Unterstützung von Kirchen in China, Amerika und Deutschland
NEAPEL, Italien/GENF (LWI) – Vor einigen Wochen, erinnert sich Cordelia Vitiello, seien die Familien aus Neapel noch an den Stränden gewesen, hätten die Seele baumeln lassen und sich in der warmen Frühlingssonne mit Freunden unterhalten. Diese Erinnerungen scheinen inzwischen eine Ewigkeit her zu sein. Ganz Italien, wo sich aktuell nach China, dem Ursprungsland der Pandemie, die meisten Menschen mit dem Coronavirus infiziert haben und daran gestorben sind, steht unter Quarantäne.
Vitiello (Evangelisch-Lutherische Kirche in Italien) ist Mitglied im Rat des Lutherischen Weltbundes (LWB) und Präsidentin des Verwaltungsrates des evangelischen Krankenhauses „Ospedale Evangelico Betania“ https://www.ospedalebetania.org/ in Neapel. Das Krankenhaus, das in einem der ärmsten Teile der Stadt gelegen ist, erbringt medizinische Fachbehandlungen für Menschen aller Religionen und nicht gläubige Menschen, und es bietet kostenlose Behandlungen für Immigrierende und alle anderen Menschen an, die sich eine medizinische Behandlung oder psychologische Beratung nicht leisten können.
Während die Zahl der Corona-Fälle in Italien auch in der zweiten Märzwoche weiter gestiegen ist, hat der Verwaltungsrat die schwere Entscheidung getroffen, die meisten Leistungen des Krankenhauses vorübergehend auszusetzen. Ausschließlich intensivmedizinische Behandlung und Betreuung findet statt sowie Entbindungen So stehen Betten für Menschen zur Verfügung, die aufgrund von Symptomen im Zusammenhang mit dem Virus dringend behandlungsbedürftig sind.
Es fehlt an medizinischer Ausrüstung
Während die meisten Todesfälle bisher in Städten und Orten Norditaliens zu verzeichnen waren, nimmt die Zahl der Infektionen und Todesfälle nun auch in allen anderen Landesteilen zu – auch in der Küstenstadt Torre del Greco, dem Heimatort Vitiellos. Dort haben sich inzwischen 20 Menschen mit COVID-19 angesteckt und ein Mensch ist bereits gestorben. „Es ist alles wirklich sehr schwierig“, so Vitiello, „aber wir passen uns so gut es geht an und versuchen Möglichkeiten zu finden, mit dieser Krise umzugehen.“
Das medizinische Fachpersonal und die Verwaltungskräfte in dem Krankenhaus mit 158 Betten arbeiten an den Grenzen ihrer Kapazitäten, aber es fehlen bedenklich viele chirurgische Masken, Schutzkleidung und Handschuhe, um die steigende Zahl der Infizierten zu behandeln. Eine evangelische Kirche in China, wo die Zahl der Infizierten nun endlich zurückgeht, steht in Kontakt mit dem Krankenhaus und schickt bereits Nachschub; gleichzeitig wurden auch verschiedene Fabriken in Italien von ihrem normalen Fertigungsbetrieb umgestellt auf die Produktion von unentbehrlicher medizinischer Ausrüstung.
Solidarität und Kontakt zu anderen Menschen
Vitiello macht sich auch über die langfristigen Auswirkungen der Krise Gedanken, wie zum Beispiel die finanziellen Folgen, denn der normale Betrieb des Krankenhauses und alle Operationen wurden bis auf weiteres ausgesetzt. Sie und die anderen Mitglieder des Verwaltungsrates, dem sieben protestantischen Gemeinschaften in Italien angehören, sind zutiefst dankbar für die von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika zugesagte finanzielle Soforthilfe und auch für die versprochene Erhöhung der normalen Finanzhilfe, die das Krankenhaus von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und der Evangelischen Waldenserkirche in Italien regelmäßig erhält.
Den Anordnungen der italienischen Regierung entsprechend veranstalten die lutherischen Kirchen in Italien keine Gottesdienste oder sonstigen Versammlungen mehr und alle Mitglieder halten sich an die strikten Quarantänemaßnahmen, die in ganz Italien seit dem 9. März gelten. „Pfarrerinnen und Pfarrer und Seelsorgerinnen und Seelsorger verschicken in WhatsApp-Gruppen jeden Tag Texte für Gebete und virtuelle Andachten“, berichtet Vitiello, „und die Menschen tun ihr Bestes, um miteinander in Kontakt zu bleiben und sich gegenseitig zu unterstützen.“
Trotz der Unsicherheit sagt sie weiter, würden die Menschen in Italien Möglichkeiten und Wege finden, nicht zu verzagen. Zum Beispiel würden sie jeden Abend Konzerte organisieren, bei denen Menschen – natürlich unter Wahrung des gebotenen Abstands – auf die Balkone ihrer Wohnung kämen und für einander Lieder sängen oder Gedichte vortrügen. „Wenn die Krise einmal durchgestanden ist, wird sich ein neuer Lebenswandel zeigen“, ist sich Vitiello sicher. „Den Menschen wird klar, dass es im Leben so viel mehr gibt, als nur zu arbeiten. Sie entdecken wieder, wie wichtig Kultur, Gespräche und der Kontakt zwischen Menschen ist.“