Evangelische Schulen in Österreich integrieren Flüchtlingskinder in ihre Klassen
Genf, 16. September 2015 (LWI)—Die Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Europa setzen sich weiterhin für Tausende von Asylsuchende ein und empfangen sie mit offener Gastfreundschaft. Diese Menschen fliehen in erster Linie aus Syrien und anderen von Konflikten betroffenen Ländern im Nahen Osten in unsere Region.
Seit dem grossen Zustrom von Menschen im August, die Zuflucht in Europa suchen [link to 4 September LWI story], sorgen die Kirchen für die Grundbedürfnisse der Flüchtlinge. Dazu gehören Nahrungsmittel, Kleidung, ein Dach über dem Kopf und Zugang zu medizinischer Versorgung in Gemeinden und örtlichen Gemeinschaften. Die Kirchen setzen sich im Rahmen ihrer Advocacy-Arbeit ebenfalls verstärkt bei den zuständigen Regierungen dafür ein, dass mehr für die in dieser Region Schutz suchenden Flüchtlinge getan wird.
In der österreichischen Hauptstadt Wien haben evangelische Schulen angekündigt, 30 Schulplätze für Flüchtlingskinder sowie mehrere Plätze in Kindergräten zur Verfügung zu stellen. „Für uns als Schulen und Kindergärten in evangelisch-diakonischer Trägerschaft ist es sehr wichtig, Menschen in Not zu unterstützen“, sagt Veronika Weisskircher, geschäftsführende Direktorin der Diakonie Bildung der evangelischen Kirchen.
Die diakonische Betreuung ist einer von zahlreichen Bereichen, in denen die österreichischen evangelischen Kirchen zusammenarbeiten. Beteiligt sind die LWB-Mitgliedskirche, Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Österreich, und die reformierte Kirche.
Weisskircher berichtet, dass die Bitte der Kirchen an ihre Bildungseinrichtungen um Hilfe für die Flüchtlinge „eine äusserst positive Resonanz“ erfahren habe und sofort umfassende Unterstützung angeboten worden sei. Einige der evangelischen kirchlichen Schulen und Kindergärten „gibt es schon seit vielen Jahren, dementsprechend verfügen sie auch über umfassende Erfahrungen in der Betreuung von Kindern aus Flüchtlingsfamilien“, ergänzt Weisskircher.
Zu den Einrichtungen gehören zehn Kindergärten, fünf Volksschulen, drei neue Mittelschulen und zwei Hochschulen in Wien. Ein Institut für junge Menschen mit besonderem Bildungsbedarf nimmt auch Schüler/innen mit Flüchtlingshintergrund auf.
Deutsche Bischöfinnen und Bischöfe bekräftigen Verantwortung der christlichen Glaubensgemeinschaft
Im Zuge der aktuellen grossen Welle von Asylsuchenden hat Deutschland bereits Zehntausende von Flüchtlingen aufgenommen, nach offiziellen Einschätzungen ist ein Ende nicht in Sicht. Die LWB-Kirchenleitenden gehören zu den 20 Bischöfinnen und Bischöfen evangelischer Kirchen, die den unterstützenden Kirchen danken und sie in ihrer Bekräftigung der christlichen Verantwortung gegenüber ihren Mitmenschen bestätigen. Diese Verantwortung gebietet, Menschen willkommen zu heissen, die aufgrund der aktuellen Lage in ihren Ländern zur Flucht gezwungen wurden und „jetzt draussen vor den Toren Deutschlands und Europas stehen“.
