Delegation der bayrischen Landeskirche besucht Flüchtlingslager Za‘atari und Stadt Al Mafraq
(LWI) – Syrische Flüchtlinge im jordanischen Flüchtlingslager Za’atari empfangen mehr als nur Nothilfe. Der Lutherische Weltbund (LWB) ist hier mit Friedens- und Versöhnungsarbeit tätig und unterhält Programme für sozialen Zusammenhalt und wirtschaftliche Unabhängigkeit in den umliegenden Ortschaften. Ein Einsatz, der erst durch die umfassende Unterstützung von Partnern wie der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) ermöglicht wird.
Im Mai besuchte deshalb eine Delegation unter Leitung von Pfr. Michael Martin, Leiter der ELKB-Abteilung „Ökumene und Kirchliches Leben“, das Flüchtlingslager Za‘atari und die Stadt Al Mafraq im Norden von Jordanien. Neben humanitärer Hilfe engagiert sich der LWB dort für die interreligiöse Zusammenarbeit zwischen christlichen und muslimischen Gläubigen. Im Interview mit der Lutherischen Welt-Information (LWI) schildert Pfr. Martin seine Eindrücke über die Arbeit des LWB in Jordanien.
LWI: Die ELKB hat die Hilfsprogramme des LWB für syrische Flüchtlinge in Jordanien von Anfang an umfassend unterstützt. Was ist der Grund für diesen Einsatz in Za‘atari und den umliegenden Ortschaften?
Die ELKB verfolgt einen zweigleisigen Ansatz: Innerhalb Deutschlands bietet unser sozialer Dienst, die Diakonie, Migrantinnen und Migranten aus Syrien Unterstützung an. Wir fördern eine friedliche Integration der Flüchtlinge in die bayrische Gesellschaft.
Wir engagieren uns aber auch weltweit für die ökumenische Zusammenarbeit. In unseren Hilfsprogrammen für syrische Flüchtlinge arbeiten wir mit Partnern im Libanon, wie CAPNI (Christian Aid Program Northern Iraq) und der Stiftung „Wings of Hope“ zusammen. „Wings of Hope“ ist auf Traumatherapie spezialisiert und in einem Flüchtlingslager nahe Dohuk im Norden des Irak aktiv. So gibt es eine Verbindung zwischen unserer Hilfe für Flüchtlinge im Irak und dem Engagement des LWB im Flüchtlingslager Za‘atari. Pater Emmanuel Youkhana von der Apostolischen Kirche des Ostens (Assyrische Kirche) hat uns während unseres Besuchs begleitet, um eine vergleichende Analyse von der Situation und dem Ansatz erstellen zu können.
Die Partnerschaft zwischen der ELKB und dem LWB geht bis zur Gründung des LWB zurück – und besteht somit seit mehr als 65 Jahren. Wir haben diese Verbindungen auf der ganzen Welt stets gestärkt, indem wir die Nothilfearbeit des LWB unterstützten. Wir wollten eingreifen und den syrischen Flüchtlingen in den Nachbarländern helfen. Der LWB (Abteilung für Weltdienst) ist die einzige humanitäre Organisation in der lutherischen Familie, die in Jordanien aktiv ist, und wir fühlen uns seiner Arbeit dort sehr verbunden. Wir haben gute Erfahrungen mit den Mechanismen für Nothilfe im ACT-Bündnis und der damit zusammenhängenden Berichterstattung gemacht, die alle unserer Strategie für weltweite humanitäre Hilfe entsprechen.
Was war Ihr Eindruck von der psychosozialen Beratung und den Programmen zur Traumabewältigung, die der LWB in den Flüchtlingslagern und lokalen Gemeinschaften anbietet?
Zuerst möchte ich erwähnen, dass die Arbeit, die der LWB im Flüchtlingslager Za‘atari leistet, in die erste Kategorie der gemeinschaftsbasierten psychosozialen Unterstützung fällt: Sie verfolgt einen Gruppenansatz und ist keine Traumatherapie, die einen individuellen Ansatz verfolgen würde.
Der LWB arbeitet im Bereich der gewaltfreien Kommunikation. Das Projekt „Peace Oasis“ (Friedensoase) im Flüchtlingslagers Za‘atari eröffnet dem LWB die einzigartige Chance, den syrischen Flüchtlingen als einzige Organisation im Lager eine solche Unterstützung anbieten zu können. Dieses Projekt beinhaltet Zeiten für Mädchen- und Jungengruppen, in denen Jungen und Mädchen getrennt die Chance haben, voneinander zu lernen; es bietet jungen Menschen verschiedener Altersgruppen die Möglichkeit, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen; es schafft Platz für Aktivitäten, mit dem Nachbarn und der Nachbarin auf gewaltfreie Art in Kontakt zu treten; und Raum emotionale Ausgeglichenheit zu lernen und sich aktiv an der Friedenskonsolidierung, der Konfliktbewältigung und Versöhnung zu beteiligen. Wir schätzen diesen Ansatz und sehen in diesem Kontext eine besonders grosse Bedeutung.
Das Projekt „Peace Oasis“ nimmt auch andere Aspekte der Arbeit des LWB in den Flüchtlings- und lokalen Gemeinschaften auf, wie zum Beispiel Sporteinrichtungen im Flüchtlingslager. Des Weiteren gibt es eine starke Verknüpfung mit dem Projekt in Al Mafraq, das wirtschaftliche Unabhängigkeit fördern soll. Es ermutigt Flüchtlinge und Mitglieder der lokalen Gemeinschaften, in von syrischen und jordanischen Frauen organisierten Gemeinschaftsküchen Essen für grössere Gruppen zuzubereiten, und an anderen einkommensgenerierenden Aktivitäten teilzunehmen. Solche Ansätze heben die Bedeutung und Relevanz der Arbeit des LWB hervor.
Wie schätzen Sie allgemein die Qualität der Dienste ein, die der LWB den Flüchtlingen in den lokalen Gemeinschaften und im Flüchtlingslager anbietet?
Die Qualität der Dienste ist hoch und wir schätzen die Art, wie die Hilfsprogramme umgesetzt werden. Wir haben zum Beispiel erfahren, dass Wejdan Jarrah, die Teamleiterin des „Peace Oasis“-Projekts und andere Mitarbeitende qualifizierte, syrische Flüchtlinge schulen, die anderen Flüchtlingen dann selbst Kurse in Friedenssicherung geben. Bei der Zusammenarbeit mit den Flüchtlingen ist das ein wichtiger Ansatz.
Als wir aus Jordanien abgereist sind waren wir überzeugt, dass die Unterstützung der ELKB für die humanitäre Arbeit des LWB auf jeden Fall fortgesetzt werden soll, wo es nötig ist. Was wir gesehen haben, war ermutigend. Wir suchen nach Möglichkeiten, einen fachlichen Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitenden des „Peace Oasis“-Projektes und den Mitarbeitenden von CAPNI im Irak, unserem Partner seit 20 Jahren, zu fördern, um voneinander zu lernen.
Wir konnten uns ausserdem von sehr guter Teamarbeit überzeugen, von konstruktiven und flachen Hierarchien und guter Kommunikation. So etwas fördert die erfolgreiche Umsetzung eines komplexen Programms unter schwierigen Bedingungen.
(Kirchenrat Thomas Prieto Peral, ELKB-Koordinator für Ökumene und Weltverantwortung, Konziliarer Prozess, und Pater Emmanuel Youkhana begleiteten Pfr. Michael Martin am 8. und 9. Mai beim Besuch des LWB-Länderprogrammes in Jordanien.)