Welttag der humanitären Hilfe: In Krisenzeiten die Hoffnung bewahren

19. Aug. 2020
Im Distrikt Summel im Verwaltungsbezirk Dohuk verteilt das für den Nordirak zuständige LWB-Mitarbeiterteam Lebensmittelhilfen an schutzbedürftige Familien. Als Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie hat die Regierung des Landes Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und andere Maßnahmen verhängt, sie sich negativ auf die Existenzgrundlagen vieler Familien auswirken. Foto: LWB-Irak

Im Distrikt Summel im Verwaltungsbezirk Dohuk verteilt das für den Nordirak zuständige LWB-Mitarbeiterteam Lebensmittelhilfen an schutzbedürftige Familien. Als Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie hat die Regierung des Landes Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und andere Maßnahmen verhängt, sie sich negativ auf die Existenzgrundlagen vieler Familien auswirken. Foto: LWB-Irak

Die psychische Gesundheit von Helfenden im Blick behalten

GENF (LWI) - „In den letzten Monaten haben wir bei unseren Mitarbeitenden vermehrt große Erschöpfung, Angstzustände und Burnout erlebt“, so Maria Immonen, Direktorin der im Lutherischen Weltbund (LWB) für die humanitäre Hilfe zuständigen Abteilung für Weltdienst. Sie benennt damit die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die fast 9.000 humanitären Helferinnen und Helfer des LWB in einigen der größten humanitären Hilfsprojekten der Welt.

Kontaktsperren und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit sowie das erhöhte COVID-19-Infektionsrisiko durch oftmals schwierige hygienische Bedingungen hätten die Arbeit der humanitären Hilfspersonen ungemein erschwert. In einigen Ländern, in denen der LWB Projekte unterhält, beförderten die Medien das Gerücht, dass die humanitären Helferinnen und Helfer COVID-19 eingeschleppt hätten und das Virus aktiv verbreiten würden. In den Gemeinwesen, in denen sie arbeiteten, begegnen die Menschen ihnen daher mit Misstrauen und Feindseligkeit.

Vor Ort bleiben

Die große Mehrheit der LWB-Mitarbeitenden stammt aus dem Land, in dem sie arbeiten – meist sogar aus der näheren Umgebung. Nur 50 der mehr als 9.000 humanitären Helferinnen und Helfer kommen aus dem Ausland. Alle anderen kommen aus der Region, dem Land oder oftmals sogar direkt aus dem Gemeinwesen, in dem sie arbeiten. Während die internationalen Helferinnen und Helfer die Möglichkeit hatten, das Land zu verlassen, war das für die einheimischen Mitarbeitenden und die Mitarbeitenden mit Flüchtlingsstatus keine Option.

„Fast alle unsere Mitarbeitenden sind vor Ort geblieben, auch die internationalen“, berichtet Immonen. „Nur fünf unserer Mitarbeitenden sind in ihre Heimatländer zurückgekehrt, in erster Linie, weil sie einer Risikogruppe angehören.“ Dieses große Engagement hat oftmals einen hohen Preis für die einzelnen Menschen: Weil viele Grenzen geschlossen sind, können die Mitarbeitenden die dringend notwendigen Auszeiten oder ihren Urlaub nicht in Anspruch nehmen. Diese sind besonders wichtig für humanitäre Helferinnen und Helfer, die an schwierigen Einsätzen beteiligt sind. „Einige von ihnen sind seit einem halben Jahr oder länger vor Ort im Einsatz“, so Immonen. Darüber hinaus gäbe es wenig professionelle psychische Beratung und Unterstützung oder Supervision für die lokalen Implementierungspartner und Verbindungspersonen, die denselben Risiken ausgesetzt sind.

Den Glauben nicht verlieren

Immonen sorgt sich über die langfristigen Auswirkungen der Krise auf die Resilienz der Gemeinwesen und der Mitarbeitenden. Für Flüchtlinge, Binnenvertriebene und schutzbedürftige Gemeinschaften war das Leben schon vor COVID-19 aus vielerlei Gründen schwierig. Nun hat das Virus massive Auswirkungen über die unmittelbare Gefährdung der Gesundheit hinaus. Schutzbedürftige Gemeinschaften stehen vor dem Verlust ihrer Lebensgrundlagen und sind mit einer zunehmenden Ernährungsunsicherheit konfrontiert. Das wird auch in den nächsten Jahren so sein. „Mit dieser Krise werden wir mindestens drei oder vier weitere Jahre zu tun haben“, sagt Immonen.

Weil die normalen Hilfsmechanismen in Frage gestellt sind, wirkt sich die Situation zunehmend auf die Resilienz und das psychische Wohlergehen der humanitären Helferinnen und Helfer aus. „Wir sind froh, dass unsere Mitarbeitenden die zusätzlichen Hilfsangebote professioneller psychischer Beratung und Unterstützung in Anspruch nehmen“, so Immonen. Die Mitarbeitenden am Hauptsitz in Genf konnten zwar nicht in die Länder reisen, in denen der LWB-Projekte durchführt, haben aber ihr Möglichstes getan, um die Kolleginnen und Kollegen vor Ort bestmöglich zu unterstützen.

Psychische Gesundheit thematisieren

„In den meisten Gemeinwesen, mit denen wir arbeiten, sind die Menschen traumatisiert. Alle unseren Mitarbeitenden haben engen Kontakt zu ihnen, und viele stammen selbst aus diesen Gemeinwesen. Was braucht es, um unter diesen Umständen nicht die Hoffnung zu verlieren?“

Für viele Kolleginnen und Kollegen sei ihr Glaube eine große Stütze gewesen – und ein Grund, nicht aufzugeben. „Wir erleben, dass Menschen, die fest in ihrem Glauben verwurzelt sind, es einfacher finden, mit Extremsituationen des menschlichen Lebens – Verlust, Trauma und Tod – umzugehen. Der Glaube vermittelt Perspektive und kann das Unaussprechliche in Worte fassen. Das kann Menschen dabei helfen, über ihren Schmerz zu sprechen, Trost zu spenden oder sich Hilfe zu suchen“, erklärt Immonen. „Religion kann angesichts von scheinbarer Hoffnungslosigkeit eine Hoffnung vermitteln, die dann hilft, weiterzumachen.“

Die Weltdienst-Direktorin ruft alle Geldgeberinnen und Geldgeber und Partner auf, die Mittel zur Verfügung zu stellen, um die Sicherheit und das psychische Wohlergehen der Mitarbeitenden sicherstellen zu können – auch für lokale Mitarbeitende und Verbindungspersonen. „Wir arbeiten viel mit lokalen Mitarbeitenden zusammen. Dafür stehen wir und das ist ein großer Vorteil“, sagt sie. „In schwierigen Zeiten wie jetzt müssen wir sicherstellen, dass alle unsere Mitarbeitenden vor Ort bestmöglich unterstützt werden.“