„Mehr Mut, als wir uns jemals vorstellen können“

07 Dez. 2016
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Ahmed Bahar lebt seit vier Jahren im Za'atari-Flüchtlingscamp. Foto: LWB Jordan/N. Boase

Ahmed Bahar lebt seit vier Jahren im Za'atari-Flüchtlingscamp. Foto: LWB Jordan/N. Boase

Chancen eröffnen für Flüchtlinge mit Behinderungen

AL MAFRAQ, Jordanien/GENF (LWI) – Für Ahmed Bahar*, 22, unterscheidet sich das Leben im Za'atari-Flüchtlingscamp nicht sonderlich von seinem früheren Leben zu Hause. Vor vier Jahren ist er aus seiner Heimatstadt Da'ara geflohen und lebt seitdem in Jordanien. An beiden Orten hat er jedoch den Eindruck, dass die Menschen aufgrund seiner Behinderung auf ihn herabsehen.

Bahar leidet unter Phokomelie, einer angeborenen Missbildung der Gliedmaßen, die seine Beweglichkeit einschränkt und die Benutzung seiner Hände beeinträchtigt. Für viele Menschen in seiner Situation bedeutet eine körperliche Behinderung, dass sie keine Arbeit finden. Kinder mit Behinderungen bleiben im Haus, sie gehen oft nicht zur Schule und sollen für die Nachbarschaft möglichst unsichtbar bleiben.

Willkommenskultur und Akzeptanz

Menschen mit Behinderungen haben in Lebenssituationen, die durch Flucht und Vertreibung bestimmt sind, ein zusätzliches Handicap. Die gängigen Hilfemechanismen stehen für sie nicht zur Verfügung, und sie müssen oft mit einer ihnen unbekannten Umgebung zurechtkommen, die alles andere als behindertengerecht ist. Wenn es überall an Mitteln fehlt, werden diese Menschen oft als Belastung für ihre Familien angesehen, deren täglicher Überlebenskampf ohnehin schwierig ist. Als erwachsener Sohn müsste Bahar eigentlich selbst Geld verdienen und zum Lebensunterhalt der Familie beitragen.

Der Lutherische Weltbund (LWB) in Jordanien versucht, Kinder und Jugendliche mit Behinderungen besser zu integrieren und sie aus ihrer Isolation zu holen. Bahar wurde eingeladen, an Workshops in der LWB-Friedensoase teilzunehmen, einem Zentrum, das psychosoziale Betreuung für junge Menschen in Za'atari anbietet.  Durch Kunst, Musik und Sport lernen sie, ihre Traumata und ihre negativen Erfahrungen zu verarbeiten, gleichzeitig können sie ihre gestalterischen Fähigkeiten entwickeln. 

In diesem Umfeld hat Bahar viele seiner körperlichen Behinderungen zu überwinden gelernt, heute kann er von Hand schreiben oder mit einer Tastatur. Er hat unterschiedliche Weiterbildungsangebote wahrgenommen, darunter auch die vom LWB angebotene Ausbildung für eine Bürotätigkeit. „Ich war sehr angetan vom LWB, da uns alle dort willkommen geheißen und akzeptiert haben. Jedes Mal, wenn ich in die Klasse gekommen bin, hatte ich das Gefühl, dass mich die Menschen dort unterstützen", sagt er.

Neu gewonnenes Selbstvertrauen

Obwohl Bahar seine Hände nur mit Einschränkungen benutzen kann, konnte er den Office-Kurs mit Erfolg abschließen und will sich mit seiner neu erworbenen Qualifikation jetzt um einen Job bewerben. „Der Office-Kurs hat mir die Gelegenheit gegeben, Erfahrungen mit Computern zu sammeln, so dass ich jetzt im Lager bei internationalen Organisationen um eine Stelle nachfragen kann. Es ist sehr schwierig, hier einen Job zu bekommen, wenn man nicht mit einem Computer umgehen kann", sagt er.

 

Der Kampf gegen Diskriminierungen bleibt eine Herausforderung, aber die Zusammenarbeit und das gemeinsame Lernen mit anderen jungen Menschen hat dem jungen Mann das Selbstvertrauen gegeben, anders mit seiner Situation umzugehen. Er hat seit seiner Ankunft im Camp gearbeitet und gelernt und ist zurzeit für eine Organisation tätig, in der er Kinder mit Behinderungen in Theater und Schauspiel unterrichtet. Nach eigener Aussage geht er mit viel Enthusiasmus an diese Aufgabe heran. Für die Kinder sind seine energiegeladene Persönlichkeit und ansteckende positive Einstellung per se schon eine Motivation.

„Wenn die Menschen mich kennen lernen, ändert sich ihre Sichtweise auf mich", sagt er voller Überzeugung. Das LWB-Personal, das mit ihm zusammenarbeitet, bestätigt diese Aussage ohne Vorbehalte. „Es ist ein Privileg, dass wir einen Beitrag zu Bahars Selbstvertrauen und zu seiner Fähigkeit geleistet haben, selbst für sich zu sorgen. Er wird sicher alle Herausforderungen meistern, die noch vor ihm  liegen", sagt Naomi Boase, die LWB-Programmreferentin in Jordanien. „Seine Hoffnung erinnert uns daran, wie viel wir von Menschen seinesgleichen lernen können, die so viel mehr Mut haben, als wir uns jemals hätten vorstellen können."

 

Unterstützung für Menschen mit Behinderungen gehört zur Bildungsarbeit und zum Schutzauftrag des LWB-Weltdienstes in zahlreichen Ländern wie Uganda, Kenia, Tschad, Mauretanien, Laos, Jordanien und Nordirak. Der LWB hilft hier durch Unterstützung zum Lebensunterhalt, Bildungsangebote, spezielle Wohnprojekte und materielle Hilfen wie Rollstühle. Der LWB leistet außerdem Aufklärungsarbeit, um auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen hinzuweisen und sich für ihre Integration einzusetzen.

(Ein Beitrag des LWB-Länderprogramms in Jordanien. Bearbeitet und übersetzt von der LWB-Kommunikationsabteilung.)

*Name zum Schutz der Identität geändert

 

LWF/OCS