Die Menschen im ukrainischen Charkiw und Itschnja haben mit den Auswirkungen des Krieges zu kämpfen. Dennoch bereiten sie sich unter herausfordernden Umständen auf Weihnachten vor.
Kerzen, Generatoren und eine Botschaft der Hoffnung
(LWI) – Die traditionellen Weihnachtsdekorationen in der lutherischen Kirche in Charkiw werden dieses Jahr bei Kerzenlicht angebracht. „Zehn Raketen auf die elektrische Infrastruktur in Charkiw an einem einzigen Tag“, bemerkte Bischof Pavlo Shvarts von der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine (DELKU) am 17. Dezember 2022 in den Sozialen Medien. „Dank unserer Elektriker und der Luftabwehr ging das Licht in unseren Häusern wieder an und auch die Heizung funktionierte wieder ein bisschen. Wir warten noch darauf, dass wir wieder Wasser haben.“ Zugleich dankte er der polnischen Diakonie von der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen (EAKP) für das Kerzengeschenk. „Sie gemahnen uns an die Hoffnung, die wir in diesem Winter in unseren Gott setzen“, schreibt er.
In der Ukraine ist das Geschenk des Lichts derzeit höchst willkommen. Egal, ob es sich dabei um reflektierende Armbänder für Kinder handelt, damit man sie im Dunkeln sieht, wenn die Straßenbeleuchtung zerstört ist, und die ebenfalls von den polnischen Lutheranerinnen und Lutheraner gespendet wurden. Oder um Kerzen – oder Generatoren und andere Gerätschaften für Heizungsstellen. Der kalte Winter bringt viele Entbehrungen mit sich, doch auch Zeichen von Solidarität und Fürsorge.
Das größte Geschenk: Wärme
„Dieses Weihnachten wird ganz anders sein als früher. Keine Geschenke, kein Weihnachtsbaum und keine Weihnachtsstimmung. Der Tag wird so ablaufen wie jeder andere“, sagt Sergei, der in einer Schule im ukrainischen Itschnja arbeitet, über das die Regierung der Ukraine im Juni wieder die Kontrolle erlangt hat.
Der Lutherische Weltbund (LWB) unterstützt Itschnja und andere Gemeinden beim Wiederaufbau der Infrastruktur. Bei einem Besuch Ende November bewerteten die Leiterin des LWB Ukraine-Teams, Kavita Shukla, und Koordinierungs- und Kommunikationsbeauftragter Bartosz Pachuta die Projekte. Sie trafen sich dazu mit den Einwohnerinnen und Einwohnern, um abzuklären, was diese in der kalten Jahreszeit brauchen. Der LWB wird die Gemeinden mit großen Generatoren unterstützten, damit diese ihre Wasserversorgungs- und Abwassersysteme während der Stromausfälle betreiben können.
„Alle sagen, der Krieg habe den Geist gedämpft, der eigentlich in der Weihnachtsfeierzeit herrschen sollte“, sagt Pachuta. Früher seien Freunde und Familie zu Sergei nach Hause gekommen und rund 20 Leute hätten sich um den Weihnachtstisch versammelt. Wie es zu dieser Zeit im Jahr üblich ist, hätte Sergei, wie so viele Christinnen und Christen auf der ganzen Welt, einen Weihnachtsbaum gekauft und das Weihnachtsessen geplant, mit dem das orthodoxe Weihnachtsfest im Januar gefeiert wird.
Dieses Jahr ist es anders: viele Freunde haben sich in anderen Ländern in Sicherheit gebracht, und Sergeis größte Sorge ist es, einen Generator für sein Heim zu finden. Die Preise haben sich verdreifacht, und er möchte eine Heizung haben, für den Fall, dass es wegen der häufigen Raketenangriffe auf die Kraftwerke keinen Strom gibt. Außerdem ist es kalt in Itschnja, und auch wenn es zurzeit nur wenig Schnee gibt, fallen die Temperaturen nachts auf zehn Grad unter Null.
Holz- und Lebensmittelvorräte werden angelegt
Am häufigsten drehen sich die Gedanken vieler Menschen in der Ukraine um Strom, Heizung und ein Dach über dem Kopf. Sergei schätzt sich glücklich, denn sein Haus ist intakt, und wenn es kein Gas mehr zum Heizen gibt, kann er zu seinen Eltern ziehen, die über einen Holzofen verfügen. Die Menschen horten Holz und Brot. Kinder erledigen ihre Hausaufgaben beim Schein von Kerosinlampen oder bei Kerzenlicht. Familien sind von den Stromausfällen am schwersten betroffen. Dennoch ist Lesia, eine Hausfrau aus Itschnja, dankbar für das, was sie hat: „So lange es meinen Kindern gut geht und sie sicher sind, geht es mir auch gut. Sie sind mein ein und alles.“
An andere denken
In fast jedem Gespräch, sagt Pachuta, erwähnten die Leute, dass sie sich keine Sorgen um sich selbst machten, sondern um andere Menschen. Die Leute sprachen von Ehemännern und Söhnen, die in den Konflikt hineingezogen wurden, von den Menschen in den unter Beschuss stehenden Städten, und von älteren und sozial schwachen Familienmitgliedern. „Trotz der Gesamtsituation versuchen sie, weiter positiv zu denken. Doch wenn man mal nachhakt, versteht man, wie schwer es für sie ist und wie erschöpft sie sind“, sagt er.
„Es gibt keine Weihnachtsstimmung, und es wird auch keine geben“, meint Oleg, ein weiterer Angestellter an der Schule in Itschnja. Dennoch will er sich Mühe geben und seiner Familie ein Fest bereiten. „Wir tun das für die Kinder“, sagt er. „Sie brauchen Weihnachten, um den Krieg für eine Weile zu vergessen.“
Bischof Shvarts erinnert uns an die Botschaft der Hoffnung zu Weihnachten, nicht nur für die Kinder. „All die verschiedenen Traditionen in der Vorweihnachtszeit verbreiten eine besondere Freude und geben einem das Gefühl, dass Weihnachten vor der Tür steht“, kommentierte er unter ein paar Bildern, auf denen Kinder beim Herstellen von Weihnachtskränzen zu sehen sind. „Doch einem gläubigen Menschen gibt es auch eine Gelegenheit, zu verstehen und vielleicht auch zu spüren, dass der Herr nahe ist. Trotz allem, was um uns herum passiert – Er ist nahe.“
„Unsere Weihnachtstraditionen, oder auch nur eine angezündete Kerze, erinnern uns an diese wichtige Wahrheit“, sagte er abschließend.