
LWB-Delegierte bei der Veranstaltung auf der 69. Sitzung der Frauenrechtskommission zur Vorstellung einer neuen Publikation anlässlich des 30. Jahrestags der Weltfrauenkonferenz in Peking. Foto: LWB/P. Hitchen
Präsentation einer neuen Publikation von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen, die an der Konferenz von Beijing teilgenommen haben, und der Nachfolgegeneration, die diese Arbeit fortsetzt
(LWI) – Wie nahe sind wir unserem Ziel gekommen, die Gleichstellung und Selbstbestimmung aller Frauen und Mädchen zu erreichen? Wie viel von dem ambitionierten Forderungskatalog für die Rechte der Frauen, der von den Staats- und Regierungschefs der Welt vor 30 Jahren erarbeitet wurde, konnte umgesetzt werden? Wie können aus dem Glauben handelnde Akteure dafür sorgen, dass diese Visionen in allen Ländern der Welt Wirklichkeit werden?
Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer vom Lutherischen Weltbund (LWB) organisierten Veranstaltung, die am zweiten Tag der Sitzung der UN-Kommission für die Rechtsstellung der Frau (CSW) in New York stattgefunden hat. Diese Thematik ist ebenfalls Gegenstand einer neuen LWB-Publikation, in der Anwälte und Anwältinnen für Gendergerechtigkeit, die in Beijing an der Vierten Weltfrauenkonferenz teilgenommen haben, sowie die nachfolgende Anwälte-Generation zu Wort kommen, die in den vergangenen drei Jahrzehnten den Staffelstab übernommen hat.
In der Eröffnungsansprache der Veranstaltung betonte LWB-Generalsekretärin Dr. Anne Burghardt, dass „Gendergerechtigkeit nicht verhandelbar ist: Sie ist eine Grundvoraussetzung für eine gerechte und friedliche Welt.“ Allerdings warnte sie, dass es in der Welt trotz der erzielten Fortschritte „zunehmende Widerstände gegen den Grundsatz der Geschlechtergleichstellung, eine zunehmende gesellschaftliche Polarisierung und strukturelle Hindernisse gibt, die die Chancen für Frauen und Mädchen weiterhin einschränken.“ Diese würden oftmals nach wie vor mit den Folgen von „Ausgrenzung, Gewalt und einer Politik konfrontiert, die ihnen ihre Grundrechte vorenthält.“
Gendergerechtigkeit ist nicht verhandelbar.
Pfarrerin Dr. Anne Burghardt, LWB-Generalsekretärin
Pfarrer Khader El-Yateem, bei der Evangelisch-Lutherische Kirche in Amerika (ELKA) Direktor der Abteilung Dienst und Gerechtigkeit, bestätigte die Sorgen der LWB-Führung und erklärte, dass die Aktionsplattform von Beijing als ein übergeordneter grundsatzpolitischer Rahmen für die Frauenrechtsarbeit seiner Kirche gelte. Heute allerdings, so bekräftigte er, „wird diese Arbeit angegriffen, die Zivilgesellschaft verliert ihre Handlungsräume, Mittel werden gekürzt“, besonders im Bereich der Gestaltung von Programmen für Gendergerechtigkeit.
In ihrer Retrospektive auf den Kontext der Konferenz von Beijing im Jahre 1995 bemerkte Kristen Opalinski, die bei der ELKA für ökumenische und interreligiöse Beziehungen zuständig ist, dass es damals nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Ende der Apartheid in Südafrika eine optimistische Grundstimmung gegeben habe. Sie erinnerte sich daran, dass autoritäre Herrschaftssysteme anscheinend auf dem Rückzug waren, und „dass es ein neues Gefühl einer globalen Zusammengehörigkeit gab.“
Mittlerweile, so stellte Opalinski fest, „bewegt sich das Pendel in die andere Richtung, und autoritäre Staatsformen erfahren ein Comeback. All dies widerspricht der Botschaft des Evangeliums.“ Als Kirchen, so Opalinski weiter, „sind wir aufgerufen, standfest zu bleiben, und als lutherische Glaubensgemeinschaft haben wir eine eindeutige Verantwortung, da unsere Theologie darauf beruht, Spannungen auszugleichen und gemeinsam einen Weg nach vorn zu finden."
