16 Aktionstage: Aufruf zu „sofortigem Handeln“, um Überlebende zuzurüsten

Beim offiziellen Startschuss des LWB für die 16 Aktionstage für ein Ende von geschlechtsspezifischer Gewalt haben Frauenrechtlerinnen aus El Salvador und dem Irak zu „sofortigem Handeln“ aufgerufen, um den Wandel herbeizuführen, der notwendig ist, um sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt zu beenden.

26 Nov. 2024
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Teilnehmende der Veranstaltung des LWB und ÖRK in Genf zu den 16 Aktionstagen. Foto: LWB/P. Mumia

Teilnehmende der Veranstaltung des LWB und ÖRK in Genf zu den 16 Aktionstagen. Foto: LWB/P. Mumia

LWB und ÖRK geben Startschuss für alljährliche Kampagne zu Thema, von dem „jede dritte Frau betroffen“ ist 

(LWI) – Die Teilnehmenden an einer ökumenischen Podiumsdiskussion zum offiziellen Start der 16 Aktionstage für ein Ende von geschlechtsspezifischer Gewalt haben den wichtigen Beitrag unterstrichen, den die Kirchen leisten, um „notwendigen Wandel herbeizuführen“. Gleichzeitig haben sie zu größerer Solidarität mit den Überlebenden von geschlechtsspezifischer Gewalt und einem engagierteren Einsatz dafür aufgerufen, sie besser zuzurüsten für ihr Engagement für eine Veränderung dieses überall auf der Welt „tief verwurzelten“ Problems. 

Der Lutherische Weltbund (LWB) und der Ökumenische Rat der Kirchen haben die Veranstaltung im LWB-Büro der Kirchengemeinschaft in Genf gemeinsam organisiert und ausgerichtet. Zwei Aktivistinnen für Gendergerechtigkeit aus El Salvador und dem Irak haben dabei aufgezeigt, welche Wirkung ihr Engagement für die Rechte von Frauen und Kindern auf globaler Ebene bei den Vereinten Nationen (UN) für die Überlebenden auf lokaler Ebene konkret hat. Die diesjährige Kampagne für die 16 Aktionstage vom 25. November bis 10. Dezember stehen unter der Überschrift: „Auf dem Weg zum 30-jährigen Jubiläum der Pekinger Erklärung und Aktionsplattform: Vereint für ein Ende der Gewalt gegen Frauen“. 

Helan Muhammed, Programmkoordinatorin und Kontaktperson für Genderfragen beim LWB-Länderprogramm im Irak, sprach über die Resilienz von Frauen im Irak. „Allen Widrigkeiten zum Trotz wirken viele Frauen heute als Pädagoginnen, Aktivistinnen und Führungspersonen“, erklärte sie und bezeichnete den Mut dieser Frauen als treibende Kraft für ihr eigenes Engagement in der Advocacyarbeit. 

Zu den größten Problemen für Frauen, so Muhammed, zählten häusliche Gewalt, Ehrenmorde, Kinderehen und unzureichende rechtliche Absicherung. „Häusliche Gewalt ist nach wie vor allgegenwärtig und trotzdem werden Überlebende oftmals stigmatisiert und erfahren keinerlei Unterstützung, wenn sie Anzeige erstatteten“, erklärte sie. Muhammed berichtete von Frauen, die einst vom extremistischen IS gefangen gehalten und von ihren Kidnappern vergewaltigt und geschwängert wurden. Nach der Freilassung seien diese Frauen von ihren Familien, der Gesellschaft und den örtlichen Behörden verstoßen und ausgegrenzt worden, weil uneheliche Kinder im Irak gesellschaftlich nicht akzeptiert sind und als staatenlos betrachtet werden. „Diese Situation ist sehr schmerzlich. Der Mutter wird die Schuld dafür gegeben, dass sie schwanger wurde, der Ehemann und die Gesellschaft verstoßen sie und die Regierung erkennt die aus dieser Vergewaltigung hervorgegangenen Kinder nicht an, die damit nicht in die Schule gehen und kein normales Leben führen können.“ 

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Ms Helan Muhammestellt die Anliegen der Frauen in ihrem Land vor. Foto: LWB/A. Danielssond, Program Coordinator and Gender Focal Point for the LWF country program in Iraq

Helan Muhammed, Programmkoordinatorin und Kontaktperson für Genderfragen beim LWB-Länderprogramm im Irak, stellt die Anliegen der Frauen in ihrem Land vor. Foto: LWB/A. Danielsson

Effektive Strategie wie die Einbindung traditioneller Führungspersonen und Stammesführer, um in den Gemeinwesen Vertrauen zu schaffen, und die Förderung von Haushaltsökonomien durch Mikrofinanzierungsinitiativen haben einen Beitrag zur Resilienz der Gemeinwesen geleistet. „Wenn ich sehe, wir resilient die Pädagoginnen, Mütter und Menschenrechtsaktivistinnen im Irak sind, weiß ich, dass noch Hoffnung besteht“, fügte sie hinzu.

Muhammed lobte die vom LWB unterstützte Advocacyarbeit im UN-Menschenrechtsrat durch das alljährliche Allgemeine Periodische Überprüfungsverfahren, das zivilgesellschaftlichen Organisationen die Möglichkeit gibt, Kritik daran zu äußern, wie Regierungen mit Menschenrechtsverletzungen auf lokaler Ebene umgehen. 2023 hat sie an der Schulung für die Advocacyarbeit für die Menschenrechte von Frauen teilgenommen, die der LWB zusammen mit Partnerorganisationen regelmäßig zu verschiedenen Themen im Zusammenhang mit UN-Prozessen wie beispielsweise dem Allgemeinen Periodischen Überprüfungsverfahren in Genf ausrichtet. „Wir haben uns in vielen Dialogen engagiert und sehr viele Gespräche auf globaler Ebene geführt; nun ist es an der Zeit für konkretes Handeln, das das Leben der Überlebenden verändern wird“, betonte sie. 

