Afrika: Perspektiven für eine integrative und gerechte Kirche für alle Generationen

Wie können Mitgliedskirchen des LWB in der Region Afrika ihren Mitgliedern und der Gesellschaft am besten dienen, wie kann die Einheit untereinander gestärkt werden? Diese Fragen war ein zentrales Thema bei der ALCLC in Abuja, Nigeria. 

26 Sep 2024
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Austausch unter Teilnehmenden der ALCLC in Abuja, Nigeria. Foto: LWF/Albin Hillert

Austausch unter Teilnehmenden der ALCLC in Abuja, Nigeria. Foto: LWF/Albin Hillert

Theologische Ausbildungsstätten im Dienst der Einheit der Kirchen 

(LWI) – Lehrende aus drei Bildungseinrichtungen der LWB-Region Afrika hielten Vorträge auf der diesjährigen „Konsultation lutherischer Kirchenleitender in Afrika“ in Abuja, Nigeria. Ausgehend vom Leitwort der Tagung „So sind wir, die vielen, ein Leib“ (1. Kor. 10,17) befassten sie sich mit den theologischen, sozialen und kulturellen Aspekten der Stärkung von Kirchen in der Region. Pfr. Prof. Dr. Faustin Mahali von der Tumaini University Makumira (TUMA) in Tansania referierte über „Theologie, Gender und Ausbildung von Führungskräften in Afrika.” 

Dr. Ebissé Abdissa Gudeta ist die erste weibliche Studiendekanin am theologischen Seminar der Äthiopischen Evangelischen Kirche Mekane Yesus. Ihr Referat trug den Titel „Kirchenleitung im jeweiligen Kontext – im Einsatz für Gerechtigkeit und Einheit” 

Pfarrerin Dr. Adama Isa ist Dozentin am Lutherischen Bronnum-Seminar in Nigeria. Sie sprach zum Thema „Aufbau einer starken Gemeinschaft in der Kirche – Jugendliche, Männer und Frauen: Hoffnung auf Erneuerung des Glaubens in den Kirchen Afrikas“.

Frauen und Männer im gemeinsamen Dienst für die Kirche 

Da der Lehrgang zum Thema „Theology, Gender Justice and Leadership Education“ (TGLE, Theologie, Gendergerechtigkeit und Ausbildung von Führungskompetenzen) des LWB, der derzeit von der TUMA angeboten wird, nach Kamerun und ins frankophone Afrika verlegt werden soll, berichtete Faustin Mahali über seine Erfahrungen in Tansania, die er in den letzten Jahren sammeln konnte. 

„Bei der Förderung der theologischen Ausbildung für gendergerechte Führungsverantwortung in unseren Kirchen hat der Hélène-Ralivao-Fonds des LWB eine wichtige Rolle gespielt” so Mahali. „Für diesen Erfolg haben sich theologische Einrichtungen in verschiedenen afrikanischen Ländern bemüht, maßgeschneiderte theologische Lehrprogramme für die Teilnehmenden zu bereit zu stellen. Ihnen sollen praktisches Wissen und Fähigkeiten an die Hand gegeben werden, damit die theologischen Lehren hinterfragt werden, die Geschlechterungleichheiten im ordinierten Amt und in anderen Bereichen der Kirchenleitung noch stärken.” 

„Das durch die Taufe erworbene Priestertum sollte nicht auf die von der Kultur zugewiesenen Rollen beschränkt sein, sondern auf den Wunsch von Männern und Frauen, gemeinsam zu entscheiden und sich als Sachwalter Gottes gegenseitig zu ergänzen“, sagte Mahali. „Wenn wir als in Christus getaufte Männer und Frauen gemeinsam leben und entscheiden, können wir die Führungsverantwortung und das ordinierte Amt nicht allein den Männern überlassen.” 

Mahali sagte: „Lutherische Kirchen in Afrika stehen immer noch vor der dringenden Aufgabe, gegen die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen in Kirche und Gesellschaft zu kämpfen. Für Kirchen in Afrika sei es außerdem unerlässlich, mehr in die biblisch-theologische Auseinandersetzung mit dem Thema Geschlechtergerechtigkeit zu investieren.“ 

„Es wäre eine große Ehre für Pionierinnen wie Hélène Ralivao, wenn die Einstellung von theologischen Fachkräften eine Sache wäre, über die zwischen Bildungseinrichtungen und entsendenden Kirchen diskutiert wird“, sagte Mahali. So könnten mehr Frauen für eine theologische Ausbildung qualifiziert werden, die ja eine wichtige Voraussetzung für das ordinierte Amt und die Leitung in der Kirche ist.“ 

„Außerdem bedarf es gemeinsamer Anstrengungen, um die Ziele des Grundsatzpapiers zur Gendergerechtigkeit des LWB und der örtlichen Kirchen umzusetzen“, so Mahali, „wenn echte Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Dienst, zu dem Gott uns berufen hat, realisiert werden soll.“ 

Integrative, einfühlsame und gerechte Leitungsstrukturen in der Kirche 

Ebissé Gudeta betonte in ihrem Vortrag, wie wichtig „eine integrative, einfühlsame Führungsverantwortung ist, damit Gerechtigkeit und Einheit in der Kirche gesichert sind“. Aus persönlicher Erfahrung wisse sie, dass es bei Führungsverantwortung nicht darum gehe, eine Machtposition innezuhaben, sondern diese Macht als Instrument für Einheit und Gerechtigkeit zu nutzen.

