Kolumbien: Gott ruft Menschen aus allen Lebensbereichen

5. Mai 2023

Pfarrerin Lidia Consuelo Preciado, die seit 25 Jahren im ordinierten Amt tätig ist, spricht über ihre Berufung zur Pfarrerin und die Rolle der Frauen in ihrer Kirche und im Friedensprozess in Kolumbien.

Pastora Consuelo

Pastora Consuelo predigt während der Frauenkonferenz im Vorfeld der Vorversammlung von Lateinamerika und die Karibik und Nordamerika, die in Kolumbien stattfand. Foto: LWB/A. Weyermüller

Im Interview: Pfarrerin Liria Consuelo Preciado von der Evangelisch-Lutherischen Kirche Kolumbiens  

(LWI) – Pfarrerin Lidia Consuelo Preciado war die erste Frau, die in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Kolumbiens (IELCO) ordiniert wurde. Die Kirche hat derzeit drei Frauen und fünf Männer, die in 21 Gemeinden und Missionen pfarramtlich tätig sind.   

„Pastora Consuelo“, wie sie allgemein genannt wird, ist seit 25 Jahren im ordinierten Amt und spricht über ihre Berufung, Pfarrerin zu werden, sowie über die Rolle der Frauen in ihrer Kirche und den Friedensprozess in Kolumbien.  

Könnten Sie uns bitte etwas über Ihren Hintergrund erzählen und wie Sie aufgewachsen sind?  

Ich stamme aus einer Region Kolumbiens namens Llanos Orientales, aus einer Stadt namens Paz de Ariporo im Departement Casanare. Die Gegend ist bekannt für Viehzucht und Fleischproduktion.  

Ich bin mit neun Geschwistern aufgewachsen, und ich bin die Jüngste. Wir waren also eine sehr große Familie, und meine Eltern mussten viele Herausforderungen meistern, um uns großzuziehen. Dennoch waren meine Großmutter und meine Mutter immer sehr entschlossen und bemüht, uns auf unseren Wegen zu ermutigen.  

Was hat Sie dazu bewogen, Theologie zu studieren und Pfarrerin zu werden?  

Anfangs hatte ich ein Stipendium des Lutherischen Weltbundes (LWB), um Sozialarbeit zu studieren. Es war mir nie in den Sinn gekommen, Theologie zu studieren und Pastorin zu werden. Aber während meines Studiums an der Faculdades EST in São Leopoldo, Brasilien, wurde mir klar, dass Sozialwissenschaften nicht das waren, was ich machen wollte. Stattdessen hatte ich die Möglichkeit, am Theologieunterricht teilzunehmen, und das hat einen Nerv in mir getroffen.   

Ich würde dies als eine Berufung bezeichnen, die sich in einem Prozess herausbildete. Auf diesem Weg wurde mir klar, dass Gott die Menschen auf unterschiedliche Weise in seinen Dienst ruft – Männer und Frauen, Jugendliche und Kinder –, um im Dienst der Kirche auf dieser Erde zu handeln und zu arbeiten. Ich verliebte mich in die Theologie und konnte nach Gesprächen und Verhandlungen mit der IELCO, der Theologischen Fakultät der Faculdades EST und dem LWB mein Studium fortsetzen.  

Bitte beschreiben Sie die Rolle der Frauen in Ihrer Kirche. Wo sind sie beteiligt und wie?  

In unserer lutherischen Kirche spielen die Frauen eine sehr wichtige Rolle; sie sind sehr aktiv. Sie leiten viele unserer kirchlichen Ausschüsse, sie sind Präsidentinnen und Koordinatorinnen von kirchlichen Diensten. Sie engagieren sich als Laiinnen in Gemeinden und Missionen, sie unterstützen viele verschiedene kirchliche Bereiche.  

