Generalsekretär Junge ermutigt Kirchen, auf Erfahrung von Marangu aufzubauen
(LWI) – Der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfr. Martin Junge, hat die afrikanischen lutherischen Kirchen aufgerufen, sich aus ihrer „Einigkeit und Stärke“ heraus für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung auf ihrem Kontinent einzusetzen.
In seiner Ansprache anlässlich einer Tagung, die der ersten gemeinsamen Konferenz der LutheranerInnen in Afrika gedachte, die vor 60 Jahren in Marangu (Tansania) stattfand, erklärte Junge am 20. Mai, die historische Konferenz 1955 sei aus der Überzeugung initiiert worden, „geeint zu sein bedeutet, stärker zu sein“.
Junge stellte fest, er betrachte mit wachsendem Respekt die lutherischen Kirchenleitenden, die als PionierInnen die Strapazen und Lasten auf sich genommen hätten, im noch von der Kolonialherrschaft bestimmten Afrika Marangu zum Geburtsort einer „beispiellosen Einigkeit“ der lutherischen Kirchen auf dem Kontinent zu machen.
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Tansania (ELKT) war Gastgeberin der Konferenz lutherischer Kirchenleitender in Afrika, die vom 20. bis 24. Mai stattfand und in deren Rahmen das Marangu-Jubiläum begangen wurde. An der Konferenz nahmen etwa 200 Delegierte aus den 31 LWB-Mitgliedskirchen in Afrika, VertreterInnen der weltweiten LWB-Kirchengemeinschaft und zahlreicher Missionspartner sowie geladene ökumenische Gäste teil.
In seiner Ansprache befasste sich Junge ausserdem mit dem 500. Reformationsjubiläum 2017 und der Zwölften LWB-Vollversammlung, die im gleichen Jahr stattfindet. Beide Ereignisse stehen unter dem Motto „Befreit durch Gottes Gnade“. Die afrikanische Kirchenleitenden-Konferenz behandelte in Plenar- und Gruppensitzungen das Thema „Reformierende Kirche sein angesichts eines im Wandel befindlichen afrikanischen Kontexts“ und setzte sich mit der Frage auseinander, was die Unterthemen der Vollversammlung, „Schöpfung/ Erlösung/Menschen sind für Geld nicht zu haben“ für die Mission der lutherischen Kirche in Afrika heute bedeuten.
Der Generalsekretär erinnerte die Kirchendelegierten an das Grundprinzip lutherischer Identität, die Rechtfertigung allein aus Glauben, „nicht aufgrund dessen, wer wir sind und was wir tun, sondern aufgrund dessen, wer Gott ist und was er tut.“ Junge rief die afrikanischen Kirchen auf, verankert zu bleiben in „Christus, der Schrift und dem Glauben allein“ und in den allgemeingültigen Werten des Mitgefühls, der Integrativität, der Würde, des Engagements, des Respekts, der Teilhabe und der Vielfalt, die die weltweite lutherische Kirchengemeinschaft tragen.
Zum Thema Erlösung führte Junge aus, man sei sich allgemein einig, dass ein „Wohlstandsevangelium“ nicht akzeptabel sei. Er ermutigte die lutherischen Kirchen dazu, zu unterscheiden zwischen dem Gedanken des „Wohlstands“ und dem „Leben in Fülle“, wie es das Johannesevangelium beschreibe. Letzteres betone die Solidarität und die Würde eines jeden Menschen, auch derjenigen, die arm oder krank seien oder ausgegrenzt würden.
Weiter verwies Junge im Zusammenhang mit dem Unterthema „Menschen – für Geld nicht zu haben“ auf die wachsende Gewalt gegen Frauen nicht nur in Afrika sondern auch in anderen Weltregionen: „Sexuelle Gewalt, Vergewaltigung, die traditionelle Ausgrenzung vom Land- und Immobilienbesitz.“ Er fragte: „Welche Kultur sollen wir dem Evangelium nach fördern, wenn es um die Frage der Gewalt gegen Frauen geht?“
Zur Schöpfung erklärte Junge, die afrikanischen LutheranerInnen seinen berufen, prophetische Kirche zu sein in einem Kontext, in dem der gemeinschaftliche Besitz von Land bedroht sei durch Landraub, Bergbau und die Auswirkungen des Klimawandels.
Der Generalsekretär würdigte die afrikanischen LutheranerInnen angesichts ihrer Zusammenarbeit mit anderen Kirchen und Glaubensgemeinschaften auf dem Kontinent. Er rief jedoch auch dazu auf, angesichts neuer Dimensionen der im Namen der Religion verübten Gewalt interreligiösen Spannungen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. „Wir sollten uns von unseren interreligiösen Bemühungen nicht abbringen lassen“, betonte Junge. „Lassen wir es nicht zu, dass der Extremismus den Raum in Anspruch nimmt, zu bestimmen, worum es bei Glaube und Religion wirklich geht.“
Unter Verweis auf die Gründungskonferenz in Marangu 1955 würdigte Junge den ehemaligen LWB-Präsidenten Bischof Dr. Josiah M. Kibira für seine visionäre Kraft, mit der er den einmaligen Beitrag jeder LWB-Mitgliedskirche wertgeschätzt und gleichzeitig ihre Interdependenz betont habe. Junge ermutigte die Kirchen, Konkurrenz und Ausgrenzung zu vermeiden und stattdessen ihre Beziehungen in einem Geist der gegenseitigen Unterstützung zu gestalten.
Die Konferenz befasste sich weiterhin mit der Bewahrung der Schöpfung, dem Zusammenhang zwischen Glauben und öffentlicher Verantwortung sowie den Vorbereitungen auf die Zwölfte LWB-Vollversammlung 2017, deren Gastgeberinnen die lutherischen Kirchen in Namibia sind. Die Kirchenleitendenkonferenz schloss am Pfingstsonntag mit einem Jubiläumsgottesdienst in Marangu.