Frauenrechte sind Menschenrechte
Joanna Lilja, politische Beraterin für Gendergerechtigkeit und Gleichstellung bei Act Church of Sweden, wies in ihren Überlegungen zu den aktuellen Angriffen auf die Geschlechtergleichstellung und die Einschränkung der Möglichkeitsräume der Zivilgesellschaft darauf hin, „dass die Aktionsplattform von Beijing wahrscheinlich nicht angenommen würde, wenn wir sie heute vorlegen würden.“ Heute sei es wichtiger denn je, so fügte sie hinzu, „sich für Menschenrechte einzusetzen und zu bekräftigen, dass Frauenrechte Menschenrechte sind.“
Lilja zählte positive Entwicklungen auf, die einen Beitrag zur Förderung von Frauenrechten geleistet haben. Allerdings verwies sie dabei auch auf die „Reformen des Familienrechts und besonders religiöser Familiengesetze, die nur im Schneckentempo vorankommen.“ Aus dem Glauben handelnde Akteure können eine entscheidende Rolle bei der Forcierung der Reform diskriminierenden Familienrechts spielen. „Hier geht es um „das Mindestheiratsalter, häusliche Gewalt, Vergewaltigung in der Ehe, das Sorgerecht für Kinder, Erbrecht und Eigentum an Grund und Boden“, sagte sie. Sie bezeichnete explizit die Evangelisch-Lutherische Kirche in Jordanien und im Heiligen Land als „ein fantastisches Beispiel für die Durchsetzung eines geschlechtergerechten Familienrechts, das im Nahen Osten einzigartig ist.“
Kaleb Sutherland, Direktor des International Leadership-Programms der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELKA), hat auf die dringende Aufgabe hingewiesen, in die allgemeine und berufliche Bildung junger Frauen und Mädchen zu investieren. "Wir wissen einfach“, sagte er, „dass die Ausbildung von Mädchen und Frauen ein wirkmächtiger Multiplikator für den Fortschritt bei allen wichtigen Schwerpunkten der Aktionsplattform von Beijing ist.“ Das bedeutet „schnellere Verringerung der Armut, bessere Müttergesundheit, geringere Kindersterblichkeit, wirkungsvollere HIV-Prävention, weniger Gewalt und zahlreiche weitere Fortschritte.“
Sowohl die Regierungen als auch die aus dem Glauben handelnden Organisationen übernehmen wichtige Rollen bei der Bekämpfung dieser Missstände.
Pfarrerin Dr. Elitha Moyo, Regionalvertreterin der ELKA für Gendergerechtigkeit im südlichen Afrika
Der lutherische Pfarrer Bafana Khumalo, Mitbegründer und zweiter Geschäftsführer des südafrikanischen Sonke Gender Justice Network, stellte fest, „dass es in den vergangenen 30 Jahren oftmals einen Anlass zum Feiern gab, dass wir aber auch realistisch sein müssen und erkennen müssen, dass sich Politik nicht von allein umsetzt.“ Er ging besonders auf die Rolle der Kirchen bei der Bekämpfung patriarchaler Stereotypen sowie auf die Bedeutung der Erziehung von jungen Männern und Jugendlichen ein, um die Botschaft einer gemeinsamen Verantwortung und der Übernahme von Führungsverantwortung sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft besser zu vermitteln.
Pfarrerin Dr. Elitha Moyo, Regionalvertreterin der ELKA für Gendergerechtigkeit im südlichen Afrika, hat über das allgegenwärtige Problem geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen in ihrem Heimatland Simbabwe gesprochen. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Simbabwe, so Moyo, habe „beachtliche Fortschritte“ bei der Sensibilisierung der Menschen für Probleme wie Gewalt durch Intimpartner, Kinderehen, Schwagerehen und weibliche Genitalverstümmelung erzielt.
Durch Bildung, Dialoge auf Gemeinschaftsebene und die Unterstützung der ökonomischen Selbstbestimmung der Frauen arbeitet die Kirche daran, „schädliche soziale Normen und kulturelle Praktiken, die Geschlechterungleichheiten aufrechterhalten und Gewalt gegen Frauen normalisieren, in Frage zu stellen und zu verändern“, so Moyo. „Sowohl die Regierungen als auch die aus dem Glauben handelnden Organisationen übernehmen wichtige Rollen bei der Bekämpfung dieser Missstände“, stellte sie fest. Die Regierungen sollten gesetzliche Rahmenbedingungen stärken und mehr Geld für Dienste, die überlebende Opfer betreuen, sowie für Aufklärungskampagnen bereitstellen. Gleichzeitig, so Moyo, müssten religiöse Autoritäten die Ziele der Geschlechtergleichstellung kommunizieren und fördern und sichere Räume für Gespräche über diese kritischen Fragen einrichten.
Als Kirche, so insistierte Moyo, „ist unser Einsatz für die Umsetzung der Ziele der Aktionsplattform von Beijing besonders wichtig, weil diese mit unserem theologischen Engagement für die Bewahrung der Würde und der Rechte aller Menschen übereinstimmen.“ Dr. Eva-Marita Rinne-Koistinen, Senior-Beraterin bei Finn Church Aid, der LWB-Partnerorganisation im Bereich Geschlechtergerechtigkeit, sprach abschließend über die Bedeutung, die Erfolge der Frauen auf der lokalen Ebene zu feiern und damit auf ihre Stimmen in den Zirkeln der Macht aufmerksam zu machen, in denen die wichtigen Entscheidungen getroffen werden.