LWB bietet Mädchen im Flüchtlingslager Kakuma, Kenia, Schutz und Bildungschancen
Kakuma,Kenia/Genf (LWI) – Für Anek (Name geändert) beginnt im Lager Kakuma ein neues Jahr. Die 16-Jährige gehört zu den 900 Mädchen von insgesamt 4.000 jungen Flüchtlingen im Lager, die die Primarschule mit dem landesweit gültigen Kenya Certificate of Primary Education erfolgreich abgeschlossen haben und 2017 in die Sekundarschule kommen.
Eines unterscheidet Anek von ihren Mitschülerinnen: Kwichiang, ihre dreijährige Tochter. Anek ist die einzige Jugendliche, die es geschafft hat, nach der Geburt ihres Kindes wieder in die Schule zu gehen, die Abschlussprüfungen am Ende der Primarstufe zu bestehen und nun sogar mit der Sekundarschule weiterzumachen. Eine wichtige Hilfe war dabei die Unterstützung und der Schutz, den der Lutherischen Weltbund (LWB) Mädchen wie Anek gewährleistet.
Anek kann sich kaum an ihr Leben vor der Zeit in Kakuma erinnern. Im Jahr 2002 war sie im Alter von drei Jahren gemeinsam mit ihren Geschwistern vor dem Krieg im damaligen Sudan geflohen. Anek weiß nicht, was aus ihren Eltern geworden ist. Aufgewachsen ist sie bei ihrer älteren Schwester, die 2014 nach Juba zurückkehrte. Im selben Jahr wurde Anek schwanger.
Missbrauch zieht weiteren Missbrauch nach sich
Dass Jugendliche schwanger werden, kommt immer noch sehr oft vor, obwohl der LWB mit Aufklärungskampagnen Frühehen zu verhindern und andere Faktoren einzudämmen sucht, die dazu beitragen, dass Minderjährige Kinder bekommen. Ein weiteres Element dieses Engagements ist die Begleitung junger Mütter und deren Kinder.
Viele der minderjährigen Mütter im Lager Kakuma wurden von ihren Familien verstoßen und in der Folge erneut zu Opfern sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt. Langfristig verursachen die erlebten Übergriffe oftmals Depressionen und haben Zwangsverheiratung und soziale Isolation zur Folge. Junge Mädchen werden häufig in einem Umfeld schwanger, das von Armut und Alkoholmissbrauch geprägt ist.
Anek spricht nicht darüber, was ihr passiert ist. Der Mann, der sie vergewaltigt hat, war ein 25-Jähriger aus ihrem eigenen Volksstamm. Als bekannt wurde, dass sie schwanger war, floh er aus dem Lager, bevor er festgenommen werden konnte. Obwohl klar war, dass das junge Mädchen einem Verbrechen zum Opfer gefallen war, wurde von ihr erwartet, dass sie heiratet. Sie war nicht bereit, sich diesen Bräuchen zu beugen, was sie in eine sehr problematische Situation brachte. Weder konnte sie auf die Unterstützung der anderen Frauen zählen, noch ungezwungen mit Mädchen ihres Alters zusammen sein. Letztlich brach sie die Schule ab, brachte ihre Tochter zur Welt und gab die Hoffnung auf einen Abschluss auf.
Unterstützung und Ermutigung
Bei einem der regelmäßigen Besuche bei der Lagerbevölkerung lernten LWB-Mitarbeitende Anek kennen und meldeten sie bei einem Förderprogramm an. Der LWB führte Beratungsgespräche mit ihr und verschaffte ihr später einen Platz in einer Selbsthilfegruppe für minderjährige Mutter. In diesem Rahmen konnte sie auch das Angebot einer Gruppentherapie wahrnehmen. Bei diesen Maßnahmen geht es nicht darum, den Mädchen vorzuschreiben, was sie tun sollen. Vielmehr werden sie ermutigt, herauszufinden, was gut für sie ist, und damit anzufangen, eigene Entscheidungen für sich und ihre Kinder zu treffen. Auf der Basis dieser Ermutigung entschloss sich Anek 2015, mit der Schule weiterzumachen.
Den Anforderungen der Schule und gleichzeitig ihrer Verantwortung als Mutter gerecht zu werden, stellte Anek vor große Herausforderungen. Schließlich aber bestand sie 2016 das staatliche Primarschulexamen mit guten 342 von 500 Punkten. Damit lag sie auf dem 65. Platz unter 4.000 Prüflingen im Lager und ist die einzige minderjährige Mutter, die hier jemals die Primarschule erfolgreich abgeschlossen hat.
„Du kannst es schaffen“
Anek betont, wieviel Durchhaltevermögen für diesen Erfolg nötig war. „Ich glaube, ein wichtiger Faktor für den Erfolg ist die eigene Einstellung zur Bildung. Ich habe es geschafft, weil ich eine positive Einstellung habe und mich trotz der Schwierigkeiten sehr angestrengt habe.“
Sie ist sehr dankbar für die Unterstützung, die sie erhalten hat. Heute hat Anek große Hoffnungen, was ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Tochter betrifft. „Es ist nicht alles am Ende“, weiß sie. „Man kann trotzdem wieder in die Schule gehen und man kann es schaffen. Gott hat für jede von uns einen Plan.“ Anek hofft auf ein Stipendium, damit sie die Loreto Matunda Secondary School in Eldoret besuchen kann. Damit käme sie der Verwirklichung ihres Traums, Anwältin zu werden, einen großen Schritt näher. Als Anwältin, findet Anek nämlich, könnte sie sich besonders wirksam für den Schutz und die Rechte von Mädchen und Frauen einsetzen.
Ein Beitrag von Sharon Kagweyi, Stellvertretende LWB-Kinderschutzreferentin, Flüchtlingslager Kakuma, redigiert und übersetzt vom LWB-Kommunikationsbüro.