unterschiedliche Systeme, zwei unterschiedliche Wege, die unterschiedliche Bereiche ansprechen. Und doch geht es um die grundlegende Anerkennung der Würde und des unveräußerlichen Wertes jedes Menschen“, sagte LWB-Generalsekretär Martin Junge in seiner Eröffnungsrede. Er sprach über den Glauben als eine Ressource und über die Rolle glaubensgestützter Gemeinschaften bei der Unterstützung und Durchsetzung der Menschenrechtsagenda. „Menschenrechtsaktivisten und –aktivistinnen mit religiösem Hintergrund brauchen unseren Beistand und unsere Unterstützung“, sagte Junge.

Wer sich für Menschenrechte einsetzt, musste sich schon immer in einem schwierigen Kontext voller Herausforderungen bewegen. Die COVID-19-Pandemie hat diese Situation noch problematischer gemacht. Gloria Mafole vom Christlichen Rat in Tansania berichtete beispielhaft über Gewalt an Frauen und Mädchen in Tansania. Die Zahl dieser Fälle nimmt jetzt zu, da aufgrund des Lockdowns Gewalt hinter geschlossenen Türen stattfindet und sich öffentlicher Aufmerksamkeit entzieht. „Die Bereitstellung eines geschützten Raums ist für uns als Kirche zu einer schwierigen Aufgabe geworden.“ Patrick Watt von Christian Aid berichtete darüber, wie die Pandemie zur Durchsetzung rechtlicher Beschränkungen der Zivilgesellschaft genutzt worden ist und wie die COVID-19-Hilfsmaßnahmen ausgerechnet die am stärksten gefährdeten Teile der Bevölkerung oft nicht erreichen.

Mehr Rechenschaftspflicht der Glaubensgemeinschaften

Allerdings können selbst Glaubensgemeinschaften ein unterschiedliches Verständnis von Menschenrechten haben. Das gilt besonders dann, so konnten die Podiumsgäste beobachten, wenn es um Gendergerechtigkeit geht.

Hanbeet Rhee (ÖRK) berichtete darüber, wie das Engagement für Menschenrechte wissenschaftliche Karrieren gefährden kann. Deepika Singh (Religions for Peace) schlug vor, die „Sprache der Menschenwürde“ zu benutzen und auf religiöse Lehren hinzuweisen, die Menschenrechte und Gendergerechtigkeit fördern.“ Gloria Mafole schlug vor, „extreme Lehren“ zu beobachten und in ihrem Glaubenskontext zu thematisieren.

Alle Podiumsgäste waren sich darin einig, dass Glaubensgemeinschaften strategischer vorgehen und Bündnisse eingehen müssen und dass sie finanzielle Hilfen zur Förderung der Menschenrechte brauchen. Fundamentalistische Gruppen seien finanziell meistens gut ausgestattet, gingen bei ihren öffentlichkeitswirksamen Auftritten zielgerichtet vor und versuchten, ihre Agenda in den Parlamenten und rechtlichen Strukturen durchzusetzen, stellte Lusmarina Campos Garcia vom ACT-Bündnis fest.

Hoffen auf eine bessere Welt

„Menschenrechte brauchen einen Systemwechsel“, erklärte Daniel Seymour von UN Frauen in seinen Abschlussworten. Er kritisierte ebenfalls, dass Menschenrechte – besonders Frauenrechte – oftmals als Rechte des Individuums gegen das Recht der Gemeinschaft gestellt werden. „Die Frage der Menschenrechte berührt in fundamentaler Weise, in welcher Weise wir eine Gemeinschaft sind. Glaubensgruppen und alle, die sich für Menschenrechte einsetzen, haben als gemeinsame Perspektive eine bessere Welt vor Augen und sollten deshalb gemeinsam auf einen Systemwechsel hinarbeiten“, sagte Seymour „Glaubensgemeinschaften verfügen über die Werkzeuge und die Erfahrung, um diese Probleme lösen zu können.“

„Es gibt einen starken Glaubensimperativ für Menschenrechte“, erklärte die Gesprächsleiterin Eva Eklund (Schwedischer Kirche) abschließend. „Wir müssen hier eine Aufgabe übernehmen.“

LWF/OCS