Botschaft zu Karfreitag: Wenn Gott abwesend ist und schweigt

28 März 2024

Genau wie Jesu Schreie am Kreuz bekräftigten unsere Schreie nach göttlicher Intervention unser Vertrauen auf Gott in jeglicher Situation, sagt Pfarrerin Dr. Arnfríður Guðmundsdóttir, die LWB-Vizepräsidentin für die Region Nordische Länder. 

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Foto: Kelly Sikkema – Unsplash

Das Kreuz: Eine Erinnerung an die Verbindung zwischen Jesus und uns in unseren Momenten der Verzweiflung. Foto: Kelly Sikkema – Unsplash

LWB-Vizepräsidentin Arnfríður Guðmundsdóttir über die Zusicherung, dass Gott auch im Leid bei uns ist

(LWI) – Die Karwoche sei eine Zeit, um darüber nachzudenken, dass das „zutiefst menschliche Erleben von Verzweiflung und der Angst, in [einem] aussichtslosen Moment vollkommen allein gelassen zu sein“, eine Einladung ist, „unsere Hilflosigkeit zum Ausdruck [zu bringen] und die Notwendigkeit [einzugestehen], von Gott erlöst zu werden“. Diese Botschaft vermittelt die Vizepräsidentin des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfarrerin Dr. Arnfríður Guðmundsdóttir, anlässlich des diesjährigen Karfreitags und lädt gleichzeitig alle christlichen Gläubigen ein, ihr Vertrauen auf Gott zu bekräftigen.   

Guðmundsdóttir ist Pastorin der Evangelisch-Lutherischen Kirche Islands. Sie unterstreicht, dass Luther von einem „freundlichen Vater“ spreche, „der für uns sorgt, damit uns kein Leid widerfahren soll“, und betont, wie wichtig es sei, unserem Schmerz und unserer Verzweiflung Ausdruck zu verleihen, wenn wir erleben, dass Gott schweigt und abwesend ist, anstatt zu helfen und Trost zu spenden. 

Genau wie Jesus, der am Kreuz Zweifel an Gottes Gegenwart hatte und dennoch nach göttlicher Intervention schrie, „sollten [wir] keine Angst haben, unsere Stimme zu erheben, und sollten laut wehklagen, wenn wir uns von Gott verlassen fühlen“, schreibt sie. Wir „bekräftigen [...] gleichzeitig auch unser Vertrauen auf Gott, der in allen Lebenslagen für uns sorgt“, heißt es in der Botschaft abschließend. 

Wenn Gott abwesend ist und schweigt

Botschaft zu Karfreitag 2024  

Martin Luther beschreibt Gott in seinem Großen Katechismus als einen „freundlichen Vater, der für uns sorgt, dass uns kein Leid widerfahre“. Der Glaube, dass wir von einem gütigen Gott geschaffen wurden, der für uns sorgt, passt für uns, wenn alles gut läuft und wir uns tatsächlich geliebt und behütet fühlen. Wenn das aber einmal nicht der Fall ist, fangen wir an wir, unser Verständnis von Gott in Frage zu stellen. Wenn Leid und Elend unser Leben bestimmen, dann neigen wir dazu, an unserem Gottesbild zu zweifeln, und fragen – Wo ist mein Gott? Und wer ist mein Gott? 

Traumatische Erfahrungen, etwa aufgrund von Gewalt oder schweren Krankheiten, führen oftmals dazu, dass wir uns grundlegende Fragen zu unserem Glauben stellen, auch zu Gottes Liebe zu uns. Im Alten Testament und insbesondere in den Psalmen gibt es viele Klagegebete, in denen Einzelpersonen oder Gruppen ihrem Schmerz, ihrer Wut und ihrer Verlassenheit Ausdruck verleihen. Klagegebete sind zugleich Hilfeschreie und Glaubenszeugnis. Die Menschen oder Gruppen wenden sich an Gott, weil sie überzeugt sind, dass von ihm Hilfe kommen kann. Gleichzeitig beklagen sie jedoch Gottes Abwesenheit und Schweigen. Sie bitten um Hilfe und finden gleichzeitig Worte für das erfahrene Leid. 

Psalm 22 ist ein allgemein bekanntes Klagegebet, nicht zuletzt, weil es der sterbende Jesus im Matthäus- und Markusevangelium am Kreuz spricht. Am Anfang des Psalms klagt die sprechende Person Gott an, weit weg zu sein und weder Hilfe zu leisten noch den verzweifelten Schrei nach Hilfe und Einschreiten zu erhören.  

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? 
Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.
Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, 
und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.
(Psalm 22,2-3) 

Wenn wir Leid und Not erfahren und Gott schweigt und abwesend ist, statt zu helfen und Trost zu spenden, ist es wichtig, dass die betroffenen Menschen das Gefühl haben, ihren Schmerz und ihre Verzweiflung auch ausdrücken zu dürfen. Durch Klagen können sich Leidende für Gottes Hilfe öffnen und sich gleichzeitig eingestehen, dass man sich nicht selbst erlösen kann.  

In der Karwoche sind wir eingeladen, über die Leidensgeschichte Jesu und die Frage nachzudenken, welche Botschaft sie uns in der heutigen Zeit vermittelt. Die Tatsache, dass sich Jesus am Kreuz von Gott verlassen fühlte, ist Zeugnis für sein zutiefst menschliches Erleben von Verzweiflung und der Angst, in diesem aussichtslosen Moment vollkommen allein gelassen zu sein. Was wir von diesem Zeugnis lernen können, ist, dass sich Jesus in Zeiten großer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit wahrhaftig mit uns identifiziert. Wir brauchen also keine Angst haben, unsere Stimme zu erheben, und dürfen laut klagen, wenn wir uns von Gott verlassen fühlen. Damit zeigen wir unsere Hilflosigkeit und dass wir von Gott erlöst werden müssen, zeigen aber gleichzeitig auch unser Vertrauen auf Gott, der in allen Lebenslagen für uns sorgt.  

Von Pfarrerin Dr. Arnfríður Guðmundsdóttir, LWB-Vizepräsidentin für die Region Nordische Länder. Sie ist ordinierte Pastorin der Evangelisch-Lutherischen Kirche Islands und Theologieprofessorin an der Universität Island.


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