Porvoo: Lutherische und Anglikanische Gemeinschaft wachsen im gemeinsamen Glauben

16. Aug. 2022

Finnischer Bischof Matti Repo nimmt als Co-Vorsitzender der ökumenischen Porvoo-Gruppe an der Lambeth-Konferenz teil

Bischof Matti Repo, Evangelisch-Lutherische Kirche Finnlands, bei der Lambeth Conference

Bischof Matti Repo, Evangelisch-Lutherische Kirche Finnlands, Co-Vorsitzender der ökumenischen Porvoo-Gruppe. Foto: Lambeth Conference/Neil Turner

(LWI) – Drei Jahrzehnte nach dem Abschluss einer wegweisenden Vereinbarung, die die vollständige Gemeinschaft der anglikanischen und lutherischen Kirche in Europa und den baltischen Staaten bekräftigte, hat eine Gruppe skandinavischer lutherischer Bischöfe und Bischöfinnen vor kurzem in Canterbury, England als offizielle Teilnehmende die 15. Lambeth-Konferenz anglikanischer Kirchenleitender aus aller Welt besucht. 

Die vom 26. Juli bis zum 8. August laufende Veranstaltung fand unter dem Thema „Gottes Kirche für Gottes Wort“ statt und befasste sich in erster Linie mit der Identität und den Prioritäten der Anglikanischen Gemeinschaft für die kommenden zehn Jahre sowie mit Fragen der ökumenischen und interkonfessionellen Beziehungen. Die Generalsekretärin des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfarrerin Anne Burghardt, hielt ebenfalls eine Rede auf der Konferenz und sprach über die Ziele und Fortschritte der ökumenischen Bewegung.

Zu den skandinavischen lutherischen Teilnehmenden gehörte auch der finnische Bischof Matti Repo, Co-Vorsitzender der Porvoo-Kontaktgruppe, die mit der Umsetzung der Erklärung von Porvoo über die volle Kirchengemeinschaft 1992 beauftragt ist. Diese Erklärung, die 15 anglikanische und lutherische Kirchen in Europa unterzeichnet haben, wurde nach der finnischen Stadt Porvoo benannt, wo nach erfolgreichem Abschluss des theologischen Dialogs die erste gemeinsame Eucharistie stattfand.

Bischof Repo, können Sie uns mehr über die Ursprünge dieser wegweisenden ökumenischen Entwicklung erzählen?

Ja, das Abkommen von Porvoo ist das Ergebnis eines langen Dialogs, der seinen Anfang auf einer früheren Lambeth-Konferenz genommen hat. Sie fand vor mehr als einem Jahrhundert im Jahre 1920 statt, als die Bischöfe und Bischöfinnen einen Aufruf für die Einheit aller Menschen christlichen Glaubens veröffentlichten. Dieser Aufruf veranlasste die Kirche von England, Beziehungen zu den skandinavischen lutherischen Kirchen aufzubauen, zunächst in Schweden in den 1920er Jahren, dann in Finnland und den baltischen Staaten in den 1930ern. Diese ersten Dialoge wurden durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen, aber in den darauffolgenden Jahrzehnten wiederaufgenommen und in den 1960er Jahren auch auf globaler Ebene zwischen der Anglikanischen Gemeinschaft und dem LWB geführt.  Auf der Grundlage anderer ökumenischer Vereinbarungen und besonders der bahnbrechenden Studie des Ökumenischen Rates der Kirchen „Taufe, Eucharistie und Amt“ aus dem Jahre 1982 konnten lutherische und anglikanische Theologen und Theologinnen wichtige und strittige Fragen zur historischen Kontinuität der Bischöfe als Voraussetzung für die Einheit beantworten.

Das Abkommen von Porvoo war also der erfolgreiche Abschluss einer Reise zur Einheit für diese beiden Gemeinschaften?

Ja, das stimmt in gewisser Weise, aber gleichzeitig müssen wir uns auch fragen, wo wir als Kirchen eigentlich in Gemeinschaft leben. Gehören wir nur unseren eigenen Kirchenfamilien an, oder wenn das nicht der Fall ist, wie können wir uns in unserem Alltagsleben näherkommen und zu einer gemeinsamen Mission und zu einem gemeinsamen Dienst finden? Aus diesem Grund haben wir diese Kontaktgruppe gegründet, der ich zusammen mit dem anglikanischen Erzbischof Michael Jackson aus Dublin vorsitze. Auf diese Weise lernen wir uns besser kennen und können unseren Kirchen helfen, Beziehungen auf der Gemeinde- und der Diözesenebene aufzubauen. Wie Kardinal Koch vom vatikanischen Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen während seines Vortrags auf der Lambeth-Konferenz ganz richtig bemerkte – die brennende Frage, vor der wir alle in der ökumenischen Bewegung heute stehen, lautet, wie wir in das gemeinsame Leben hineinwachsen können.

