LWB-Ratsmitglied Julia Braband gibt Einblicke in ihre Arbeit in einem Erfurter Krankenhaus
ERFURT, Deutschland/GENF (LWI) – Seit sechs Wochen arbeitet Julia Braband auf der Corona-Isolierstation des Katholischen Krankenhauses Erfurt. Mitte März, als in Deutschland weit reichende Maßnahmen ergriffen wurden, um rasch steigenden Fallzahlen zu begegnen, hatte sich die Krankenschwester und Theologiestudentin freiwillig zum Dienst in der speziell dafür eingerichteten COVID-19-Station gemeldet.
„Für mich war relativ schnell klar, dass ich auf der neuen Station arbeiten möchte“, berichtet Braband, die auch Ratsmitglied des Lutherischen Weltbundes (LWB) ist. „Mir ist wichtig, einen aktiven Beitrag zur Bewältigung der Krise zu leisten.“ Sie gehört keiner Risikogruppe an und kann durch ihren Einsatz ältere Mitarbeitende im Krankenhaus schützen. Da der Betrieb an der Universität als Teil der Maßnahmen gegen die Corona-Krise eingestellt worden war, konnte sie die Zeit, die sie sonst für ihr Theologiestudium aufgewendet hätte, dem Dienst am Krankenhaus widmen.
Am 22. März hatte Braband ihrem ersten Dienst auf der neuen Corona-Isolierstation, für die eine Psychiatrie-Station geschlossen wurde. Das Team, in dem sie arbeitet, ist neu zusammengestellt und muss sich schnell aufeinander einstellen. Es herrscht große Anspannung, alle Abläufe und die Ausrüstung müssen neu organisiert werden. Die vordringlichste Frage lautet auch bei Braband: „Sind wir wirklich gut gerüstet für das, was kommt?“
Der Aufruf des Pflegepersonals und der Ärzteschaft gilt nach wie vor: Wir bleiben für euch im Krankenhaus – bleibt ihr für uns zu Hause. Julia Braband (2.v.r.) und ihre Kolleginnen und Kollegen haben ihn im März veröffentlicht, als in Deutschland umfassende Maßnahmen ergriffen wurden, um den rapide steigenden Zahlen der COVID-19-Fälle entgegenzuwirken. Foto: Julia Braband
Zweck der Corona-Isolierstation ist es, Patienten mit Verdacht auf COVID-19 aufzunehmen und die Erkrankung durch Tests und Untersuchungen abzuklären sowie bestätigte COVID-19-Fälle zu behandeln und bei schweren Verläufen auf die Intensivstation zu verlegen, beispielsweise wenn Patienten beatmet werden müssen.
Im Corona-Pflegeteam ist vor allem in den ersten Wochen die Sorge groß, dass Schutzkleidung, Masken und Handschuhe nicht ausreichen werden, und sich die Pflegekräfte einem erhöhten Infektionsrisiko aussetzen müssen. Innerhalb des Krankenhauses ist die Station isoliert. „Wir dürfen die Station während der Dienstzeit nicht verlassen“, berichtet Braband.
Testergebnisse werden zum Maß aller Dinge. „Die Erleichterung ist groß, wenn ein Negativergebnis kommt“, berichtet Braband – sowohl bei den Patienten als auch beim Personal. „Denn es ist klar, dass alle Menschen, die bei uns liegen, Vorerkrankungen haben. Es ist jedes Mal sehr berührend zu sehen, dass sie es kaum fassen können, wenn wir ihnen diese gute Nachricht bringen können.“
Das ist jedoch nicht immer der Fall. Und es gibt Menschen, die im Sterben liegen. Was Braband besonders Nahe geht ist, dass „auch Sterbende nicht von ihren Angehörigen besucht werden dürfen. Sie sterben allein.“
Mitten hinein in diese Zeit fallen die Karwoche und das Osterfest. Braband, die sonst mit ihrer Kantorei die Matthäus-Passion von Bach gesungen und – getragen von einer Gemeinschaft – an vielen Gottesdiensten der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland teilgenommen hätte, begnügt sich mit Tonaufnahmen und Fernseh-Gottesdiensten. Dennoch ist sie überzeugt: „Wir feiern das Leben, auch wenn Ostern anders ist, als wir es sonst feiern. Er ist wahrhaftig auferstanden!“
Dass Braband, getragen von ihrem Glauben, auch anderen Mut machen und sie trösten kann, wissen die Kolleginnen und Kollegen im Krankenhaus. Inzwischen wird sie auch von Medienvertretern angefragt, beispielsweise für einen Beitrag zur Reihe „Mut vor Mitternacht“, die der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) in der Corona-Krise aufgelegt hat. In einem zweiminütigen Video erzählt sie, was ihr Kraft gibt und woher sie Ermutigung bekommt.
„Abends, nach dem Dienst, bete ich für alle, die erkrankt sind, die die Gesellschaft am Laufen halten, die ihre Familien nicht sehen können“, sagt Braband. „Aber ich bete auch dafür, dass die getroffenen Maßnahmen möglichst schnell beendet werden können, denn ich habe die Befürchtung, dass sie unserer Demokratie auf Dauer nicht guttun.“
Auch eine weitere Befürchtung treibt Braband die Sorgenfalten auf die Stirn: dass die Corona-Krise ungezählte stille Opfer fordert. Menschen, die nicht behandelt werden, weil die COVID-19-Behandlung Vorrang vor allem anderen hat. Menschen, die an psychischen Erkrankungen und Depressionen leiden und nun allein gelassen werden. Wann die Psychiatrie-Station, die für die Corona-Isolierstation geräumt wurde, den Patienten wieder zur Verfügung steht, bleibt ungewiss.
In nächster Zeit wird Braband ihren Dienst in Krankenhaus zugunsten ihres Studiums wieder einschränken. Ab dem 4. Mai nimmt die Theologische Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena die Lehrtätigkeit wieder auf, allerdings per Videoschaltung und anderen Online-Werkzeugen. Ob Braband das letzte Semester ihres Studiums wie geplant absolvieren und die Prüfungen ablegen kann, steht noch nicht fest. Denn: noch ist die Corona-Krise nicht beendet, und die Situation kann sich schnell ändern.
Hintergrund zum Verlauf der Coronavirus-Pandemie in Deutschland
Die erste COVID-19-Erkrankung wurde am 28. Januar bei einem Mitarbeiter einer bayerischen Autozuliefererfirma bestätigt, der sich im Rahmen einer internationalen Schulung angesteckt hatte.
Am 28. April, 13 Wochen nach dem ersten bestätigten Fall, meldet das Robert-Koch-Institut insgesamt 156.337 bestätigte Fälle und 5.913 Todesfälle im Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung. 9.000 Erkrankungen und 14 Todesfälle betreffen Personen, die in medizinischen Einrichtungen tätig sind. Geschätzte 117.400 Personen gelten als genesen.
Der Beitrag von Julia Braband in der MDR-Reihe "Mut vor Mitternacht"