Dabei nannte sie Beispiele für integrative Führungsmodelle aus dem afrikanischen Kontext.

Die Ubuntu-Führungsphilosophie sei „ein am Menschen orientierter Ansatz, bei dem Respekt und Würde über Alter, Geschlecht, Religion und Ethnizität gestellt werden“, so Gudeta. Von Führungskräften werde erwartet, dass sie sich um das Gemeinwohl kümmern. Entscheidungen würden gemeinsam getroffen, um Einheit und Gerechtigkeit zu gewährleisten. Diese Philosophie ermögliche es Männern, Frauen, Jugendlichen und Kindern, ihren Beitrag zur Verbesserung der Familie und der Kirche zu leisten.“ 

In vielen afrikanischen Gesellschaften ist der Palaverbaum ein wichtiger Treffpunkt zum Geschichtenerzählen, zur Problemlösung und für offene Kommunikation. Das Modell des Palaverbaumes betont „den offenen Dialog und Versöhnung bei der Entscheidungsfindung“ und stellt sicher, dass „alle Stimmen gehört werden“. Gemeinsame Mahlzeiten nach den Treffen sind „ein Zeichen der Gemeinschaft, bei der vor den Augen aller ein Bund der Liebe geschlossen und besiegelt wird."

Das vom Volk der Oromo in Äthiopien praktizierte Gada-System ist „eine demokratische Führungsstruktur“, erklärte Gudeta. Alle acht Jahre wird die Macht an eine neue, von der Versammlung gewählte Führungsperson übertragen, wodurch sozialer Zusammenhalt und Gerechtigkeit innerhalb der Gemeinschaft gewährleistet werden. „Es regelt politische, soziale und religiöse Aktivitäten und fördert den sozialen Zusammenhalt, die Konfliktlösung und den Schutz der Rechte von Frauen“, sagte sie. 

Aus biblischer Sicht sei „das Streben nach Gerechtigkeit ein zentraler Bestandteil von Gottes Berufung für Leitungsverantwortliche“, fuhr Gudeta fort, und die Einheit der Christen stelle einen weiteren Eckpfeiler der Leitungsverantwortung in der Kirche dar. Vor diesem Hintergrund sei es notwendig, dass Frauen durch Inklusivität, Gerechtigkeit und Gleichheit gerade im afrikanischen Kontext vermehrt in Führungspositionen gelangen, so Gudeta. So könne eine „afrikanische Theologie und eine afrikanische Kirche gebildet werden, bei der sowohl männliche als auch weibliche Stimmen vertreten sind.“ 

Starke Gemeinschaft in den Kirchen Afrikas aufbauen

Adama Isa erklärte in ihrem Vortrag, die Zukunft der afrikanischen Kirchen „hängt von ihrer Fähigkeit ab, die aktive Teilnahme zu fördern und so eine starke, integrative Gemeinschaft von Männern, Frauen und Jugendlichen zu schaffen“.

Gottesdienste und Leitungsverantwortung, die sich an den Bedürfnissen junger Menschen orientieren, seien für diese von entscheidender Bedeutung, so Isa. „Das schafft Eigenverantwortung und Engagement.“ Die Theologin ist überzeugt, dass durch die Präsenz der Kirchen auf digitalen Plattformen junge Menschen dort abgeholt werden können, wo sie stehen. Um den Problemen junger Menschen in Afrika, wie Arbeitslosigkeit und Armut, zu begegnen, müssten die Kirchen Programme zur Linderung dieser Risiken auflegen. 

Pfarrerin Isa forderte die Männer auf, Verantwortung für ihre Familien, die Kirche und die Gemeinden zu übernehmen. Eine intakte Familie trage zum Wohlergehen der Gesellschaft bei, sagte sie. Während Frauen und Jugendliche an vielen kirchlichen Aktivitäten Teil nähmen, seien Männer oft abwesend. Männer könnten jedoch eine wesentliche Rolle dabei spielen, „sich gegen Gewalt auszusprechen und sich für Gerechtigkeit im öffentlichen Raum einzusetzen“, vor allem wenn es um die Rechte von Frauen und Jugendlichen gehe, so Isa.

Ihrer Ansicht nach müssten Frauen stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden und ihre Führungsverantwortung gestärkt werden. Dies würde auch helfen, geschlechtsspezifische und andere Formen von Gewalt zu bekämpfen, wozu sich die Kirche lautstark äußern müsse. 

Für Isa sind das Miteinander der Generationen und der ganzheitliche Auftrag der Kirche eng miteinander verbunden und können eine dienstleistungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit fördern. „Der Platz der Menschen ist jedoch keineswegs nur in der Kirche“, so Isa. Dies könnte beispielsweise dadurch stärker zum Ausdruck kommen, dass Schulungen etwa in Haushaltsführung, Gesundheitsförderung oder auch Kulturarbeit angeboten werden. 

LWB/A. Weyermüller