Was unternehmen Sie in Ihrer Kirche in Finnland, um die Beziehungen zu der Anglikanischen Gemeinschaft aufzubauen?

Die Anglikanische Kirche in Finnland ist sehr klein, aber in meiner Diözese Tampere haben wir eine englischsprachige Gemeinde, die in erster Linie von lutherischen Geistlichen betreut wird. Es gibt einen anglikanischen Priester in Helsinki, der uns vielleicht einmal im Monat einen Besuch abstattet, aber meistens werden die Andachten in einer lutherischen Kirche mit einem lutherischen Pfarrer gehalten, der von unserem lutherischen Gemeindeverband bezahlt wird. 

Ein weiteres Beispiel ist unsere umfassende Zusammenarbeit mit der anglikanischen Diözese Manchester im Bereich des Konfirmandenunterrichts. Jeden Sommer reist eine Gruppe lutherischer Teenager nach England in ein Konfirmanden-Camp, und umgekehrt kommt eine Gruppe anglikanischer angehender Konfirmanden zu uns nach Finnland. Sie lernen sich gegenseitig kennen und stellen fest, dass sie einen gemeinsamen Glauben haben, so dass sie ihre Augen für die Einheit der christlichen Kirche öffnen. Es ist wichtig, dass wir die jungen Erwachsenen in unseren Kirchen ernst nehmen, so dass andere Diözesen in Finnland ebenfalls anfangen, es dieser Initiative gleichzutun.

Könnte das Porvoo-Abkommen als Vorbild auch für andere Kirchen dienen?

Ja, die kleinen Anglikanischen Kirchen in Spanien und Portugal haben sich dieser Erklärung auch angeschlossen, so dass wir sie ebenfalls unterstützen können. Vor kurzem haben wir auch unsere Beziehungen zur Methodistenkirche vertiefen können, auch dank der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre, die der Weltrat methodistischer Kirchen 2006 unterzeichnet hat, ebenso wie der Lutherische Weltbund (LWB) und die römisch-katholische Kirche und später die Anglikanische Gemeinschaft und die reformierten Kirchen.

Aber in unserem finnischen Kontext ist es nicht einfach, praktische ökumenische Initiativen zu entwickeln, da wir sehr unterschiedliche finanzielle Ressourcen und gesellschaftliche Positionen haben. Wir müssen Strukturen für einen gegenseitigen Austausch und gemeinsames Lernen aufbauen, vielleicht auch für gemeinsame Entscheidungsfindungen. Wir müssen gegenseitig rechenschaftspflichtiger werden und Wege für gemeinsames Zeugnis und gemeinsamen Dienst finden. So kommen zum Beispiel seit 2015 immer mehr Menschen aus nicht-christlichen Ländern im Nahen Osten und Nordafrika zu uns – wie können wir Wege entwickeln, um sie gemeinsam willkommen zu heißen, ihnen Nahrung und Unterkunft zu geben?

Worauf ist Ihre Passion für die Ökumene zurückzuführen, wie geben Sie sie an andere Menschen weiter?

Ich wurde 1985 ordiniert, aber schon während meiner Studienjahre war ich an lokaler ökumenischer Arbeit interessiert und habe mich dort engagiert. Was mich aber wirklich begeistert hat, war meine Entsendung in eine presbyterianische Kirche in Michigan in den Vereinigten Staaten. In diesen Wochen habe ich nicht nur Englisch gelernt, sondern auch erkannt, dass ich selbst konkrete Schritte in diese Richtung unternehmen kann. Nach vielen Jahren im Dienst meiner Gemeinde habe ich als ökumenischer Sekretär im Referat meiner Kirche für internationale Beziehungen gearbeitet, ebenfalls als Co-Sekretär für die Porvoo-Gruppe, deren Vorsitzender ich jetzt bin. 

Finnland ist ein traditionell homogenes Land, die meisten Menschen wissen deshalb nur sehr wenig über andere christliche Glaubensrichtungen. Sie wissen vielleicht, dass es eine orthodoxe Kirche oder eine Pfingstkirche in der Stadt gibt, aber sie besuchen sie nie. Sie neigen dazu, allem in der Liturgie zu misstrauen, mit dem sie nicht vertraut sind. Die finnischen Medien interessieren sich für Papst Franziskus, aber die Menschen wissen auch nichts über die katholische Kirche.

Aber die religiöse Landschaft in unserem Land ändert sich gerade: Die orthodoxe Kirche war immer die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft, inzwischen haben wir jedoch wahrscheinlich mehr Menschen muslimischen als orthodoxen Glaubens. Diese Veränderungen sind eine gute Herausforderung für alle unsere Kirchen, und wir wollen uns mit ihnen auseinandersetzen und einen gemeinsamen Weg in die Zukunft finden.

LWF/P. Hitchen