„Zu grösserer Gemeinschaft finden“

17 Juli 2015
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Prof. Eva Maria Faber bei den Konsultationsgesprächen in Budapest. Foto: Zsuzsanna Horváth-Bolla

Prof. Eva Maria Faber bei den Konsultationsgesprächen in Budapest. Foto: Zsuzsanna Horváth-Bolla

Prof. Eva Maria Faber zum Lutherisch-römisch-katholischen Dialog

BUDAPEST, Ungarn/ GENEVA, 17. Juli 2015 (LWI) - Vom 15.-21. Juli tagt die internationale lutherisch-römisch-katholische Dialogkommission im ungarischen Budapest. Die Kommission setzt sich zusammen aus Mitgliedern des Lutherischen Weltbundes und des Päpstlichen Rats zu Förderung der Einheit der Christen. Das Thema der Konferenz, zu der 20 Theologinnen und Theologen zusammen gekommen sind, sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Taufverständnis.

Die Lutherische Welt- Information (LWI) sprach mit Eva-Maria Faber, katholische Professorin für Dogmatik und Fundamentaltheologie der Theologischen Hochschule Chur (Schweiz), über den Stand des Dialogs und das gemeinsame Reformationsgedenken 2017.

LWI: Was sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Schritte in den 50 Jahren des lutherisch-katholischen Dialogs?

Prof. Faber: Der wichtigste Schritt dürfte der erste gewesen sein, ohne den keine weiteren gefolgt wären: die Bereitschaft, einander zu begegnen, und den gemeinsamen Glauben zu entdecken. Dabei herrschte die Zuversicht, sehr bald auch im konkreten Leben der Kirchen zu grösserer Gemeinschaft zu finden – diese Hoffnungen haben sich zum Teil, aber nicht in allen Hinsichten erfüllt. Ein weiterer bemerkenswerter Schritt war 1983 das Dokument „Martin Luther – Zeuge Jesu Christi“ anlässlich des 500. Geburtstags von Martin Luther. In jüngerer Zeit sehe ich die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre als einen der wichtigsten Schritte, weil hier zum ersten Mal ein ökumenisches Dialogdokument offiziell rezipiert worden ist. Das heisst: die Kirchenleitungen haben erklärt, dass das Dokument den gemeinsamen Glauben authentisch zur Sprache bringt, so dass es künftig zu den Lehrdokumenten beider Kirchen gehört. Damit hat (wieder) eine gemeinsame Lehrtradition begonnen.

Wie hat die Publikation des Dokuments „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ zu diesem Dialog beigetragen?

Im Blick auf das Reformationsjubiläum 2017 wurde auf katholischer Seite manchmal gefragt, ob die katholische Seite hier etwas zu feiern hat. Können wir uns bei diesem Jubiläum überhaupt beteiligen? „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ dokumentiert eine gemeinsame Sicht gerade jener Gegebenheiten, welche zum schmerzvollen Zerbrechen der Kirche geführt haben. Dadurch ist eine gerechtere Wahrnehmung des damaligen Geschehens – einerseits in gegenseitiger Würdigung und andererseits in gemeinsamer Wahrnehmung von Missständen in der katholischen Kirche wie von dunklen Seiten reformatorischer Umbrüche – möglich geworden. Vor allem aber ist der Rückblick auf das 500-jährige Reformationsjubiläum geöffnet worden für den gleichzeitigen Blick auf den ökumenischen Weg, der inzwischen begonnen hat. Wenn man die Reformation und die (abwehrende) katholische Reaktion darauf erinnert, muss man heute auch auf die wachsende ökumenische Gemeinschaft sehen.

„Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ wurde bisher in sieben Sprachen übersetzt. Worauf führen Sie diese Popularität in den jeweiligen Kirchen zurück?

Während andere ökumenische Dokumente einer theologischen Agenda folgten, liegt hier ein Dokument vor, das sich auf einen bevorstehenden Anlass bezieht. Das erzeugt natürlich Aufmerksamkeit, vor allem, wenn es um einen Anlass geht, der ein derartiges Gewicht hat wie das Reformationsjubiläum. Förderlich für die Aufnahme, die das Dokument gefunden hat, waren sicherlich auch die konkreten Imperative am Ende des Dokumentes.

Wie werden die Herausforderungen auf der Gemeindeebene in den globalen kath.-luth. Dialog aufgenommen?

Es ist eine oft unterschwellig mitspielende Frage, wie mit der unübersehbaren Differenz zwischen der ökumenischen Praxis in den örtlichen Gemeinschaften und den offiziell geltenden ökumenischen Bestimmungen umzugehen ist. Eine theologische Dialogkommission hat jedoch eine gewisse Eigendynamik, in der sie theologischen Fragestellungen nachgeht. Dazu ist sie von den Kirchenleitungen beauftragt. Sie sollte aber im Blick behalten, dass dies manchmal sehr weit von den alltäglichen Vorgängen in der Kirche entfernt ist. Es bleibt die Hoffnung, dadurch Entwicklungen einleiten zu können, die sich dann auch auf die konkrete Gemeindeebene auswirken.

In welche Richtung wird sich der lutherisch-katholische Dialog in Zukunft entwickeln?

Es muss uns noch mehr bewusst werden, wie sehr die fortdauernde Kirchenspaltung einen grundlegenden und bestürzenden Defekt für jede unserer Kirchen bedeutet. Diese Einsicht müsste die Prioritätenlisten verändern. Schritte hin zu mehr konkreter Einheit, z.B. hin zu konkreter Eucharistiegemeinschaft, mögen fehlerhaft sein, solange wir noch nicht alle theologischen Fragen geklärt und die Differenzen aufgelöst haben. Aber das Verbleiben in der Trennung ist ebenfalls fehlerhaft und hat vielleicht gravierendere Auswirkungen.

Was bedeutet Ihnen das gemeinsame Reformationsgedenken 2017?

Ich verbinde damit die Hoffnung, dass die versöhnte Gemeinschaft zwischen verschiedenen Kirchen wachsen kann. Diese Hoffnung habe ich auch für 2019, wenn wir in Zürich das 500. Jubiläum der Reformation in der Schweiz feiern.

 

 

 

Cornelia Kästner