Namibia: Indigene Bevölkerungsgruppe führt Advocacy-Projekt für Landrechte an 

24. Mai 2024

In Namibia setzen sich eine Gemeinschaft des indigenen Volkes der San und die Lutherische Kirche dafür ein, dass Entwicklungsprojekte unter indigener Federführung Priorität bekommen und auf diese Weise etwas gegen kulturelle Stereotype und wirtschaftliche Marginalisierung unternommen wird.  

Teilnehmende aus der San-Gemeinschaft während eines Schulungs-Workshops, organisiert von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Mangeti Dune-Siedlung

Teilnehmende aus der San-Gemeinschaft während eines Schulungs-Workshops, organisiert von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Mangeti Dune-Siedlung. Foto: ELKIN

LWB unterstützt „Wege zur Gleichstellung“ mit den Schwerpunkten innere Heilung und emotionales Wohlbefinden  

(LWI) – Oftmals als Jäger und Sammler abgestempelt, deren Lebensweise für ihre Entwicklung hinderlich ist, zeigt eine Gruppe der indigenen San in Namibia, wie überholt diese Klischees sind und welchen positiven Beitrag ihre kulturelle Identität leisten kann und wie stark ihre Selbstbehauptung ist.  

Im Rahmen einer Initiative mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia (ELKIN) haben Gemeinschaftsvertreter und -vertreterinnen in Mangeti Dune im Nordosten des Landes ein Projekt mit dem Titel „Wege zur Gleichstellung: junge Buschleute, Lebensgrundlagen und wirtschaftliche Gerechtigkeit“ begonnen. Das Ziel besteht darin, besonders junge Menschen in die Lage zu versetzen, sich mit den historischen Ungerechtigkeiten auseinanderzusetzen, die den indigenen San, auch als Buschleute bezeichnet, angetan wurden. Der Lutherische Weltbund (LWB) leistet hier Unterstützung durch sein Diakonie- und Entwicklungsprogramm.  

Mangeti ist eine Siedlung mit nur wenigen Menschen in der Trockenregion Otjozondjupa. Vertreibungen und Streit über Landrechte sind nach Aussage von Frau Linda Chikerema, ELKIN-Projektberaterin, dringende und zunehmend komplexe Themen für die jungen Menschen, deren kulturelles und wirtschaftliches Überleben von dem Land ihrer Vorfahren abhängen. Ein nachhaltiger Fortschritt bedarf deshalb einer ganzheitlichen Strategie, die kulturelle Identitäten berücksichtigt, aber gleichzeitig historische Marginalisierung, Landkonflikte, Armut, eingeschränkten Zugang zur Bildung und Gesundheitsversorgung und wirtschaftliche Instabilität berücksichtigt.  

Durch das Projekt „Wege zur Gleichstellung“ erwerben junge Erwachsene die Kompetenzen, um sich für Landrechte einzusetzen und die Grundlagen für eine langfristige wirtschaftliche Krisenfestigkeit aufzubauen

Durch das Projekt „Wege zur Gleichstellung“ erwerben junge Erwachsene die Kompetenzen, um sich für Landrechte einzusetzen und die Grundlagen für eine langfristige wirtschaftliche Krisenfestigkeit aufzubauen. Foto: ELKIN

Junge Menschen im Mittelpunkt  

Mit dem Projekt „Wege zur Gleichstellung“ erwerben die jungen Erwachsenen die Kompetenzen, um sich für Landrechte einzusetzen, ihre Lebensgrundlagen zu verbessern, Ressourcen selbst unter der Leitung ihrer Gemeinschaft zu managen, sich für eine kulturbewusste Entwicklung einzusetzen und das Wachstum von Mikrounternehmen zu fördern, von denen in erster Linie junge Menschen profitieren. Das Ziel besteht darin, die Grundlage für eine nachhaltige wirtschaftliche Krisenfestigkeit aufzubauen.  

Im April hat die Kirche Schulungen zum Thema Unternehmertum und Lebenskompetenzen unter Beteiligung von fünf Gruppen junger Erwachsener durchgeführt. Jede Gruppe erhielt 10.000 Namibische Dollar (ca. 500 Euro), die in Handwerk, Kleinviehhaltung und Gartenbau investiert werden konnten.  

„Das Projekt hatte eine wahrhaft transformierende Wirkung nicht nur für die Begünstigten, sondern auch für uns als lutherische Kirche. Wir haben viel gelernt und gewinnen immer noch Tag für Tag neue Erkenntnisse, von denen unserer Meinung nach alle profitieren sollten“, sagte Chikerema.  

Traumata verarbeiten  

Eines der Ziele des Projektes besteht darin zu erkennen, wie wichtig die Verarbeitung erlittener Traumata ist und wie dies mit der Entwicklung neuer Initiativen in der Gemeinschaft zusammenhängt. Der Aspekt der „Etikettierung“ wurde angesprochen mit der Erkenntnis, dass „vielen der Teilnehmenden bewusst geworden ist, dass der Begriff der ‚marginalisierten Gruppe‘ nicht zur Selbstermächtigung beiträgt und diese Etikettierung im Unterbewusstsein ständig ihr Handeln bestimmt hat“, stellte Chikerema fest.  

Die ELKIN-Projektberaterin erzählte die Geschichte von Rauna Kamati, einer jungen Frau, die vor kurzem an einem Workshop über Identität und Labeling-Theorie teilgenommen und dabei die Methode der dialogischen Introspektion kennengelernt hat. Dies hat Kamati in die Lage versetzt, „die Deutungshoheit über ihr eigenes Narrativ wiederzuerlangen und sich den ihrer Gemeinschaft aufgezwungenen Klischees entgegenzustellen“ und „sich auf einen Weg zu begeben, sich ihr kulturelles Erbe zu eigen zu machen und mit einer neu gewonnenen Entschlossenheit „die Geschichte ihres Volkes in ihren eigenen Worten neu aufzuschreiben.“  

Rechte indigener Völker  

Ashenafi Haile, LWB-Programmreferent für Diakonie und Entwicklung, erklärte, es sei „ermutigend zu sehen, wie die namibische Kirche die indigene Bevölkerung des Landes dabei unterstützt, ihre eigenen Wahrheits- und Versöhnungsprozesse zu untersuchen und zu dokumentieren.“ Unter Hinweis auf eine Resolution der Dreizehnten Vollversammlung zu den Rechten indigener Völker sprach er darüber, dass der Fall der San-Gemeinschaft in Mangeti Dune und eine anstehende Publikation über diesen Prozess einen Beitrag zur Wissensvermittlung in der lutherischen Gemeinschaft und darüber hinaus leisten werde.  

Die ELKIN und die Gemeinschaft in Mangeti Dune arbeiten an einer Publikation, die das kulturelle Wiederaufleben und die Anpassungsstrategien des San-Volkes in Namibia dokumentiert. Sie befasst sich mit den Herausforderungen und Chancen, eigene Entwicklungswege zu gestalten, sich für Entwicklungsmodelle unter indigener Federführung einzusetzen, die das kulturelle Erbe, die Gemeinschaft und eine neue Autarkie an die erste Stelle setzen, und die Weitergabe von Wissen zwischen indigenen Gemeinschaften und akademischen Institutionen zu fördern.  

LWB/P. Mumia