Das ist sehr gut! Wir als Frauen sind sehr sichtbar und wir sind stolz darauf, dass Gott uns diese Türen in der Kirche geöffnet hat. Wir freuen uns, dass jüngere Frauen die Aufgabe übernommen haben, die Arbeit und den Dienst der Kirche hier in Kolumbien fortzusetzen. 

Ihre Kirche ist sehr stark im Friedensprozess in Kolumbien engagiert. Können Sie uns etwas darüber erzählen und wie sich das auf die Frauen auswirkt? 

Die IELCO ist in den Gebieten unseres Landes sehr präsent, in denen aktuell neue Friedensverträge geschlossen werden und der Friedensprozess Gestalt annimmt. Wir begleiten Kommunen und Gemeinden und helfen ihnen, die Bestimmungen der Friedenverträge einzuhalten. Wir setzen uns besonders ein für die Verständigung zwischen unterschiedlichen Gruppierungen und Konfliktparteien. 

Hierfür haben wir begleitende Projekte eingerichtet. Wir bieten Dialog- und Diskussionsmöglichkeiten an verschiedenen Orten. Das ist wichtig und bietet außerdem die Möglichkeiten, Zeugnis für das Evangelium abzulegen. Über diese Aktivitäten sind wir nah an den Menschen mit ihren Nöten und Sorgen. 

Allerdings ist es an manchen Orten schwierig als Kirche mit den Menschen, und besonders mit den Frauen, in Kontakt zu treten, weil sie bestimmten Einschränkungen unterliegen. Oft können sie nicht frei sprechen oder haben Hemmungen, auf kirchliche Mitarbeitende zuzugehen. Durch die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen gelingt es jedoch, Brücken in diese Gebiete und zu diesen Menschen zu bauen, mit ihnen in Kontakt zu treten und mit ihnen zu arbeiten. 

Wir sehen allerdings auch, dass nicht alle unsere Kirchenmitglieder unser Engagement im Friedensprozess unterstützen. Da sind wir ein Abbild der Gesamtgesellschaft. Als Kirche sind wir jedoch berufen, Friedensbotinnen und -boten zu sein und die versöhnende Botschaft Christi zu verkünden. 

Nach 25 Jahren im ordinierten Amt: Wo sehen Sie die Herausforderungen für Frauen und im ordinierten Amt im lateinamerikanischen Kontext? 

Die Herausforderungen für Frauen haben sich in den letzten Jahrzehnten nicht grundlegend verändert. Es gibt nach wie vor viele Menschen, die nicht damit einverstanden sind, dass Frauen ordiniert werden. Manchmal gibt es Fortschritte, und wir kommen voran. Aber dann werden wir wieder zurückgeworfen, weil einige nicht verstehen, dass der Gottes Geist verschiedene Menschen in den Dienst der Kirche ruft.  

Wir sehen uns oft mit fundamentalistischen Strömungen konfrontiert. Dennoch sehen wir unsere Aufgabe darin, Gottes befreiende Gnade wie sie im Alten und Neuen Testament bezeugt ist, zur Grundlage unsere Arbeit zu machen. 

Welche Rolle spielt das LWB-Frauennetzwerk für das Miteinander von Frauen in Ihrer Region? 

Das Netzwerk ist sehr hilfreich, um sich gegenseitig zu unterstützen und auf Aufrufe von Frauen zu reagieren, die an Frauen in der Region gerichtet sind. Es hilft uns, die Teilnahme an Konferenzen und Treffen zu koordinieren. Und es ist eine hervorragende Plattform für den Austausch von Andachten, Bibeltexten und Überlegungen, die uns ermutigen und uns helfen, kontextbezogene Materialien und Aktivitäten für uns Frauen zu entwickeln.  

Es ist sehr gut, über ein Netzwerk verbunden zu sein, weil wir wissen, was in anderen Regionen und Ländern geschieht. Auf diese Weise können wir uns auch gegenseitig unterstützen und unsere schwesterlichen Bande stärken. 

LWB/A. Weyermüller, E. Albrecht