Lambeth-Konferenz: Gemeinsam einen neuen Weg zur christlichen Einheit gehen

9. Aug. 2022

LWB-Generalsekretärin spricht vor anglikanischen Bischöfinnen und Bischöfen über die Herausforderungen des ökumenischen Weges

Welby, Burghardt and Lange

Erzbischof von Canterbury, Justin Welby (links) mit LWB-Generalsekretärin, Pfarrerin Anne Burghardt und den Assistierenden LWB-Generalsekretär für Ökumenische Beziehungen, Prof. Dirk Lange. Foto: Lambeth-Konferenz/Richard Washbrooke

(LWI) - Wie definieren wir als weltweite christliche Gemeinschaften das Ziel der sichtbaren Einheit für unsere Kirchen? Können wir einen Weg nach vorne finden und zusammen auf eine gemeinsame Vision hinarbeiten? Oder „lehnen wir uns einfach zurück und erwarten, dass der andere so aussieht wie wir“?

Dies waren die Schlüsselfragen, die die Generalsekretärin des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfarrerin Anne Burghardt, den anglikanischen Bischöfinnen und Bischöfen sowie Vertreterinnen und Vertretern anderer christlicher Weltgemeinschaften stellte, die sich auf der 15. Lambeth-Konferenz in Canterbury, England, versammelt hatten. 

Unter der Leitung des Erzbischofs von Canterbury, Justin Welby, trafen sich vom 26. Juli bis zum 8. August über 650 anglikanische Führungspersönlichkeiten sowie Bischöfinnen und Bischöfe aus der ganzen Welt in voller Kommunion. Unter dem Motto „Gottes Kirche für Gottes Welt: gemeinsam gehen, zuhören und Zeugnis ablegen“ diskutierten sie über den Auftrag und die Prioritäten der weltweiten Gemeinschaft für das nächste Jahrzehnt.

 Lambeth-Konferenz

Anglikanische Bischöfe, ihre Ehegatten und ökumenische Teilnehmende hören einer Bibelarbeit von Erzbischof Justin Welby zu. Foto: Lambeth-Konferenz/Neil Turner

„Die Bischöfinnen und Bischöfe haben uns mit offenen Armen empfangen, und alle, die in Lambeth versammelt sind, nehmen die Arbeit der Urteilsbildung sehr ernst“, sagte der Assistierende LWB-Generalsekretär für Ökumenis Beziehungen, Prof. Dirk Lange. „Jeden Tag entdecken die Teilnehmenden im Gebet, in kleinen Bibelstudiengruppen und im respektvollen Dialog einen Weg der Einheit und Versöhnung für die Kirche und die Welt.“

Am neunten Konferenztag, der der christlichen Einheit und den interreligiösen Beziehungen gewidmet war, sprach Generalsekretärin Burghardt mit Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmern aus der römisch-katholischen, der griechisch-orthodoxen, der anglikanischen und der pfingstlichen Tradition über die doktrinalen, spirituellen und sozialen Dimensionen der Gerechtigkeit des ökumenischen Weges.

Da diese Lambeth-Konferenz etwas mehr als ein Jahrhundert nach dem Lambeth-Appell von 1920 stattfindet, in dem „eine wiedervereinigte Christenheit“ gefordert wurde, reflektierte Burghardt über die Definition der Einheit, „nach der wir uns alle sehnen“, die jedoch „nicht immer leicht zu definieren“ sei. Jahrzehnte des Dialogs hätten dazu beigetragen, diese Definition zu formulieren, sagte sie. Dazu gehöre auch eine der wichtigsten Erklärungen zur Einheit an der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) 1961 in Neu-Delhi.

Rev. Anne Burghardt addresses the Lambeth Conference

LWF General Secretary Rev. Anne Burghardt addresses the Lambeth Conference on day nine dedicated to Christian unity. Photo: Lambeth Conference/Richard Washbrooke

Burghardt bekräftigte die Bedeutung der „spirituellen Ökumene“ und betonte, dass „Liturgie und Gebet uns umkehren, neu formen und uns auf andere Art aufeinander und die leidende Welt ausrichten können“. Das Gebet und die theologische Reflexion müssten jedoch eng mit der Diakonie und dem öffentlichen Zeugnis verbunden bleiben, sagte sie. Sie fragte: „Ist jetzt die Zeit gekommen, in der unsere Solidarität mit dem leidenden Nächsten und der bedrängten Schöpfung einen neuen hermeneutischen Rahmen für unsere doktrinale und theologische Reflexion eröffnen kann?“

Burghardt sprach über die Vereinbarungen zur vollen Kommunion zwischen Menschen lutherischen und anglikanischen Glaubens in verschiedenen Teilen der Welt. Sie wies darauf hin, dass „sichtbare Einheit nicht unbedingt institutionelle Einheit bedeutet“, sondern vielmehr „koinonia zwischen unseren Kirchen“, wie es im ÖRK-Dokument „Die Kirche auf dem Weg zu einer gemeinsamen Vision“ heißt. Sie erwähnte die Porvoo-Vereinbarung zwischen einigen Lutherischen und Anglikanischen Kirchen in Europa (einschließlich ihrer eigenen Estnischen Evangelisch-Lutherischen Kirche) sowie die Waterloo-Erklärung zwischen Anglikanern und Lutheranern in Kanada und die Vereinbarung „Called to Common Mission“ zwischen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika und der Episkopalkirche in den USA als Beispiele für diese gemeinsame Gemeinschaft.

Wir evangelisieren [....] aber wir tun es gemeinsam, nicht um der Kirche willen, sondern damit Gottes unermessliche Güte und Gottes gute Absicht für alle Menschen und die ganze Schöpfung bekannt werden.

–  Pfarrerin Anne Burghardt, Generalsekretärin des Lutherischen Weltbundes

Durch diese Vereinbarungen, so Burghardt, „werden lebendige Traditionen zwischen verschiedenen Kirchenfamilien geteilt“, während sie gleichzeitig „ihre besonderen spirituellen und theologischen 'Akzente'“ beibehalten. Der im lutherisch-römisch-katholischen Dialog entwickelte Begriff des „differenzierenden Konsenses“ weise „in die gleiche Richtung“und führte 1999 zur Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre, die inzwischen von fünf Weltgemeinschaften (lutherisch, katholisch, anglikanisch, methodistisch und reformiert) unterstützt wird.

Diese Konsenserklärung „zielt auf die Umsetzung auf lokaler Ebene ab, indem lokale, benachbarte Gemeinden sich einander zuwenden, um Jesus zu verkünden, Jesus zu teilen, sich in der Welt aus Liebe zu Jesus zu engagieren und dies gemeinsam zu tun anstatt in Isolation zu leben oder nur mit sich selbst beschäftigt zu sein“. In dieser ökumenischen Dynamik, so Burghardt abschließend, „evangelisieren wir, [....] aber wir tun es gemeinsam, nicht um der Kirche willen, sondern damit Gottes unermessliche Güte und Gottes gute Absicht für alle Menschen und die ganze Schöpfung bekannt werden“.

In den verbleibenden Tagen der Versammlung werden die Verantwortlichen der Anglikanischen Kirchen zusammen mit den ökumenischen Teilnehmenden weiter untersuchen, was sichtbare Einheit bedeutet und wie sie bereits in Gastfreundschaft, großzügiger Nachfolge und gemeinsamem Zeugnis für das Evangelium in der Welt gelebt wird.

LWF/P. Hitchen