Zu Botschafterinnen und Botschaftern der Hoffnung und Versöhnung berufen

13. Okt. 2022

Kirchenleitenden-Konsultation der Region Mittel- und Westeuropa nahm besonders die globalen Herausforderungen und die Rolle der Diasporakirchen in der Kirchengemeinschaft des LWB in den Blick.

Podiumsdiskussion zur Situation der Minderheitskirchen in der Region Mittel- und Westeuropa. Foto: LWB/A. Weyermüller

Podiumsdiskussion zur Situation der Minderheitskirchen in der Region Mittel- und Westeuropa mit (v.l.) Michael Martin (Moderator), Andreas Wöhle (Präsident der Evangelisch-Lutherischen Synode der Protestantischen Kirche in den Niederlanden), Anna Krauss (Generalsekretärin der Lutheran Council of Great Britain), Renate Dienst (Präsidentin vom Bund Evangelisch-Lutherischer Kirchen in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein), Michael Chalupka (Bischof der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Österreich) und Ulrich Rüsen-Weinhold (Sekretär für internationale Beziehungen der Vereinigten Protestantischen Kirche Frankreichs). Foto: LWB/A. Weyermüller

Kirchenleitenden-Konsultation der Region Mittel- und Westeuropa tagt in Eisenach

(LWI) – In den Jahrzehnten seit seiner Gründung im Jahre 1947 sei es das Ziel des Lutherischen Weltbundes (LWB) gewesen, im Sinne eines ganzheitlichen Missionsverständnisses „relevant und zeitgemäß“ auf die Herausforderungen der Zeit einzugehen. Dies betonte die LWB-Generalsekretärin Anne Burghardt in ihrer Rede bei der Kirchenleitenden-Konsultation der Region Mittel- und Westeuropa, die am 6. und 7. Oktober in Eisenach, Deutschland, stattfand.

Rund vierzig Personen aus den LWB-Mitgliedskirchen der Region nahmen an der Konsultation teil. Sie versammelte Frauen, Männer und junge Menschen, die in ihren Kirchen Leitungsämter innehaben, in der Ökumene tätig oder Mitglieder im Rat des LWB sind.

Die LWB-Vizepräsidentin für die Region Mittel- und Westeuropa, Pröpstin Astrid Kleist, freute sich, die Teilnehmenden der Konsultation nach langer Zeit wieder persönlich begrüßen zu können. Der Auftrag der Kirchen sei es das, „was uns aufgrund unseres Glaubens Halt, Hoffnung und Orientierung gibt“, wahrnehmbar und glaubwürdig einzubringen, so Kleist in ihrem Grußwort. Eine weitere Herausforderung bestehe darin, miteinander diese Weggemeinschaft zu leben bei „aller Unterschiedlichkeit, die uns prägt und ausmacht“.

Herausforderungen in der Welt und Antworten des LWB

Die LWB-Generalsekretärin ging in ihrer Rede besonders auf die kontextuellen Herausforderungen ein, denen der LWB gegenübersteht. Hier sei es für den LWB als Ganzes, „aber auch für alle Mitgliedskirchen“ entscheidend sich die Frage zu stellen: Wie können wir Botinnen und Boten von Hoffnung und Versöhnung sein?

Die Rolle der Kirchen in der Gesellschaft geht sei es, „sich nicht von der Politik instrumentalisieren zu lassen, sondern für Menschenwürde und Versöhnung einzutreten.“ Versöhnung sei jedoch nicht einfach der Aufruf an die Unterdrückten, sich mit ihren Unterdrückern zu versöhnen, ohne von ihnen „Reue oder Heilung der Erinnerungen“ zu erwarten. „Ohne Gerechtigkeit kann es keinen dauerhaften Frieden geben“, so Burghardt. „Gleichzeitig sollten wir als Christinnen und Christen bedenken, dass es Gott ist, der die Versöhnung herbeiführt, wir aber an diesem Prozess beteiligt sind.“

Frieden, Versöhnung und Konfliktlösung würden in den kommenden Jahren auf der Agenda des LWB eine hohe Priorität genießen.

Bezüglich des Krieges in der Ukraine lobte die Generalsekretärin nicht nur auf den besonderen Einsatz des LWB, seiner Mitgliedskirchen und humanitären Partner in der Region und den Nachbarländern hin.

