Die drei Weisen aus dem Morgenland Thema der ökumenischen Gebetswoche
BEIRUT, Libanon/GENF (LWI) – Im Mittelpunkt der Mediationen zur diesjährigen Gebetswoche für die Einheit der Christenheit steht angesichts der zahlreichen Herausforderungen, mit denen die Kirchen im Nahen Osten konfrontiert sind, eine Botschaft der Hoffnung. Christinnen und Christen aller Konfessionen feiern die achttägige Gebetswoche jedes Jahr entweder vom 18. bis 25. Januar oder in der Zeit um Pfingsten.
Die Meditationen und das Gottesdienstmaterial für die diesjährige Gebetswoche wurden vom Kirchenrat des Nahen Ostens (MECC) mit Sitz in Beirut in Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen und dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen erarbeitet. Grundlage dafür waren die Worte der drei Weisen aus dem Morgenland im Matthäus-Evangelium: „Wir haben seinen Stern im Osten gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten.“
Die ehemalige Generalsekretärin des MECC, Souraya Bechealany, die an der Erarbeitung der Texte mitgewirkt hat, sagt, es sei wichtig, in Bezug auf die politischen Probleme, die wirtschaftlich schwierigen Zeiten und das Schrumpfen der christlichen Gemeinschaften im Nahen Osten „realistisch“ zu bleiben. Die COVID-19-Pandemie, die für die Kirchen in allen Teilen der Welt Auswirkungen habe, habe all das noch verschlimmert. In dieser Region ein Christ oder eine Christin zu sein, so Bechealany, bedeute aber gleichzeitig, „Zeugnis abzulegen für die Hoffnung der Auferstehung, die Christus in die Welt gebracht hat“.
Für alle Menschen da sein
Bechealany ist Theologin, Ökumenikerin und Professorin an der Universität mit einem fachlichen Schwerpunkt auf der christlichen Präsenz im Nahen Osten. Zudem war sie die erste Frau an der Spitze des MECC, der alle 27 Kirchen im Nahen Osten vertritt und einen Dialog mit den mehrheitlich muslimischen Bevölkerungsgemeinschaften vor Ort pflegt. „Obwohl wir nur eine Minderheit der Bevölkerung vertreten“, so Bechealany, „bedeutet unsere andauernde Präsenz hier in der Region, dass wir auch für die anderen da sind, und deshalb geht es uns in erster Linie um die Würde und die Menschenrechte aller Menschen in der Region.“
Bei der Erarbeitung des Materials hat Bechealany mit Pater Gabriel Hachem, dem Leiter der Theologie- und Ökumene-Abteilung des MECC, zusammengearbeitet. Hachem erläutert, dass die Schwerpunktsetzung auf die Epiphanias-Geschichte „die Besonderheit unserer Region widerspiegelt“, in der das Erscheinen Christi in der Welt schon immer eine größere Bedeutung gehabt habe als die Geburt Christi. Nur die Westkirchen in Bethlehem feiern das Weihnachtsfest am 25. Dezember, alle anderen Kirchen – darunter auch die orthodoxen und armenischen Kirchen – feiern die Erscheinung Christi am 6. Januar.
Hachem, ein Mitglied der päpstlichen Internationalen Theologischen Kommission und Chefredakteur des wegweisenden Ökumene-Magazins Proche-Orient Chrétien, erklärt, dass die Geschichte der drei Weisen aus dem Morgenland für den „synodalen Weg“ der ganzen Menschheit stünde. „Christus ist das Licht, das im Osten erscheint“, betont er. Die Meditationen würden also nicht „über unsere schwierige Lebenssituation jammern oder klagen“ wollen, sondern die Hoffnung betonen, die von unserer „gemeinsamen Anbetung“ des Christuskindes ausgeht.
Schätze, die wir teilen, bereichern alle
„Wir leben in dieser Hoffnung“, sagt auch Dirk Lange, der Assistierende Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB) für Ökumenische Beziehungen. „Die Arbeit des MECC hat unser Augenmerk auf den Weg gelenkt, den wir in der gemeinschaftlichen Anbetung des Christuskindes und durch unsere Solidarität mit allen Leidenden gemeinsam gehen. Wir werden daran erinnert, dass unser Glaube im gemeinsamen Gebet verwurzelt ist und dass dies nicht nur die Art und Weise neu formen kann, wie wir als Kirchen handeln und wirken, sondern uns auch in Hoffnung den Weg hinaus in die Welt weist.“
Die Einführungsworte zur Gebetswoche für die Einheit der Christen unterstreichen weiterhin, dass die drei Weisen aus dem Morgenland unterschiedliche Kulturen verkörpern und „die von Gott gewollte Einheit aller Nationen“ offenbaren. Die Mission aller Christinnen und Christen sei, „ein Zeichen zu sein wie der Stern, die Menschheit in ihrem Hunger nach Gott zu leiten, alle zu Christus zu führen und das Werkzeug zu sein, mit dem Gott die Einheit aller Völker bewirkt“, heißt es dort. Wenn Christinnen und Christen zusammenkommen und „ihre Schätze [...] öffnen, werden alle reicher“, weil die verschiedenen Glaubenstraditionen ihre Einsichten teilen.
Auf einer ganz praktischen Ebene, so Hachem, habe die Pandemie die acht Mitglieder der Kommission, die für die Erarbeitung der Texte zuständig war, vor große Herausforderungen gestellt. Die Mitglieder vertreten die vier „Kirchenfamilien“ – katholisch, protestantisch, orthodox und orientalisch-orthodox –, die zusammen das Mosaik der christlichen Glaubensgemeinschaften im Nahen Osten bilden. Weil sie nicht persönlich zusammentreten konnten, wurden stundenlange Online-Besprechungen abgehalten (oftmals mit unzuverlässigen Internetverbindungen), um die Originaltexte auf Arabisch zu verfassen.
Das weiterhin geltende Abstandsgebot bedeute auch, dass die Gebetswoche für die Einheit der Christen wie in anderen Teilen der Welt nur in kleineren Kreisen und Gottesdiensten mit weniger Teilnehmenden gefeiert werden kann. Aber Hachem betont, dass „die Menschen in dieser Weltregion ein Wort der Hoffnung heute dringender denn je brauchen“, denn „sie leiden weiterhin unter Ungerechtigkeit und streben zunehmend nach einer besseren Zukunft für ihre Kinder an anderen Orten der Welt“. Die Verfasserinnen und Verfasser hoffen, dass Christinnen und Christen „erleuchtet werden von dem Stern und ein neues Bewusstsein erlangen für ihre Berufung, eine Stimme für Freiheit, Menschenrechte und Wohlstand“ aller Menschen in der Region und darüber hinaus zu sein.