Theologische Bildung stärkt lutherische Identität

28 Jan. 2020
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Mitglieder der Beratungsgruppe im Gespräch: Diego Calquin Campos (Chile), Dr. Ulla Morre Bidstrup (Dänemark) und Pfr. Dr. Songram Basumatary (Indien). Foto LWB/S. Gallay

Mitglieder der Beratungsgruppe im Gespräch: Diego Calquin Campos (Chile), Dr. Ulla Morre Bidstrup (Dänemark) und Pfr. Dr. Songram Basumatary (Indien). Foto LWB/S. Gallay

Neues LWB-Netzwerk erleichtert gemeinsame Forschung und Reflexion

Genf (LWI) – Im Lutherischen Weltbund (LWB) steht ein neues Netzwerk für Theologische Aus- und Weiterbildung in den Startlöchern. Es soll einen Beitrag leisten zur Förderung theologischer Studienmöglichkeiten und der gemeinsamen Reflexion sowie zur Vertiefung des Selbstverständnisses des LWB als Gemeinschaft lutherischer Kirchen. Dem Netzwerk sollen Vertreterinnen und Vertreter von Mitgliedskirchen und Hochschulen aus allen sieben LWB-Regionen angehören.

Eine mit Lehrkräften, Theologinnen und Theologen aus den Mitgliedskirchen sowie Studierenden besetzte Beratungsgruppe hat das Netzwerk im Verlauf der vergangenen zwei Jahre konzipiert. Anlässlich ihrer Abschlusstagung, die Mitte Januar in Genf stattfand, sprach die Lutherische Welt-Information mit Mitgliedern der Gruppe.

Theologische Reflexion als Fundament

Dr. Ulla Morre Bidstrup von der Evangelisch-Lutherischen Volkskirche in Dänemark stellte fest, die direkten Zusammenhänge zwischen lutherischer Kirche und Bildungsreformen seien „nicht zufällig“, da die Reformation im 16. Jahrhundert von den Universitäten ausging. „Von den ersten Anfängen der lutherischen Kirche an geht es darum, dass es jeder Christin und jedem Christen möglich sein soll, die Bibel zu lesen und Christus in der Schrift zu begegnen.“ Es sei, so Bidstrup, sehr wichtig, dass die LWB-Kirchengemeinschaft ihre Arbeit auf das Fundament der theologischen Reflexion baue, „nicht um unserer selbst willen, sondern im Sinne unseres Zeugnisses und um zu gewährleisten, dass wir auch in Zukunft eine verlässliche Stimme erheben können“.

Die theologische Bildung habe Rückwirkungen auf die ganze Kirche, betonte Jubleth Aurey Mungure, Studentin an der Tumaini University Makumira, die in Trägerschaft der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania steht. „Sie stärkt die Kirche, denn sie hilft den Menschen, sich über ihre Identität klar zu werden. Das macht die Kirche lebendiger und hilft ihr, ihre Theologie an ihrem Kontext auszurichten, im Bewusstsein für die Bedürfnisse der Menschen in der jeweiligen konkreten Zeit.“

Selbstverständnis der lutherischen Kirchengemeinschaft

Das neue LWB-Netzwerk, für das die Beratungsgruppe auch eine Strategie konzipiert hat, soll feststellen, wo welche Ressourcen und welcher Bedarf vorhanden sind, den wechselseitigen Austausch fördern und Menschen zurüsten, im theologischen Bereich Leitungsverantwortung und Lehraufgaben zu übernehmen.

Pfr. Dr. Bruk Ayele Asale, Rektor des Theologischen Seminars Mekane Yesus (Äthiopien), unterstrich, dieser Austausch sei innerhalb einer von großer Vielfalt geprägten Gemeinschaft wie dem LWB unerlässlich und biete bedeutendes Potenzial. „Ohne dass dabei unsere kontextgebundene Identität geschwächt würde, ist es sehr wichtig, jene Elemente zu pflegen und zu stärken, die uns wirklich vereinen und uns die Identität vermitteln, dass wir als Lutheranerinnen und Lutheraner eine Einheit sind.“ Die gemeinsame Arbeit im Bereich der theologischen Ausbildung sorge für diese Verbundenheit, „und wir können so unser Zusammengehörigkeitsgefühl erhalten, ob uns das bewusst ist oder nicht.“