Sie wies aber auch auf die Gefahr hin, dass die Mittel für andere Regionen, die von bewaffneten Konflikten und Krisen betroffen sind, von vielen Ländern gekürzt werden könnten oder bereits gekürzt wurden.

Das Zeugnis der Minderheitskirchen

Im Rahmen eines Podiumsgesprächs richteten die Teilnehmenden der Konsultation den Blick auf die Besonderheiten der Kirchen, die in einer Minderheitssituation leben. Der Moderator dieses Gesprächs, Michael Martin von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, wies darauf hin, dass diese kleinen Kirchen der Region berufen seien, in ihrer besonderen Art und Weise „Salz der Erde“ zu sein.

Der Bischof der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Österreich, Michael Chalupka, verwies diesbezüglich auf das „protestantisches Abenteuer in einer nicht-protestantischen Umwelt“, das der österreichische Theologe Wilhelm Dantine (1911-1981) geprägt habe. Heute sei zu beobachten, dass Gemeinden besonders durch Menschen verändert würden, die aus dem Iran geflüchtet und nun zum Christentum konvertiert seien. Außerdem sei die „Diakonie die Kanzel der Gerechtigkeit“, so Chalupka. Hier käme das christliche Zeugnis Ausdruck in konkreten Taten.

Die lutherischen Kirchen in Großbritannien seien geprägt von ihrem „Nicht-britisch“-Sein, so Anna Krauss, Generalsekretärin der Lutheran Council of Great Britain. Überwiegend seien es Menschen, die in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg eingewandert oder aus ihren Heimatländern geflüchtet seien, die sich in den Gemeinden versammelten. Die Auswirkungen des Brexits machen sich aktuell auch beim verschlechterten Status von Asylsuchenden bemerkbar. Daher liege nun ein besonderer Arbeitsschwerpunkt beim Einsatz gegen Rassismus und anderen Formen der Diskriminierung in der Gesellschaft.

Der Sekretär für die internationalen Beziehungen der Vereinigten Protestantischen Kirche Frankreichs, Ulrich Rüsen-Weinhold, berichtete von einem Prozess „Mission und neue Dienste und Ämter“, der von der Synode initiiert wurde. Hierdurch will die Kirche weitere Ämter neben dem Pfarramt etablieren. Außerdem gebe es Bestrebungen, Theologie in die säkularisierte Gesellschaft zu tragen. Dies geschehe beispielsweise dadurch, dass in innerstädtisch gelegenen Kirchen Mittagsprogramme für Berufstätige angeboten werden, die sie in ihrer Pause teilnehmen können.

Auch die Protestantische Kirche in den Niederlanden erprobe Antworten auf die Säkularisierung, so der Präsident der Evangelisch-Lutherischen Synode, Andreas Wöhle. Er berichtete, dass sich in Amsterdam nur noch neun Prozent der Menschen zu irgendeiner christlichen Kirche zähle. Er beobachte dennoch, dass sich Menschen mit einem „nicht reflektierten Widerstand zur Eindimensionalität des Lebens“ zu den lutherischen Gemeinden kämen. Sie schätzten dort die Verbindung von Körper und Geist, Intellekt und Glaubenserfahrung. Wöhle regte an, in ökumenischen Gesprächen eine dritte Ebene in den Blick zu nehmen: das Gespräch mit entkirchlichten Menschen.

Lutherische Gemeinden in der Schweiz unterscheiden sich in erster Linie durch die Liturgie von anderen, sagte die Präsidentin vom Bund Evangelisch-Lutherischer Kirchen in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein. Gesungene liturgische und andere musikalische Elemente spielten hier eine besondere Rolle.

75 Jahre DNK/LWB

Im Anschluss an die Konsultation nahmen sie an den Feierlichkeiten anlässlich des 75jährigen Bestehens des Deutschen Nationalkomitees des LWB (DNK/LWB) auf der historischen Wartburg teil. Hier verfasste Martin Luther sein so genanntes „Septembertestament“.

„Die diesjährige Kirchenleitenden-Konsultation der Region Mittel- und Westeuropa, verbunden mit den Feierlichkeiten zum 75jährigen Bestehen des DNK/LWB, war ein unverzichtbarer Raum für den Erfahrungsaustausch in der Region unter Berücksichtigung des breiteren, regionalen und globalen Kontextes. Dies ist besonders wichtig für die Vorbereitung auf die kommende LWB-Vollversammlung in Krakau“, sagte der LWB-Europareferent Ireneusz Lukas.

LWB/A. Weyermüller