Kolumbianerin verteidigt die Rechte ihrer Landsleute und mit hohem Risiko
Bogotá, Kolumbien/Genf (LWI) – Trotz der andauernder Bedrohung ihres Lebens kämpft María Ruth Sanabria unerschrocken für die Rechte marginalisierter Bevölkerungsgruppen. Dazu gehört auch das Projekt „Zu einer Territorialisierung des Friedens durch den Körper, die Stimmen und die Worte von Frauen“, unterstützt vom Lutherischen Weltbund (LWB) und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika.
Schon als junge Frau verspürte Sanabria den Wunsch, „anderen Menschen in ihrem Schmerz beizustehen“, und beschreibt dies als wichtigsten Charakterzug einer wahren Menschenrechtsaktivistin. Im Rückblick auf mehr als 40 Jahre Advocacy-Arbeit erinnert sie sich an Frauen und Männer, die ihr Leben aufgrund ihres Einsatzes für die Menschenrechte verloren haben. Diese Arbeit wird in Kolumbien immer gefährlicher.
Sanabria ist zutiefst besorgt über die ständige Diskriminierung und die anhaltenden Angriffe auf diejenigen, die in ihrem Land die Menschenrechte verteidigen. Auch auf sie selbst wurden mehrfach Mordanschläge verübt. Nach dem Bericht Piedra en el Zapato [Ein Stein in deinem Schuh], veröffentlicht von der Organisation Somos Defensores [Wir sind Anwälte], gab es 2017 mehr als 500 Angriffe gegen Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten, davon 106 mit Todesfolge, weiterhin 370 Bedrohungen, 23 willkürliche Verhaftungen, neun Fälle strafrechtlicher Verfolgung und zwei Diebstähle vertraulicher Informationen.
Drohungen, Mord, Zuflucht in Arauca
Sanabria war erst 17, als sie zum ersten Mal aus nächster Nähe den Kampf der Bauernschaft für Landrechte in San Alberto erlebte, einem kleinen Dorf im nördlichen Departamento Cesar. Später hatte sie Kontakt zu der Gewerkschaft, die bei dem Palmölproduzenten Indupalma die Belegschaft organisiert. Viele dieser Gewerkschaftsmitglieder wurden 1984 während der Krise infolge der wirtschaftlichen Liberalisierung und der nachfolgenden Angriffe paramilitärischer Gruppierungen getötet.
Nach dem Mord an ihrem Ehemann, einem Bauernführer, Anfang der 1990er Jahre und zahlreichen Morddrohungen gegen sie verließ Sanabria 1994 San Alberto und suchte Zuflucht in Arauquita, einer Stadt im nordöstlichen Departamento Arauca – mit ihren vier Kindern, vier Kartons und 10.000 kolumbianischen Pesos (3 US-Dollar).
Die Flucht bedeutete für sie, dass sie nicht nur ihr bisheriges Leben hinter sich lassen musste, sondern dass sie sich auch Anerkennung als weibliche Führungsperson und Menschenrechtsaktivistin in einem für sie ungewohnten Umfeld erkämpfen musste. Immer öfter nahm sie an politischen Veranstaltungen der Partei Unión Patriótica teil, die in der zweiten Hälfte der 90er Jahre 3.500 Mitglieder durch Mordanschläge verlor.
2001 traf sie Armando, der ihr Lebenspartner wurde und ebenfalls Menschenrechtsaktivist ist. Gemeinsam gründeten sie die Arauca-Ortsgruppe der Arauquita-Sektion des Ständigen Ausschusses für die Verteidigung der Menschenrechte (CPDH). Die Drohungen bewaffneter Gruppierungen ließen nicht lange auf sich warten. Erneut gab es Angriffe auf ihr Leben, so dass sie im September 2006 nach Argentinien fliehen musste. 2007 kehrte sie aber zurück und wurde wiederholt Zeugin gewalttätiger Angriffe paramilitärischer Gruppen auf Bauernführer sowie Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten.
Kontakt zum LWB
Sanabrias Kontaktaufnahme mit dem Lutherische Weltbund (LWB) begann bei einem Treffen im LWB-Büro in Kolumbien unter Beteiligung des CPDH und der Arauca Peasant Association (ACA), dem Bauernverband von Aruaca. Hier wurden die Weichen für eine gemeinsame Zusammenarbeit gestellt. Damals entwickelte sich ein Vertrauensverhältnis, das bis heute eine solide Basis hat.
Dank dem LWB „konnte der CPDH seine ersten Büros in Arauquita und Fortul eröffnen, wobei das letztere aufgegeben werden musste, nachdem sich die Konfliktsituation dort verschärft hatte“, erzählt Sanabria. Das Büro hatte ebenfalls die Funktion eines Zentrums für Workshops, die vorher im Freien unter Bäumen, in Slums und auf der Straße stattgefunden hatten.
Menschenrechtspreis
Sanabria ist dankbar für die starke Unterstützung des LWB bei der Ausbildung von CPDH-Mitgliedern, der Unterstützung für die Aktivistinnen und Aktivisten in Sachen Menschenrechte, für den Versöhnungsprozess mit anderen Organisationen und für die Verbesserung der institutionellen Zusammenarbeit, um ähnliche Ziele besser erreichen zu können. „Der LWB war immer für uns da, auch in schwierigen Zeiten“, so Sanabria.
Im September 2016 haben die kolumbianische Regierung und die FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) ein Friedensabkommen unterzeichnet und damit einen mehr als 50 Jahre dauernden Bürgerkrieg beendet. Im selben Jahr erhielt Sanabria in Kolumbien den National Award for Human Rights Advocacy, einen Menschenrechtspreis der glaubensgestützten schwedischen Entwicklungsorganisation Diakonia, die von der schwedischen Regierung und der Schwedischen Kirche unterstützt wird.
Im Rahmen des Länderprogramms für Kolumbien arbeitet der LWB gemeinsam mit örtlichen Gemeinschaften an der Förderung von Menschenrechten, beteiligt sich an nachhaltigen Entwicklungsprojekten und leistet humanitäre Hilfe in Katastrophenfällen.