Von der Heiligkeit des Moments

29 Nov. 2018
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Dr. Nikola Schmutzler, pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Foto: LWB/A. Weyermüller

Dr. Nikola Schmutzler, pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Foto: LWB/A. Weyermüller

Interview mit Dr. Nikola Schmutzler, Pfarrerin der sächsischen Kirche

Wittenberg, Deutschland/Genf (LWI) – Dr. Nikola Schmutzler (41) verbindet akademisches Profil und Gemeindepfarramt mit großer Leidenschaft und viel Engagement. Die Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen nahm mit 20 weiteren Theologinnen und Theologen aus aller Welt vom 3. bis 17. November am 18. internationalen theologischen Seminar des LWB-Zentrums Wittenberg teil. Im Gespräch mit den Lutherischen Welt-Informationen berichtet sie über die theologische Aus- und Weiterbildung von Nicht-Theologinnen und -Theologen, lutherische Gottesdienste und den Wert von internationalen Begegnungen.

Neben dem Gemeindepfarramt sind Sie Dozentin im Rahmen des Studiengangs für Prädikantinnen und Prädikanten, das von vier Kirchen in Ostdeutschland gemeinsam angeboten wird. Bitte erzählen Sie uns etwas über dieses Modell theologischer Aus- und Weiterbildung.

Meine Kirche hat schon eine längere Tradition in der Aus- und Fortbildung von theologisch geschulten Menschen die bis 1922 zurückgeht. Aber 1960 wurde eine Akademie besonders für kirchlichen Fernunterricht gegründet. Das war eine Reaktion auf die repressive Kirchenpolitik der DDR, die Bildungsarbeit zurückdrängte und das Theologiestudium reglementierte. Dem Mangel an Theologiestudierenden und theologisch gebildeten Gemeindegliedern sollte etwas entgegengesetzt werden. Und noch heute ist das Ziel des Studiums am KFU die theologisch qualifizierte Ausbildung von Gemeindegliedern, die sie unter anderem zum ehrenamtlichen Dienst der Wortverkündigung befähigen soll.

In diesem – wie ich finde – anspruchsvollen Kurs erhalten die Teilnehmenden in fast drei Jahren eine umfassende theologische Grundausbildung. Der Kurs läuft nebenberuflich über Präsenzphasen, Selbststudium, Hausarbeiten und praktischen Übungen. Das erfordert eine hohe Verbindlichkeit von den Teilnehmenden. Da uns als Team von Dozentinnen und Dozenten diese Ausbildung wichtig ist, übernehmen die Vorlesungen unentgeltlich. Dieser Einsatz lohnt sich: in meinem Kirchenbezirk Auerbach sind neben 17 Pfarrerinnen und Pfarrern noch 11 Prädikantinnen und Prädikanten in der Wortverkündigung tätig – das ist eine enorme Hilfe.

Gottesdienste sind also sehr wichtig?

Auf jeden Fall. Und in der lutherischen Tradition legen wir zusätzlich zur Predigt großen Wert und viel Sorgfalt auf die Liturgie. Ich erlebe das besonders bei der Einsetzung der Sakramente, die auf die unmittelbare Anwesenheit Gottes verweisen. Ich spüre dann eine besondere Heiligkeit des Moments.

Lutherisch sein bedeutet aber auch, als mündige Christinnen und Christen in unseren Gemeinden und unserer Gesellschaft unterwegs zu sein. Vor dem Hintergrund starker evangelikal-traditionalistischer Strömungen in meiner Landeskirche hat dies besonderes Gewicht. In meinem Kirchenvorstand nehmen wir uns an Anfang jeder Sitzung eine Stunde Zeit zum Bibelgespräch und einem geistlichen Thema. Hier setzen wir uns fundiert und differenziert mit Bibel, Bekenntnis und theologischen Themen auseinander. Der Kirchenvorstand kann somit tatsächlich die geistliche Leitung der Gemeinde übernehmen. Für die anderen Leitungsaufgaben finden wir dann immer noch genügend Zeit, ohne dass sich unsere Sitzungen zeitlich ausdehnen.

Während des Seminars in Wittenberg haben Sie nun selbst eine besondere Zeit der theologischen Reflexion gehabt. Was nehmen Sie mit aus dieser Zeit?

Ich nehme mit, dass lutherische Theologie immer eine zugewandte Theologie ist. Es gilt in der Verkündigung Gottes: „Für dich!“. Das soll ich annehmen (oder wie es so schön heißt: im Glauben ergreifen) als „für mich!“.

Außerdem nehme ich die große Vielfalt lutherischer Kirchen und Gemeinden mit. Die Probleme, mit denen sich andere auseinandersetzen müssen, sind viel konkreter geworden als eine Meldung in den Nachrichten. Staunen kann ich, wenn ich an die Berichte denke, wie in einem afrikanischen Gottesdienst mit 1.500 Menschen Abendmahl gefeiert wird.

Es war schön zu erleben, dass Christinnen und Christen aus der ganzen Welt verbunden sind und eins werden können unter dem Wort und Sakrament Gottes.

 

 

LWF/OCS