Polen: Unterstützung vergessener Migrierender an der Grenze zu Belarus

7. Aug. 2024

An der Grenze zwischen Belarus und Polen unterstützt der LWB eine lokale Organisation, die Migrierenden hilft und jeden Monat Hunderte von Menschenleben rettet.

Eritreische Frau mit ihrem neugeborenen Baby

Eritreische Frau mit ihrem neugeborenen Baby. Sie wurden nach der Geburt im Białowieża-Wald im Grenzgebiet aufgegriffen. Foto: Egala

Lokale Partnerorganisation des LWB leistet schnelle und umfassende Hilfe

(LWI) – Die junge Frau, die in einer kalten Aprilnacht 2024 in die Obhut von Einsatzkräften der Hilfsorganisation genommen wurde, stammte aus Eritrea. Sie hatte sich über einen Monat in den Wäldern an der belarussisch-polnischen Grenze versteckt und gerade ein Baby zur Welt gebracht.

„Die Nacht war kalt, und die Mutter hat ihre soeben geborene kleine Tochter in ihre Bluse eingewickelt. Der Grenzschutz hörte ihre Hilferufe und brachte die Mutter und ihr Neugeborenes in das Krankenhaus in Hajnówka“, heißt es in dem Bericht, den das Team der polnischen Organisation Egala später vorgelegt hat. Das neugeborene Kind kam in einen Inkubator und wurde später in ein Kinderkrankenhaus verlegt. Die Mutter erhielt materielle Hilfe sowie psychosoziale und juristische Unterstützung und wartet jetzt auf das Ergebnis ihres Asylverfahrens. Egala ist eine lokale Partnerorganisation des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Polen.

Freiwillige im Einsatz

Diese Frau und ihr Kind sind zwei von fast 1.000 Menschen, deren Leben zwischen April und Mai 2024 mit Unterstützung des LWB im Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus gerettet wurde. Der LWB Polen unterstützt die Organisation Egala, die essenzielle Dienste für Migrierende an der polnisch-belarussischen Grenze durch ihr Engagement vor Ort leistet – allein im April und im Mai waren es 351 Einsätze, die mehr als 900 Migrierenden aus Ländern wie Afghanistan, Eritrea, Äthiopien, Somalia, Syrien, Jemen u. a. geholfen haben.

Das Baby wurde in einen Brutkasten gelegt und später in ein Kinderkrankenhaus verlegt

Das Baby wurde in einen Brutkasten gelegt und später in ein Kinderkrankenhaus verlegt. Der Einsatz hat ihr wahrscheinlich das Leben gerettet. Foto: Egala

Menschen, die Asyl in Europa beantragen wollen, kamen ab 2021 in großer Zahl in der Grenzregion an. Sie waren mit gefälschten Visa in die belarussische Hauptstadt Minsk geflogen, und man hatte ihnen erzählt, dass sie in Europa sicher seien. Da immer mehr Menschen kamen, instruierten die polnischen Behörden den Grenzschutz, sie wieder über die Grenzen zurück nach Belarus zu drängen, und wiesen die Bewohner und Bewohnerinnen der Grenzregion an, die Polizei direkt über Neuankömmlinge zu informieren. Als die Medien immer öfter über diese Geschichten berichteten, haben zahlreiche Freiwillige und Nichtregierungsorganisationen die humanitäre Hilfe und die Unterstützung der Menschen koordiniert, die sich in den Wäldern versteckt haben. Zu den Ersthelfern und Ersthelferinnen gehörten Mitglieder der Grupa Granica, einer Basisbewegung, die als Antwort auf die Krise im Grenzgebiet gegründet worden war. Die LWB-Partnerorganisation Egala ist Teil dieser Bewegung.

Komplexe Situation

Francesca Frulla, LWB-Beraterin für globale Finanzierung, beschreibt die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze als angespannt und komplex. Nach Aussage der Leiterin von Egala, Oliwia Hurley, wird die diesjährige humanitäre Krise im Vergleich zum Vorjahreszeitraum als ernster angesehen. „Seit April erleben wir einen signifikanten Anstieg der in Krankenhäuser eingewiesenen Patienten und Patientinnen“, sagt sie.

„Es kommen jeden Tag und jede Nacht Menschen an, die schnelle und umfassende Unterstützung brauchen. Sie sind körperlich oft erschöpft, und die Kommunikation ist aufgrund der Sprachbarrieren problematisch. Viele der neu Angekommenen leiden unter Mangelernährung. Manche halten sich schon seit fünf Monaten in den Wäldern auf und haben immer wieder erfolglos versucht, die Grenze zu überschreiten.“ Nach Aussage der lokalen Partnerorganisation berichten die Menschen über harsche Zustände auf der belarussischen Seite, so werden sie oft gezwungen, wieder auf die polnische Seite zurückzukehren, und sie werden von Behördenvertretern geschlagen.

Die LWB-Partnerorganisation stellt Lebensmittel, Wasser und andere lebenswichtige Bedarfsgüter wie Decken, Schuhe usw. zur Verfügung. Sie bietet ebenfalls Erste Hilfe, Beratung und juristische Unterstützung auch in Verbindung mit dem Asylverfahren an. Die Organisation erfasst auch persönliche Geschichten wie die der jungen Mutter aus Eritrea, um Hintergründe und Fälle gesetzeswidriger Handlungen der Behörden zu dokumentieren und für die spätere Advocacy-Arbeit verwenden zu können.

Herausfordernde Arbeit

Es ist schwierig, den Migrierenden an der Grenze zu helfen, und die Möglichkeiten für eine humanitäre Unterstützung bleiben eingeschränkt. Aktivistengruppen und humanitäre Hilfsorganisationen müssen im Hintergrund arbeiten, um Konflikte mit dem Gesetz und eine weitere Marginalisierung der in Not geratenen Menschen zu vermeiden. Trotz dieser Herausforderungen spielt Egala weiterhin eine wichtige Rolle bei der humanitären Betreuung der Migrierenden an der polnisch-belarussische Grenze und sorgt dafür, dass diese Menschen die grundlegende Versorgung und Unterstützung erhalten, die sie dringend brauchen.

Die junge Mutter aus Eritrea war seit vielen Jahren unterwegs auf der Suche nach einem sicheren Platz zum Leben. „Sie hat in Geflüchtetencamps in Äthiopien, Kenia und Uganda gelebt. Ihr Weg war gekennzeichnet von Leid, Entbehrung und Einsamkeit. Sie hielt sich über einen Monat in den belarussischen Wäldern auf und wurde vom Grenzschutz zweimal von Polen aus zurück nach Weißrussland getrieben“, heißt es in dem Bericht der polnischen NGO Egala.

Weder Egala noch der LWB Polen können sagen, ob die Mutter aus Eritrea in Polen bleiben und ihre kleine Tochter dort großziehen kann. „Für den Moment sind die junge Frau aus Eritrea und ihre Tochter sicher und gut versorgt und hoffen auf eine friedliche Zukunft in Polen“, schließt der Bericht von Egala. 

Die Arbeit des LWB Polen mit Egala im weissrussischen Grenzgebiet wird von ELKA und Kerk in Actie finanziert. 

LWB/C. Kästner-Meyer