ELKI: Kurzfristige Hilfe und langfristige Perspektiven für schutzbedürftige Familien
NEAPEL, Italien/GENF (LWI) – In Italien, dem ersten Land in Europa, das stark von der Coronavirus-Pandemie betroffen war, werden die strikten Ausgangsbeschränkungen schrittweise gelockert, um den Menschen wieder etwas mehr von ihrer Bewegungsfreiheit zurückzugeben. Für viele Menschen in den ärmsten Vierteln von Neapel aber hat die Pandemie zu einer dramatischen Zuspitzung des Teufelskreises aus Armut, Entbehrung und gesellschaftlicher Ausgrenzung geführt, in dem sie bereits stecken. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Italien (ELKI) reicht diesen Menschen nun mit kurz- und längerfristig angelegten Initiativen, die wenigstens einigen dieser schutzbedürftigsten Familien der Stadt etwas Hoffnung machen sollen, die Hand.
In das bunte Spanische Viertel der Stadt, das versteckt hinter dem Hafen und einer der beliebtesten Einkaufsstraßen der Stadt liegt, kehrt nach zwei Monaten streng kontrolliertem Lockdown langsam das Leben zurück. Das Viertel ist bekannt als das pulsierende Herz der Stadt, wo frisch gewaschene Wäsche an Leinen hoch über den engen Gassen im Wind flattert und die Farbe von den maroden Gebäuden blättert, und es ist die Heimat von tausenden schutzbedürftigen, arbeitslosen jungen Menschen, Italienerinnen und Italienern und Migrantinnen und Migranten gleichermaßen, auf der Suche nach Gelegenheitsjobs oder anderen sich bietenden Möglichkeiten auf dem Schwarzmarkt, bei denen es die Bezahlung einfach bar auf die Hand gibt.
Die vielen Menschen, die in Bars und Restaurants oder Souvenirshops für Touristen Gelegenheitsjobs gefunden hatten, mussten zusehen, wie diese Einkommensquelle versiegte. Viele Ladenbesitzer wissen noch immer nicht, wann oder unter welchen Bedingungen sie ihre Geschäfte wieder öffnen dürfen. Obdachlosenunterkünfte, Anlaufstellen und Suppenküchen wurden aufgrund der strikten Quarantäne-Regelungen geschlossen und die Zahl der Menschen in der Stadt, die auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind, ist in die Höhe geschnellt. Die ELKI, eine Mitgliedskirche des Lutherischen Weltbundes (LWB), hat sich mit katholischen und anderen gemeinnützigen Hilfsorganisationen vor Ort zusammengetan, um den Bedürftigsten Hilfe zu leisten.
Ökumenische Partnerschaft
Vor dem Lockdown hat die lutherische Gemeinde in Neapel mit der Hilfsorganisation Angeli di Strada Villanova (Straßenengel von Villanova) zusammengearbeitet, die Wasser in Flaschen gekauft und dieses an Sammelstellen auf dem gesamten Stadtgebiet an die Obdachlosen der Stadt verteilt hat. Als diese Hilfsmaßnahmen aufgrund der Quarantäne-Regelungen eingestellt werden mussten, haben sich die Straßenengel auf die Unterstützung einer der wenigen Suppenküchen konzentriert, die in Neapel auch während der Quarantäne noch geöffnet sein durften. Auch die lutherische Kirchgemeinde hilft hierbei durch die Lieferung von Nahrungsmitteln – insbesondere Milchprodukten – an das von den katholischen Schwestern von St. Vincent de Paul betriebene Zentrum.
Für die langfristigeren Hilfsprojekte wird die ELKI mit einer der bekanntesten lokalen gemeinnützigen Organisationen, der Associazione Quartieri Spagnoli (AQS), zusammenarbeiten und zwei Bildungsprojekte unterstützen, die jungen Männern und Frauen helfen wollen, aus dem Teufelskreis von Armut und Arbeitslosigkeit auszubrechen. Für zwei Gruppen von Kindern im Alter von 6 bis 14 Jahren werden zwei Mal pro Woche Fußballtrainings angeboten, durch die sie nicht nur ihre sportlichen Fähigkeiten verbessern, sondern auch wichtige Alltagskompetenzen wie Selbstdisziplin, Achtung ihrer Mitmenschen und Konfliktlösung lernen sollen.
Praktische und emotionale Unterstützung
Auch in der Vergangenheit hat die ELKI die Familien von einigen dieser Kinder bereits mit Gutscheinen für Lebensmittel und andere lebenswichtige Güter unterstützt. Die Projektkoordinatorin Caroline von der Tann berichtet, dass viele der Menschen, die diese Gutscheint erhalten, ihr ihre Lebensgeschichten erzählen und sowohl für die praktische als auch für die emotionale Unterstützung in diesen bisher ungekannt schwierigen Zeiten zutiefst dankbar sind. „Eine Frau erzählte mir zum Beispiel, dass sie als Putzfrau gearbeitet habe, aber schon zu Beginn der Krise entlassen wurde und dann kein Geld für die Miete gehabt habe“, erinnert sie sich. „Sie habe eine behinderte Tochter, einen Sohn, der schon einmal im Gefängnis gewesen sei, und ihr Ehemann habe bisher als Straßenhändler gearbeitet und könnte nun nicht einmal mehr das magere Einkommen aus dieser Tätigkeit beisteuern. Ihr kamen die Tränen, als sie mir sagte, dass sie ohne unsere Unterstützung einfach gar nichts zum Überleben haben würden.“
Die meisten Kinder in diesem Teil der Stadt verlassen die Schule im Alter von 13 oder 14 Jahren mit wenig Ambitionen und geringen Aussichten auf eine legale und langfristige Anstellung. Von der Tann sagt, durch das Fußballtraining mit einem erfahrenen Trainer und Tutor könnten die Kinder wichtige Werte wie Teamwork, Selbstachtung und Verbindlichkeit lernen, die ihnen auf anderem Weg ein Gefühl von Erfolg und Selbstwert vermittelten. „Die körperliche Betätigung ist sehr wichtig, weil sonst die Gefahr besteht, dass sie den ganzen Tag zu Hause sitzen, Fernsehen schauen und Junk-Food essen“, sagt sie. „Aber sie lernen dadurch auch, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen und bessere Entscheidungen für ihren Lebensweg zu treffen.“
Im Rahmen einer breiter angelegten Initiative, die besser bekannt ist unter dem Namen „Butterfly Effect“ (Schmetterlingseffekt), hat ihre Kirche auch ein Nachfolgeprojekt konzipiert, das einigen der Jugendlichen, die an dem Fußballtraining teilnehmen, ein individuelles Mentoring anbietet. Eltern, Lehrer und Fachleute aus dem Sozialbereich werden mit von der Tann zusammenarbeiten, um individuelle Pläne zu erstellen, die Problembereiche aufzeigen, Talente fördern und ganz konkrete, umsetzbare Ziele für die einzelnen Jugendlichen formulieren.
„Die ELKI hat sich bereit erklärt, dieses Projekt zu finanzieren, und wir waren gerade dabei, die Jugendlichen auszuwählen, als die Corona-Krise über uns hereinbrach“, erklärt von der Tann. „Wir sind bemüht, den Kontakt zu den Familien nicht abreißen zu lassen und haben die finanzielle Unterstützung auch in den letzten Monaten fortgeführt, weil wir hoffen, dass wir das Programm tatsächlich sofort beginnen können, sobald das Leben in unserer Stadt sich zu normalisieren beginnt“, berichtet sie abschließend.