Wir haben uns in vielen Dialogen engagiert und sehr viele Gespräche auf globaler Ebene geführt; nun ist es an der Zeit für konkretes Handeln, das das Leben der Überlebenden verändern wird.

Helan Muhammed, Programmkoordinatorin und Kontaktperson für Genderfragen beim LWB-Länderprogramm im Irak

Aufklärung von zentraler Bedeutung 

Pfarrerin Arisbe Abelina Gómez de Rauda, eine Pastorin und Aktivistin für Gendergerechtigkeit der Salvadorianischen Lutherischen Kirche, berichtete von besorgniserregenden Statistiken in Bezug auf die Prävalenzrate von Femiziden und frühen Schwangerschaften in ihrem Land, für das in diesem Jahr neben dem Irak ebenfalls ein Allgemeines Periodisches Überprüfungsverfahren im UN-Menschenrechtsrat durchgeführt wurde: „In El Salvador werden jeden Tag im Schnitt 28 Mädchen im Alter von 13 bis 18 Jahren schwanger und bei vielen von ihnen ist dies das Ergebnis sexueller Gewalt. Und von den 97.000 Fällen von Gewalt gegen Frauen, die in diesem Jahr angezeigt wurden, wurde nur 8.000 zur Rechenschaft gezogen“, berichtete sie mit Blick auf die große Diskrepanz zwischen Anzeige und tatsächlicher Strafverfolgung. 

Gómez kritisierte die Entfernung von umfassendem Sexualkundematerial aus den Schulbüchern durch das salvadorianische Bildungsministerium als großes Problem und bezeichnete es als eine Verletzung der Rechte von Kindern. Die lutherische Pastorin betonte, dass der Kirche für die Veränderung dieser Gegebenheiten und beim Engagement für Gerechtigkeit, die im Glauben verankert ist, eine zentrale Rolle zukomme. „Wir müssen mehr tun, weil die Prävalenzrate so sehr gestiegen ist... und diese Zahlen außerdem zeigen, dass viele Opfer von Gewalt lieber schweigen.“ 

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Sikhonzile Ndlovu, die leitende Referentin für Gendergerechtigkeit des LWB. Foto: LWB/A. Danielsson

Sikhonzile Ndlovu, die leitende Referentin für Gendergerechtigkeit des LWB. Foto: LWB/A. Danielsson

Gómez betonte, der primäre Fokus von christlichen Gläubigen sei das Evangelium von Christus und die prophetische Rolle der Kirche, „für Gerechtigkeit und die Rechte der Schwachen einzutreten und Frieden und Schutz für alle, die das brauchen, sicherzustellen“. Ihre Berufung, sagte sie, „ist es, den Kontakt mit den Überleben zu suchen“, um das kulturelle Erbe des Kolonialismus und die Stereotype zu bekämpfen, die geschlechtsspezifische Gewalt fortschreiben. „Die Kirche muss ein Leuchtfeuer der Unterstützung sein, aber das verlangt Vorbereitung, Aufklärung und konkrete Maßnahmen.“ 

Die Menschen hinter den Statistiken 

Die Zahlen und die Auseinandersetzung mit den wahren Lebensgeschichten, Tragödien und Leben, die für immer verändert wurden, wurden im Zusammenhang mit der Botschaft von LWB-Generalsekretärin Pfarrerin Dr. Anne Burghardt erörtert. Burghardt betonte in ihrer Videobotschaft, wie dringend notwendig es sei, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt als „Ausdruck von Sünde“ und eine der „am weitesten verbreiteten Formen von Menschenrechtsverletzungen“ in einem globalen Kontext, in dem „jede dritte Frau“ diese Form von Gewalt mindestens einmal in ihrem Leben erfahren wird, zu verurteilen. 

„Es geht nicht nur um die reinen Zahlen. Es geht um Menschenleben, weil viele dieser Frauen gestorben sind“, fügte Sikhonzile Ndlovu, die leitende Referentin für Gendergerechtigkeit des LWB, hinzu. Die 16 Aktionstage gegen geschlechtsspezifische Gewalt, erklärte sie, dienten als Plattform, um diese Geschichten ins Scheinwerferlicht zu rücken und für eine globale Zusammenarbeit im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt zu werben.  

Pfarrerin Nicqi Ashwood, ÖRK-Programmreferentin für Gerechte Gemeinschaften für Frauen und Männer, dankte den Teilnehmenden an der Podiumsdiskussion, dass sie ihre Geschichten erzählt und „uns alle eingeladen [haben], den Wandel zu verkörpern, den wir brauchen“. Eine stärkere Zusammenarbeit der Kirchen und anderen Akteure sei notwendig, sagte sie, auch wenn sich die Welt darauf vorbereite, das 30. Jubiläum der Vierten Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen in Peking 1995 zu feiern, aus der eine Aktionsplattform zu zwölf großen Problembereichen hervorgegangen ist, zu denen auch die Gewalt gegen Frauen und Mädchen zählte. „Weder die Überlebenden noch die Täter haben ein spezifisches Profil“, erklärte sie.  

Weitere Teilnehmende an der Podiumsdiskussion waren Andrea Rivera, Koordinatorin des Regionalprogramms des LWB-Weltdienstes in Mittelamerika, und Shireen Salih Hassan, Projektassistenz am Zentrum für Frieden und Konfliktlösung an der Universität Duhok, das einer der Partner des LWB für die humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit im Irak ist.

LWB/P. Mumia