Wie würden Sie Ihre Kirche beschreiben?
Die Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Slowenien ist eine Diasporakirche, ihre Mitglieder machen weniger als ein Prozent der Gesamtbevölkerung Sloweniens aus. Unsere Kirche hatte bisher 14 Kirchengemeinden, aber im September 2023 haben sich uns zwei Pfingstgemeinden angeschlossen, jetzt haben wir 16 Gemeinden und 12 Pfarrerinnen und Pfarrer. Das sind 8.500 bis 9.000 Gemeindeglieder, die Beitrag zahlen, und insgesamt etwa 12.000 Mitglieder.
Wir sind eine traditionelle Volkskirche, und der Reformation sehr verbunden. In Slowenien ist der Reformationstag ein Staatsfeiertag, und an diesem arbeitsfreien Tag findet auch eine staatliche Feier statt, die im nationalen Fernsehen übertragen wird. Bei diesem Festakt sind hohe politische Vertreter wie Bundespräsident, Regierungsmitglieder, Diplomaten und andere Vertreter der Politik und Wirtschaft anwesend. Dies alles verdanken wir dem slowenischen Reformator Primus Truber (slowenisch: Primož Trubar), der durch seine Übersetzung des neuen Testaments die slowenische Amtssprache begründet hat. Zuerst veröffentlichte er 1550 einen Katechismus auf Slowenisch und das ABECEdarium, das erste gedruckte Buch in der slowenischen Sprache, gefolgt vom Neuen Testament. 1584 wurde dann die gesamte Bibel, die von Jurij Dalmatin übersetzt worden war, gedruckt
Der Reformator Truber prägte nicht nur die evangelische Kirche in Slowenien, sondern auch die nationale slowenische Identität. Deshalb wurde 1992, als Slowenien unabhängig wurde, beschlossen, den Reformationstag als Staatsfeiertag einzuführen. Wenn man bedenkt, dass wir weniger als ein Prozent der Bevölkerung ausmachen, ist das wirklich beachtlich.
Wie sind Sie Pfarrer geworden?
Ich bin in einer Pfarrersfamilie aufgewachsen, mein Vater war Senior, also Leiter in der Evangelischen Kirche im damaligen Jugoslawien. Ich habe mich dann entschlossen, auch Pfarrer zu werden, und in Wien Theologie studiert. Dort habe ich auch meine Frau Elisabeth kennengelernt, die aus dem Burgenland in Österreich kommt und ebenfalls unter anderem evangelische Theologie studiert hat. Nach unserer Hochzeit sind wir nach Slowenien gezogen, und ich habe meine erste Pfarrstelle in Murska Sobota, im Nordosten Sloweniens angetreten. Das ist die jüngste slowenische Kirchengemeinde mit 2,200 Mitgliedern. Ich bin heute immer noch dort Pfarrer, und zusätzlich bekleide ich jetzt das Bischofsamt.
Hat sich Ihre Gemeinde nach dem Zerfall Jugoslawiens verändert?
Nein, die Mitgliederzahl ist stabil geblieben. Nach der COVID- Zeit haben wir allerdings festgestellt, dass es sich die Leute in dieser Zeit abgewöhnt haben, in die Kirche zu kommen. Wir müssen den Kirchenbesuch jetzt wieder ein wenig reaktivieren, also gleichsam Innere Mission betreiben, damit die Menschen wieder am Gottesdienst und am Gemeindeleben teilnehmen.
Wie gehen Sie diese Innere Mission an?
Zum einen durch Themengottesdienste. Die Gottesdienste haben zur Hälfte klassische alte Kirchenlieder, und zur anderen moderne Lobpreis-Lieder. Wir haben auch zwei Musikgruppen mit SängerInnen. Zeitgleich zu den Gottesdiensten findet die Sonntagsschule statt, damit die Kinder ein altersgerechtes Programm bekommen. Wir versuchen außerdem, die Jugendarbeit nach der Konfirmation zu intensivieren. An hohen Feiertagen machen wir besondere Gottesdienste, wir haben zum Beispiel traditionell ein Pfingstpicknick, weil das ja der Geburtstag der Kirche ist, und wir versuchen, auch Kirchenferne zu diesem Gottesdienst mit Picknick einzuladen. Der Erlös geht dann immer in ein bestimmtes diakonisches Projekt.
Unsere Gemeinde hat einen Pfarrer (mich), eine Pfarrerin (zu 40%) und einen ehrenamtlichen Prediger. Wir wechseln uns beim Predigen ab, was eine Vielfalt an Gedanken, des Verkündigungsstils und eine besondere Dynamik der Gottesdienste ermöglicht.
Während der COVID-Zeit hatten wir für die ältere Generation und die Kranken, die selbst nicht mehr kommen können, Gottesdienstübertragungen im Regionalfernsehen. Wir haben deshalb das Regionalfernsehen ausgewählt, weil das den Sehgewohnheiten dieser Zielgruppe entspricht und diese mit der Bedienung des Fernsehers vertraut ist. Wir haben die Gottesdienstübertragungen nämlich auch mit YouTube probiert, aber das funktioniert bei dieser Zielgruppe nicht.