Nordische Jugend setzt Hoffnung auf Krakauer Vollversammlung

07 Juli 2023

In dieser Ausgabe von Stimmen aus der Gemeinschaft erzählt die Jugend-Delegierte Nora Antonsen von ihrer Leidenschaft für Klimagerechtigkeit, Unternehmertum und die Stärkung von Jugendlichen – Werte, die durch ihre Erfahrungen mit der LWB-Delegation beim Klimagipfel in Glasgow geprägt wurden

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Nora Antonsen at LWF’s Pre-Assembly for Europe held in Oxford, UK, in March 2023. Photo: LWF/A. Hillert

Nora Antonsen bei der Europäischen LWB-Vorversammlung in Oxford, Großbritannien, März 2023. Foto: LWB/A. Hillert

Stimmen aus der Gemeinschaft: Nora Antonsen von der Norwegischen Kirche

(LWI) - Nora Antonsen hat einen weiten Weg hinter sich von ihrer kleinen Ortschaft Grovfjord im hohen Norden Norwegens. Dort ist sie aufgewachsen und verbrachte viele Stunden alleine in der Kirche, wo sie Orgel spielen und singen übte, zwei von vielen Hobbys, denen sie mit Leidenschaft nachgeht. „Ich habe schon immer gerne viele verschiedene Dinge getan und mich dabei an meine Grenzen getrieben“, sagt sie.

Heute, mit 25, lebt Nora in der Stadt Trondheim und studiert gerade für den Masterabschluss. Daneben arbeitet sie in einem ethischen Start-up-Unternehmen namens NAYA und engagiert sich als ehemalige Vorsitzende des Jugendrats der Norwegischen Kirche. Als Mitglied der LWB-Delegation zur Klimaschutzkonferenz in Glasgow setzt sie sich leidenschaftlich für Klimagerechtigkeit ein und bereitet sich gerade auch auf die Teilnahme als Jugend-Delegierte an der LWB-Vollversammlung in Krakau vor.

Erzähle uns etwas über deine Familie und wie du  dich zum ersten Mal in der Kirche engagiert hast.

Ich komme aus einer traditionell christlichen Familie, das heißt, es war bei uns Brauch, Christ zu sein, ohne den Glauben unbedingt ausleben zu müssen. Ich wurde über das Jugendprogramm stärker einbezogen, dann trat ich dem Chor bei und fing an Orgel zu spielen. Nach der Konfirmation ließ ich mich auf Kirchenpolitik ein und stellte fest, dass ich etwas bewirken konnte, erst in meiner örtlichen Gemeinde, dann auf regionaler und nationaler Ebene. So fand ich meinen Platz in der Kirche und auch mein Glauben wuchs – und ich denke, das gleiche gilt heute für viele norwegische Jugendliche.

Die Mitgliedschaft in der Kirche ist in Norwegen im Vergleich zu den meisten anderen europäischen Länder recht hoch – was denkst du, woran das liegt?

Wenn wir die Nordischen Länder im Allgemeinen betrachten,  so wie ich das auf der Vorversammlung mitbekommen habe, dann nehmen die Mitgliederzahlen insgesamt ab. Doch das ist ganz normal, da die Länder ja auch viel diverser werden. Ich denke, dass Jugendliche mehr einbezogen werden, weil sie noch immer von ihren Eltern getauft werde. Zugleich entdecken sie auch eine Gemeinschaft und ein Gefühl der Zugehörigkeit. 

Junge Menschen möchten sich über ihre Spiritualität klar werden, sie interessieren sich für persönliches Wachstum und das können sie, so wie ich, durch Gott finden. Ich denke auch, dass soziale Gerechtigkeit für sie eine große Rolle spielt und wenn sie sehen, dass die Kirche gewillt ist, sich zu verändern, ist das für Jugendliche ein wichtiger Faktor, um sich stärker zu engagieren.

Bis letztes Jahr warst du Vorsitzende des Jugendrates der Norwegischen Kirche – was beinhaltete die Rolle und was hast du daraus gelernt?

Der oder die Vorsitzende des Jugendrates und der Jugendsynode wird für zwei Jahre gewählt, und es war eine coole Erfahrung für mich, weil in unserer Kirche gerade einiges in Bewegung ist. Sie versucht davon wegzukommen, die Staatskirche zu sein, und stattdessen neue Wege zu finden, sich in die breitere Gemeinschaft einzugliedern. Zu diesem Prozess gehört auch, Strukturen zu schaffen, durch die Jugendliche mehr Mitwirkungsmöglichkeiten haben. Wir haben jetzt also ein größeres Mitspracherecht als vorher, und das hat mich wirklich angespornt, mich stärker zu engagieren. 

Es nahm viel Zeit in Anspruch, aber ich konnte auch sehen, wie es selbst Vierzehnjährige motiviert hat, wenn sie merkten, dass ihre Stimmen im Rat durch mich und meine Position vertreten wurden. Selbst jetzt nach dem Ende meiner Amtszeit versuche ich präsent zu sein, etwas zu Veranstaltungen beizutragen und daran mitzuwirken, wann immer ich kann, um andere dazu zu bringen, ebenfalls etwas zu bewirken.

