Italien: Protestantischer Frauenverband veröffentlicht Magazin zu Frauengesundheit

10 Dez. 2020
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Foto: Unsplash/Christopher Campbell

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Gesundheit von Frauen im Kontext der COVID-19-Pandemie

ROM, Italien/GENF (LWI) – Die Gesundheit von Frauen – als Fötus im Mutterleib über die Pubertät und bis hin zur Menopause – ist das Schwerpunktthema eines Magazins vom Bund evangelischer Frauen in Italien (Federazione delle donne evangeliche in Italia, FDEI) im Rahmen seines diesjährigen Engagements für die 16 Aktionstage für ein Ende von geschlechtsspezifischer Gewalt veröffentlicht hat.

Die Veröffentlichung umfasst Bibeltexte, Gebete, kurze Ausführungen und Anregungen für Diskussionspunkte zu 16 verschiedenen Themen aus dem Bereich Gesundheit und Wohlergehen von Frauen. In der Einleitung wird darauf hingewiesen, dass die COVID-19-Pandemie „zum Teil verheerende Auswirkungen“ auf die Gesundheit aller Menschen gehabt habe. Statistiken zeigten aber auch, dass Frauen die Hauptlast der Auswirkungen der Beschränkungen tragen mussten. Zu diesen Auswirkungen zählen der Anstieg häuslicher Gewalt, wirtschaftliche Unsicherheit und eine ungleich höhere Verantwortung für die Hausarbeit und die Betreuung von Kindern.

Die Idee für die Sonderausgabe des regelmäßig veröffentlichten Magazins war während einer Online-Tagung von FDEI-Mitgliedern im März entstanden, als Italien in den ersten harten Lockdown ging, um dem rasanten Anstieg der Infektionszahlen im Norden des Landes entgegenzuwirken. Die Teilnehmenden hatten von persönlichen Berichten von Frauen erzählt, die keinen Zugang zu der notwendigen Gesundheitsversorgung oder Gesundheitsdienstleistungen rund um das Thema geschlechtsspezifische Gewalt hätten, von der in Italien nach Angaben des nationalen Instituts für Statistik (ISTAT) etwa jede vierte Frau betroffen ist. 

Körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden

Das Magazin beschäftigt sich mit verschiedenen Gründen, warum Frauen nicht in den Genuss von „umfassendem körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefinden“ kommen, wie es das Gründungsdokument der Weltgesundheitsorganisation, die „Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung“, formuliert. Es wird darin eine ganze Reihe von Themen angesprochen, die sowohl in den Kirchen als auch in der italienischen Gesellschaft insgesamt immer noch als Tabuthemen gelten: von geschlechtsspezifischer Medizin bis hin zu Kliniken für die Familienplanung, von Abtreibungen bis hin zu Aids, von Essstörungen bis hin zu Brustkrebs und Rekonstruktionschirurgie.

„Wir wollten uns die Zusammenhänge zwischen der Pandemie und Frauengesundheit genauer anschauen“, erklärt die FDEI-Präsidentin Gabriella Lio. „Und dabei geht es dann auch um Themen wie Anorexie und Bulimie, andere Formen psychischer Gewalt und darum, wie Frauen aufgrund von Traumata, die sie in ihrer Jugend erlitten haben, krank werden.“ Die Publikation stellt fest, dass fast die Hälfte aller Frauen, die unter Essstörungen leiden, sexuell missbraucht wurden und das in der Regel in ihrer Kindheit. 

Lio, eine baptistische Pfarrerin, berichtet weiter: „Es geht hier um das, was üblicherweise als ‚Familiengeheimnisse‘ bezeichnet wird, wo über viele Generationen hinweg außerhalb der eigenen vier Wände absolutes Stillschweigen bewahrt wurde über Gewalt, die Verwandte und Angehörige der erweiterten Familie an der eigenen Familie verübt haben. Aber wir wollten uns mit diesen Traumata und den Konsequenzen beschäftigen, die sie auf unsere Körper haben.“

Menopause, Brustamputation und Muttersein

Weitere Themen, die in der Öffentlichkeit und in den Medien ansonsten wenig Beachtung finden, sind unter anderem Probleme rund um das Thema Menopause und die vielen Frauen, die sich einer Brustamputation unterziehen müssen und dann von ihren Ehemännern verlassen werden. Auch die „Pflicht, Mutter zu sein“, wie die Rolle von Frauen in dem mehrheitlich katholischen Land traditionell verstanden wird, und die Schwierigkeiten, über Sexualität und Geschlechtsdysphorie zu sprechen, sind weitere Themen, die in dem Dossier zur Diskussion gestellt werden.

Fragen rund um die Themen Schwangerschaftsabbruch, Aids und weibliche Genitalverstümmelung werden unter Zuhilfenahme von Filmen aus jüngerer Vergangenheit erörtert, die sich diesen Themen mit viel Fingerspitzengefühl nähern. Auch wenn Abtreibungen in Italien schon 1978 legalisiert wurden, weigern sich viele Ärztinnen und Ärzte bis heute unter Berufung auf die entsprechende Klausel in dem Gesetz „aus Gewissengründen“, diese auch durchzuführen. Während der Pandemie hätten die Reisebeschränkungen den Frauen den Zugang zu Beratungen rund um das Thema Schwangerschaftsabbruch und zu Abtreibungsdiensten noch weiter erschwert. Die zuständigen Behörden in Rom untersuchen derzeit die Entdeckung eines Friedhofs in Rom mit hunderten Gräbern von Frauen, die eine Abtreibung haben durchführen lassen oder eine Fehlgeburt erlitten haben.

Das erste Kapitel des Dossiers steht unter der Überschrift „Der weibliche Blick auf die Medizin“ und hebt hervor, wie sehr medizinisches Wissen, medizinische Diagnosen und medizinische Therapien traditionell auf dem Mann als Prototyp basieren und die geschlechtsspezifischen Charakteristika und Ausprägungen vieler körperlicher und seelischer Erkrankungen völlig außer Acht lassen. Das Kapitel verweist auf den Film „Agora“ aus dem Jahr 2009, in dem Hypatia, eine Philosophin und Astronomin, die im 4. Jahrhundert wichtige Pionierarbeit leistete, zu Tode gesteinigt wird, nachdem sie die geltenden religiösen Überzeugungen ihrer Zeit in Frage gestellt hat.

Die FDEI wurde 1976 gegründet und ist eine unabhängige Bewegung, deren Mitglieder den baptistischen, methodistischen, lutherischen und reformierten Glaubenstraditionen, der Waldenserkirche, der Heilsarmee und der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten angehören. Die Reflexionen und Gebete wurden von ordinierten und nicht-ordinierten Frauen und Männern dieser unterschiedlichen christlichen Konfessionen verfasst.

LWF/OCS