Die Gemeindeglieder erwarten „solide theologische Inhalte in Predigten und Bibelarbeiten“ sowie anderen Bereichen der kirchlichen Arbeit, führte Pfr. Dr. Songram Basumatary, Leiter der Abteilung für Theologie und Ethik am Gurukul Lutheran Theological College & Research Institute in Chennai (Indien), aus. Angesichts hunderter Anmeldungen, die jährlich in seiner und vielen anderen theologischen Bildungseinrichtungen Asiens eingehen, sollte der wachsende Bedarf an theologischer Bildung dazu ermutigen, „uns gemeinsam zu verbessern und unsere Kirchengemeinschaft zu stärken“, so Basumatary.

Pfarrerin Danielle Dokman, Evangelisch-Lutherische Kirche in Suriname, betonte: „Die theologische Bildung hilft uns verstehen, wer wir sind, und einen Blick dafür zu gewinnen, zu wem wir als Ebenbilder Gottes werden. Es ist wichtig für uns, dass wir zusammenarbeiten, damit wir uns selbst der Welt schenken können.“

Theologie bedeutet Gottesverehrung, geistliches Wachstum

Der Theologiestudent Diego Calquin Campos von der Lutherischen Kirche in Chile stellte fest, man solle die theologische Reflexion nicht danach bewerten, ob sie „für die Kirche nützlich“ sei, vielmehr müsse sie als „Form des Gottesdienstes, der das Herz berührt und andere Sichtweisen auf die Welt vermittelt,“ gewürdigt werden. Sie sollte „der Kirche kraftvoll Leben schenken“ und ihr dabei helfen, der Versuchung ungerechter Weltsichten zu widerstehen, denn „sobald die Kirche an diesen Punkt kommt, wird sie kontingent und verliert ihre Relevanz für die kommenden Generationen.“

Dr. Mary J. Streufert, Leiterin des Programms für Gender-Gerechtigkeit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika, nahm das geistliche Wachstum in den Blick: „Für mich ist theologisch arbeiten gleich beten“, stellte die Koordinatorin des nordamerikanischen LWB-Netzwerks „Frauen in Kirche und Gesellschaft“ fest. Die theologische Reflexion „erlaubt mir, ich selbst zu sein“.

Prof. Mika Vähäkangas lehrt Missionswissenschaft an der Universität Lund (Schweden). Der Finne betonte, „jede Christin und jeder Christ ist Theologin/Theologe, wenn er/sie in der Bibel liest, denn der Mensch möchte letztlich immer verstehen, was er glaubt.“ Die theologische Ausbildung biete eine breite Perspektive, die zu einer „kritischen und selbstkritischen Haltung“ verhelfe. Ohne diese Analyse und Auseinandersetzung „wird unsere jeweilige Theologie entweder sehr individualisiert oder beliebig“.

Berufung zum Dienst

Der Beratungsgruppe gehörten weiterhin Pfarrerin Dr. Friederike Nüssel von der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Heidelberg (Deutschland), Pfarrerin Dr. Ágnes Pángyánszky, Evangelisch-Lutherische Kirche in Ungarn, sowie Lea Schlenker, Evangelische Landeskirche in Württemberg (Deutschland), an, die an der Universität Tübingen studiert.

Pfr. Dr. Chad Rimmer, LWB-Programmreferent für Identität, Kirchengemeinschaft und Ausbildung, dankte der Beratungsgruppe für ihre Arbeit und stellte fest, die gemeinsamen theologischen Anstrengungen gehörten von Anfang an zu den Säulen des LWB. „Mit der Zeit, den personellen und finanziellen Ressourcen, die die lutherische Kirchengemeinschaft der Verwirklichung dieses weltweiten Netzwerks widmet, bekräftigt sie ihre Verpflichtung, langfristig den Zugang zu innovativer, Wandel bewirkender theologischer Ausbildung offenzuhalten.“

Das neue weltweite Netzwerk solle Lernenden einen Raum bieten, wo sie dazu zugerüstet werden, „ihre Berufung zum Dienst an der von Gott geliebten Welt zu verwirklichen“, so Rimmer weiter.

 

LWF/OCS