In welchen Bereichen wünschst du dir, dass die Kirchen eine größere Rolle spielen und aktiver werden?

Auf den Vorversammlungen bekam ich mit, dass sich Jugendliche in allen Regionen Gedanken um Führungsverantwortung und Jugendstrukturen machen. Für uns ist es wichtig, dass wir nicht nur bei Veranstaltungen präsent sind, sondern dass auch unsere Meinungen in Betracht gezogen werden, denn das motiviert uns dazu, noch mehr zu tun.

Auf der europäischen Vorversammlung beleuchteten wir auch die psychische Gesundheit, die während der Pandemie ein großes Thema war, aber auch schon davor, denn Jugendliche erfahren durch die Sozialen Medien sehr viel Druck von allen Seiten. Die Kirche predigt eine Botschaft der Inklusion und Zugehörigkeit. Sie ist ein Ort, an den du so kommen kannst, wie du bist, wo du Unterstützung findest, wenn du Kummer hast, doch die Jugendlichen hören diese Botschaft nicht immer. Auch der Klimawandel ist ein weiterer Schwerpunktbereich, um den sich die Jugendlichen viele Gedanken machen.

Du hast zur LWB-Delegation zur Klimaschutzkonferenz in Glasgow gehört – wie wichtig war diese Erfahrung für dich?

Ich kann sagen, das war ein Meilenstein in meinen Leben, denn ich hatte zwar vom LWB gehört, doch nie eine echte Verbindung, bis ich nach Glasgow ging. Die Erfahrung beeinflusste viele meiner Entscheidungen, denn ich sah, wie Religionsgemeinschaften zusammenkamen und so eine stärkere Präsenz darstellten als vorher. Zu sehen, wie die Zivilgesellschaft Einfluss auf die Politik nehmen kann, begeisterte mich, aber ich sah auch, wie schwierig es ist, die Politik auf einer globalen Ebene zu beeinflussen. Der Klimagipfel regte mich auch zu meinem Studium an, denn ich bekam mit, wie Firmen Produkte machen, die den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Menschen helfen können.

Du machst jetzt einen Master in Unternehmertum und Innovation, richtig? Was hoffst du, wirst du nach deinem Studium machen?

Ja, ich bin in einem Jahr damit fertig, aber ich habe auch vier Jahre Physik studiert und der Klimagipfel gab mir die Anregung, diese Fächer zu verbinden. Er hob regelrecht hervor, wie wichtig nachhaltige Lösungen sind und wie wir auf unseren eigenen Gebieten eine Wirkung erzielen können. 

Ich engagiere mich bereits bei einem Start-Up-Unternehmen namens NAYA, wo ich Bildannotationen mache (Bildbeschriftungen, mit denen maschinelle Lernmodelle trainiert werden). Der Name bedeutet „neu“ auf Hindi, und wir arbeiten mit zehn Frauen aus den Slums von Dehradun in Nordindien. Wir helfen ihnen bei allem, angefangen bei der Ausbildung und der Verbesserung ihrer Englischkenntnisse über Kinderbetreuung und Transportmittel bis hin zu einer sicheren Büroumgebung. Ich liebe es, von ihnen und den norwegischen Firmen zu lernen, wie man AI-Algorithmen entwickelt. Wir reden viel über Hinduismus und Christentum, damit schließt sich für mich also der Kreis zur Kirche.

Du bereitest dich auf die Dreizehnte Vollversammlung des LWB in Krakau im September vor – welche Hoffnungen setzt du auf diese globale Veranstaltung?

Meine Hoffnung ist, dass alle Kirchen einen starken Ruf zum Handeln vernehmen, besonders in den Bereichen Klimagerechtigkeit und Stärkung von Jugendlichen. Ich habe gemerkt, dass der LWB eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Jugendarbeit spielen kann, und ich hoffe, dass das, was entschieden wird, für die Jugendlichen auch leicht umgesetzt und verständlich gemacht werden kann. Öko-Theologie ist zum Beispiel ein wichtiges Instrument zur Stärkung von Jugendlichen, deshalb brauchen wir eine Sprache, die leicht verstanden werden kann.

Ich war auch begeistert, dass die Afrikanische Vorversammlung Unternehmertum und Innovation hervorhob, und ich hoffe, wir können darüber diskutieren und herausarbeiten, was das für unsere Kirchen bedeutet. Und die traditionellen Themen Gerechtigkeit und Frieden sind auch so wichtig, besonders gerade jetzt für uns in Europa. Das sind komplexe Themen, deshalb hoffe ich, dass wir zuhören und Fragen stellen können und dadurch versuchen, das Gesamtbild zu erkennen und zu verstehen.

 

Der Lutherische Weltbund ist eine weltweites Gemeinschaft, das das Wirken und die Liebe Christi in der Welt verbreitet. In dieser Reihe porträtieren wir Menschen in kirchlichen Leitungspositionen und Mitarbeitende, die über aktuelle Themen sprechen, Ideen zur Stiftung von Frieden und Gerechtigkeit in der Welt darlegen und so dafür sorgen, dass die Kirchen und Gemeinden im Zeugnis wachsen und an Kraft gewinnen.

 

LWF/P. Hitchen