„Gläubige befähigen, Kritik an ungerechten Diskursen zu äußern“
Genf (LWI) – Die Kirche müsse auch weiterhin vom Glauben der Menschen erzählen – auch vom Glauben von Menschen mit Behinderungen, von indigenen Menschen von und marginalisierten Menschen am Rande der Gesellschaft, um das Evangelium nicht zu „domestizieren“, zu zähmen, erklärte der lutherische Pädagoge und Pfarrer, Dr. Chad Rimmer.
Rimmer, Studienreferent des Lutherischen Weltbundes (LWB) für lutherische Theologie und Praxis, sprach während der Tagung des Konsortiums der Globalen Digitalen Bibliothek für Theologie und Ökumene (GlobeTheoLib) am 13. April in Genf (Schweiz) und führte aus, dass eine Erweiterung und Vervollständigung der theologischen „Daten“ den Kirchen helfen würde, ihren selbstkritischen Blickwinkel nicht zu verlieren.
„Wenn wir bei jeder Zusammenkunft die Geschichte des göttlichen Anderen erzählen, werden wir durch die Auseinandersetzung mit der Wahrheit Gottes, die der Welt offenbart wird, bewegt. Wenn wir die Geschichten der Anderen erzählen, kann uns die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit ihres Seins in der Welt anspornen und ermutigen“, erläuterte er.
Rimmer legte seine Gedanken über die Bedeutung und die Folgen der 14. Konferenz für Weltmission und Evangelisation (CWME), die im März dieses Jahres in Arusha (Tansania) unter dem Motto „Vom Geist bewegt – zu verwandelnder Nachfolge berufen“ stattfand, für die theologische Ausbildung und für Ethikstudien dar.
Er erinnerte daran, dass Teilnehmende in Arusha darauf hingewiesen hatten, dass es heute eine der wichtigsten Aufgaben der Mission und Evangelisation sei, die Zeichen der Zeit zu verstehen, und wies darauf hin, dass dieser Ansatz dem Aufruf der Propheten und Jesu entspräche. „Damit repressive Machtsysteme wirklich umgestaltet werden können, müssen wir den Gläubigen helfen, ihre Fähigkeiten zur Kritik an der Logik ungerechter Diskurse auszubauen“, so Rimmer.
Eine tatsächlich verwandelnde Pädagogik würde den Lernenden den Zugang zu Informations- und Wissensquellen ermöglichen, ihnen damit eine Grundlage für Wachstum und Entfaltung bieten und sie ermutigen, selbst Früchte hervorzubringen.
Theologie – die Begegnung und Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit der Anderen
Der „Aufruf von Arusha zur Nachfolge“ legt einen Schwerpunkt auf „todbringenden Kräfte“ wie Nationalismus, Militarismus, die ausgrenzende neoliberale Wirtschaftspolitik sowie den Verlust von Land- und Menschenrechten, und ruft zu einer Vision auf, die die Wahrheit, Versöhnung und Frieden fördert.
Dies werfe Fragen auf, wie zum Beispiel die theologische Ausbildung dabei helfen könne, Menschen und Gesellschaften zu verwandeln, so Rimmer. Er rief zu einer verwandelnden Pädagogik auf, die die Lernenden ermutige, ihre eigene moralische Vorstellungskraft zu entdecken.
Rimmer begrüßte, dass die CWME die Bedeutung des Erzählens von Geschichten betont hatte und wies darauf hin, dass Leben nicht unbedingt durch die Verfügbarmachung von immer mehr Informationen verwandelt werden könnten, sondern durch das Erzählen von Geschichten.
Der verwandelnde Charakter von Theologie, also die Ausbildung, die uns von einer normalen, alltäglichen zu einer kritischen Wahrnehmung führe oder uns eine neue Brille anbiete, durch die wir die Zeichen der Zeit lesen und verstehen könnten, sei die Begegnung und Auseinandersetzung mit der Lebenswirklichkeit Anderer.
„Die Geschichte eines Menschen ist nicht die reine Information darüber, was passiert ist. Sie ist eine Einladung, mit der neuen Realität in Berührung zu kommen, die in dieser Geschichte offenbart wird, und sich mit dieser auseinanderzusetzen“, betonte Rimmer.
Der theologische Ethiker Rimmer erklärte dem GlobeTheoLib-Konsortium, dass die Kirche als Mensch gewordene, eucharistische Gemeinschaft in der Welt eine formgebende und prägende Gemeinschaft ist. In diesem Sinne würden lutherische Gläubige bekräftigen, dass der christliche Glaube „auf der Begegnung und Auseinandersetzung mit dem Wort gründe, das Jesus Christus uns von außerhalb offenbart hat.“
Die Erklärung von Arusha hält fest, dass die Beziehung eines Christen oder einer Christin mit dem Heiligen Geist, wie sie in der eucharistischen Gemeinschaft erlebt wird, die Gläubigen zu Veränderung und Verwandlung animiert und ermutigt. Lutherische Gläubige, so Rimmer, würden durch die Gegenwart Christi in der Heiligen Schrift und seiner Präsenz in ihrem Glauben angespornt und ermutigt, die Kirchen und die Gesellschaft zu verwandeln.
„Die Erfahrung, im Heiligen Geist mit Christus verbunden zu sein, spornt uns an, repressive Systeme zu reformieren oder umzugestalten“, erklärte Rimmer abschließend.