In einer Erklärung vom 15. September haben sich Bischöfinnen und Bischöfe der Evangelischen Kirche in Deutschland, zu der eine Reihe von LWB-Mitgliedskirchen gehören, „gegen alle Formen von Fremdenfeindlichkeit, Hass oder Rassismus und gegen alle Faktoren ausgesprochen, die zu Inhumanität führen oder solche Verhaltensweisen gesellschaftlich akzeptabel machen.“ Zwar seien Bedenken und Vorbehalte hinsichtlich der Aufnahme so vieler Flüchtlinge nachvollziehbar, „aber über solche Ängste muss ernsthaft geredet werden, und sie dürfen nicht missbraucht werden, um eine respektlose oder feindselige Stimmung zu schüren.“
Die Bischöfinnen und Bischöfe bekräftigten ihre Unterstützung für die europäische Gemeinschaft bei der Wahrnehmung ihrer humanitären Pflichten, wiesen aber auch darauf hin, dass über Ungerechtigkeiten gesprochen werden müsse, die als zusätzliche Gründe für die aktuellen Flüchtlingsströme zu thematisieren seien: Klimawandel, Kriege, Verfolgung, dysfunktionale Staaten und extreme Armut. „Unsere Gesellschaft hat an diesen Ursachen der Flucht oft einen erheblichen Anteil – globale Handelsbeziehungen, Waffenlieferungen und besonders ein Lebensstil, der die Ressourcen der Erde plündert, spielen hier eine Rolle. Es ist Zeit, dass wir Reue zeigen und auf diese ungerechten Verhaltensweisen verzichten.“
3.000 Freiwillige in Hamburg
In Hamburg hat Bischöfin Kirsten Fehrs Gemeinden für ihre Unterstützung in Aufnahmestellen für Flüchtlinge in den drei Kirchenkreisen gedankt, die den Sprengel Hamburg und Lübeck der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland umfassen. Mehr als 40 Gemeinden koordinieren dort mit Unterstützung von 3.000 Freiwilligen die Kleiderausgabe, begleiten die Neuankömmlinge auf ihren Behördengängen und bieten Freizeitaktivitäten und deutsche Sprachkurse an. Fehrs ermutigte die Gemeinden, auch über andere Wege einer besseren koordinierten Unterstützung für die Flüchtlinge nachzudenken, „um die Willkommenskultur in unserem Land zu stärken“.
Finnische Bischöfinnen und Bischöfe fordern Nachbarschaftshilfe
In Finnland haben die zehn Bischöfinnen und Bischöfe der Evangelisch-Lutherischen Kirche Finnlands (ELKF) unter Führung des Erzbischofs Kari Mäkinen ihre Gemeinden aufgefordert, nach dem Grundsatz des christlichen gutnachbarlichen Verhaltens zu handeln und unterschiedslos und ungeachtet der Religion und der Nationalität all jenen zu helfen, die bei uns Zuflucht suchen.
In einer Erklärung vom 9. September haben die finnischen lutherischen Kirchenleitenden die ELKF-Gemeinden aufgefordert, weiterhin mit den Behörden und andere Einrichtungen zusammenzuarbeiten und den Flüchtlingen durch die Bereitstellung geeigneter Räumlichkeiten und die Organisation gemeinsamer Aktivitäten zu helfen. Die Gemeinden sollen die Belange der Flüchtlinge berücksichtigen, wenn Entscheidungen über Haushaltsmittel und die Zuteilung von Spenden getroffen werden.
Die finnischen Bischöfinnen und Bischöfe äusserten die Hoffnung, dass die Gemeinden ohne Vorbehalte die Einrichtung von Aufnahmezentren unterstützen und dass die Regierung in gemeinsamer Verantwortung den in Europa Asylsuchenden entgegenkommt.
In seinem Schreiben an die europäischen Kirchen hat sich der LWB-Generalsekretär Pfr. Dr. Martin Junge erneut bei den Kirchen dafür bedankt, dass sie Flüchtlinge willkommen heissen und sich für ihre Belange einsetzen. Er forderte die Kirchen nachdrücklich auf, bei ihren Regierungen Advocacy-Arbeit zu leisten im Sinne legaler und sicherer Zugangswege sowie „solidarischer Systeme in Europa, damit die Flüchtlinge mit Würde behandelt werden.”
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen geht davon aus, dass die Zahl der Menschen, die in Europa Zuflucht vor Krieg und Armut im eigenen Land suchen, im Jahre 2015 bei einer halben Million liegen wird. Die aktuelle Unterstützung durch die LWB-Mitgliedskirchen in der Region erfolgt zusätzlich zu der laufenden humanitären Hilfe des LWB für mehr als 2 Millionen Flüchtlinge und Binnenvertriebene weltweit, darunter in Jordanien lebende syrische Familien sowie Menbschen anderer Nationalitäten aus Ländern in Asien, Afrika und Lateinamerika.