Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Italien feiert ihr 75-jähriges Bestehen und kann auf fünf Jahrhunderte Tradition zurückblicken
(LWI) –Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Italien (ELKI) begeht derzeit den 75. Jahrestag ihrer Gründung und möchte damit ihre lange Geschichte und ihre vielfältigen Gemeinden im überwiegend römisch-katholischen Umfeld „bekannter und sichtbarer“ machen. Das Jubiläum wurde im Rahmen einer Reihe von öffentlichen Veranstaltungen während der Synode Ende April in Rom begangen.
Offiziell wurde die Kirche 1949 mit Hilfe des gerade entstandenen Lutherischen Weltbundes (LWB) gegründet, um die deutschen Protestantinnen und Protestanten zu unterstützen, die es nach dem Zweiten Weltkrieg schwer hatten. Die Geschichte der Lutheranerinnen und Lutheraner in Italien lässt sich jedoch bis zur Reformation zurückverfolgen, wie Pfarrer Carsten Gerdes, Dekan der ELKI und Pfarrer der Gemeinde Ispra-Varese an der schweizerisch-italienischen Grenze, feststellt.
Wenn wir also unser 75-jähriges Jubiläum feiern, dann feiern wir auch 500 Jahre Geschichte hier in Italien
Carsten Gerdes
„Unsere älteste Gemeinde befindet sich in Venedig. Sie besitzt zwei Briefe, die Martin Luther selbst an protestantische Kaufleute in der Region geschrieben hat“, so Gerdes. Die als Serenissima bekannte venezianischeRepublik des16. Jahrhunderts war ein weltoffenes und blühendes Handelszentrum, das auch kulturelle und religiöse Innovationen von Gelehrten aus nordeuropäischen Ländern aufnahm.
Venedig war damals eines der bedeutendsten Zentren für den Buchdruck, wenn auch nicht so bekannt wie Gutenbergs Druckerpresse mit beweglichen Lettern in Deutschland. Viele der frühen Schriften der Reformatoren wurden dort gedruckt, oft in einem leicht zu transportierenden Taschenbuchformat. „Wenn wir also unser 75-jähriges Jubiläum feiern, dann feiern wir auch 500 Jahre Geschichte hier in Italien“, so Gerdes.
Der ELKI gehören heute 15 Gemeinden an, die sich über die gesamte Länge und Breite der italienischen Halbinsel verteilt sind, von Trentino-Südtirol, das im Norden an Österreich und die Schweiz grenzt, bis zur Mittelmeerinsel Sizilien im Süden. Einige der Gemeinden haben eine mehrere Jahrhunderte alte Geschichte, andere, wie Verona, Meran und Turin, wurden erst vor weniger als zwei Jahrzehnten gegründet.
„Wie in fast allen anderen Kirchen in Europa gehen auch bei uns die Mitgliederzahlen zurück“, meint Gerdes. Das Jubiläum sei jedoch eine gute Gelegenheit, die protestantische Präsenz und ihre besondere Form des Christentums in der Öffentlichkeit besser bekannt zu machen. „95 % der Menschen in Italien denken bei Christentum nur an die römisch-katholische Kirche. Also ist das für uns ein Anlass zu zeigen, dass es auch andere Formen gibt“, sagt Gerdes.
Gemeinsam stärker als Glaubensgemeinschaft
Die Beziehungen zu den Katholikinnen und Katholiken vor Ort seien „unkompliziert, freundschaftlich und respektvoll“, sagt Gerdes, der kürzlich auch der LWB-Delegation angehörte, die sich mit Papst Franziskus im Vatikan traf. Er erinnert an die Worte das Papstes, der sagte, Christinnen und Christen müssten „gemeinsam gehen, gemeinsam beten und gemeinsam Nächstenliebe tun“, und findet, dass wir als Gläubige unterschiedlicher Traditionen auch „mehr über unseren Glauben und die praktischen Herausforderungen wie Krieg und Frieden sprechen sollten und darüber, wie wir besser als Nachbarinnen und Nachbarn zusammenleben können“. Wichtig sei es, sich als Menschen des Glaubens zu begegnen. Gerdes ist sich sicher: „Gemeinsam können wir viel stärker sein.“
Seit ihren frühesten Anfängen verstand sich die lutherische Kirche als eine Art „Heimat in der Fremde“ für in Italien lebende und arbeitende Deutsche oder Deutschsprachige. Diese kulturelle und sprachliche Dynamik verändere sich jedoch derzeit, so Gerdes weiter. „Wir haben jetzt eine Gemeinde, die von einem italienischen Pfarrer gegründet wurde, und mindestens drei weitere, in denen hauptsächlich italienisch gesprochen wird.“
„Ich denke, dass unsere Zukunft eher italienisch als deutsch sein wird. Deshalb wollen wir unsere Türen öffnen, Menschen einladen, gemeinsam beten und die Herausforderungen unserer Gesellschaft diskutieren“, fügt Gerdes hinzu.
Ein praktischer Weg, wie die Kirche mehr Interesse wecken will, ist das Angebot kleiner Zuschüsse an 20 lokale Organisationen zur Unterstützung ihrer diakonischen, pädagogischen oder anderen sozialen Arbeit. „Wir hoffen, dass die Menschen unseren Namen oder unser Logo sehen und neugierig werden, mehr darüber zu erfahren, wer wir sind und was wir tun“, so Gerdes abschließend. „Wir säen diese kleinen Samen und hoffen, dass sie in der Zukunft viele Früchte tragen werden.”