Im folgenden Interview schaut Bischof Ivan El’ko zurück auf seinen persönlichen Weg im Dienst der Kirche zu Sowjetzeiten und spricht über die Herausforderungen, mit denen christliche Gläubige in der Region heute konfrontiert sind.
Interview mit Ivan El’ko, Bischof der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der Slowakischen Republik
(LWI) – Als Sohn eines lutherischen Pastors, aufgewachsen in der Zeit des Kalten Krieges in der Tschechoslowakei, habe er sich „nicht vorstellen können, dass der Kommunismus eines Tages vorbei sein würde“, erzählt Ivan El’ko. Bis 1989 „war ich überzeugt, dass ich für meinen Glauben sterben würde“. Aber in dem befreiten Land stellte sich ihm plötzlich eine ganz andere Frage: „Wie kann ich für meinen Glauben leben?“
Nach 30 Jahren im Gemeindepfarrdienst, ist El’ko heute Generalbischof der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der Slowakischen Republik. Wenn er über aktuelle Herausforderungen für die Kirchenleitenden in der Region spricht, sagt er, dass die Menschen in der Zeit des Kommunismus mit der ganz klaren und einfachen Frage konfrontiert gewesen seien, ob sie glaubten, dass es einen Gott gebe, oder nicht.
Spiritualität sei heute hingegen „nicht mehr so schwarzweiß und es ist viel schwieriger, zu wissen, woran man sich orientieren soll. Es gibt inzwischen ein ganzes Spektrum und unsere pastorale Arbeit ist sehr viel komplexer geworden, weil wir versuchen, die Menschen in ihrer Gottesbeziehung zu stärken.“
Bitte erzählen Sie uns etwas über Ihre Kindheit und Ihre Entscheidung, in die Fußstapfen Ihres Vaters zu treten.
Obwohl mein Vater Pastor war, hatte ich eigentlich nie vor, ihm in das ordinierte Amt zu folgen. Offiziell war ich zwar Lutheraner und ich saß auch jeden Sonntag in der Kirche. Aber eigentlich interessierte mich das alles nicht und ich hatte auch nicht das Gefühl, dass es irgendeine Bedeutung für mein Leben hatte. Ich war kein wirklich gläubiger Christ und lebte ein sehr unbeschwertes Leben, bis ich eines Tages im Februar 1982 ganz plötzlich wusste, dass ich Theologie studieren und ebenfalls Pastor werden wollte.
Was hat diesen plötzlichen Sinneswandel herbeigeführt?
Mich hat niemand beeinflusst, und ich konnte auch mit niemandem über diese Gefühle sprechen. Mein Vater war ein sehr liebevoller Mensch, aber wir haben in der Familie nicht über persönliche Probleme gesprochen. Es gab keine Jugendgruppen oder andere kirchliche Aktivitäten, und mit meinen Freunden und Altersgenossen konnte ich auch nicht darüber sprechen, weil ich eigentlich nichts über den Glauben wusste oder ihn verstand. Manchmal fühle ich mich wie Bischof Ambrosius aus dem 4. Jahrhundert, der auserwählt wurde, die Leitung der Kirche in Mailand zu übernehmen, bevor er sich überhaupt taufen ließ.
Das klingt nach einer schwierigen Entscheidung, die Sie als junger Mann haben treffen müssen.
Ja, das war es, und in meinem eigenen pastoralen Engagement mit jungen Menschen ermutige ich sie deshalb immer, dankbar zu sein für die vielen Möglichkeiten, die sie heute haben, um sich zu treffen und auszutauschen. Gleichzeitig aber habe ich damals verstanden, was es heißt, wirklich allein zu sein; und meiner Meinung nach bedeutet das Wachsen im christlichen Glauben immer auch, ein Gleichgewicht zu finden von alleine sein und Teil einer Gemeinschaft sein.
Ich bin in einem kleinen Dorf rund 100 Kilometer von Bratislava entfernt aufgewachsen. Die erste Gelegenheit, mich mit anderen jungen christlichen Gläubigen zu treffen, ergab sich für mich erst, als zum Studium nach Bratislava ging. Das war ein wichtiger Moment geistlichen Auftankens für mich und ich habe mich in die Theologie verliebt – ein Gefühl, das mir bis heute erhalten geblieben ist.
War es schwierig, in der Zeit des Kommunismus und der atheistischen Diktatur Theologie zu studieren?
Aus geistlicher Perspektive sind der Kommunismus und ich schon immer Todfeinde gewesen. Die Ideologie hat mich zutiefst verstört – so ähnlich wie das jüdische Volk die Verehrung und Anbetung anderer Götzen verachtet hat. Es schmerzte mich, dass sie anstelle von Gott eine Pseudo-Religion verkaufte, und ich machte mir Sorgen über fehlende Freiheit und fehlende Menschenrechte.
Natürlich hatte die innere Auseinandersetzung mit diesem Konflikt Auswirkungen auf mein Privatleben und eine solch unglückliche Lebenssituation wünsche ich niemandem. Ich verliebte mich, wollte aufgrund der politischen Schwierigkeiten aber nicht heiraten. Zum Glück hat die Liebe gesiegt und wir haben 1987 dann doch geheiratet – im gleichen Jahr, in dem ich auch ordiniert wurden und meine Wehrpflicht ableisten musste.
Und dann brach das kommunistische Regime 1989 zusammen...
Ja, ich konnte es nicht glauben! Ich habe es im Radio gehört, und selbst heute noch frage ich mich manchmal, wie das so plötzlich passieren konnte. Ich war persönlich in einer tragikomischen Situation, weil ich aufgrund meiner plötzlichen Bekehrung irgendwie immer davon ausgegangen war, dass ich für meinen Glauben würde sterben müssen. Und dann wurde mir klar, dass ich einen radikalen Wandel vornehmen müsste und dass die eigentliche Frage war, wie ich in diesem neuen Zeitalter für meinen Glauben leben würde.
Sie sind in Ihren Heimatort zurückgekehrt und haben Ihre alte Gemeinde übernommen, richtig?
Ja. Schon kurz nachdem ich meinen Wehrdienst angetreten hatte, ist mein Vater ganz plötzlich verstorben. Ich erfuhr, dass seine Gemeinde nach mir gefragt hatte, obwohl sie noch zwei Jahre würden auf mich warten müssen. Denn ich musste ja noch meinen Pflichtwehrdienst ableisten.
Zehn Jahre habe in dem Ort meiner Kindheit, Krainé, gearbeitet, habe in meinem Elternhaus gelebt und zu meinen persönlichen Glaubenszweifeln geschwiegen. Meine Frau weiß, wie wichtig es ist, unseren Kindern von unserem persönlichen Glauben zu erzählen. Sie sind heute 29 und 31 Jahre alt, und ich kann guten Gewissens sagen, dass sie sich aktiv in ihrem christlichen Glauben engagieren – und das bereitet mir die größte Freude meines Lebens.
Später wurde ich zum Pastor der Gemeinde in Nitra berufen, einer Stadt, in der damals gerade die erste lutherische Kirche gebaut wurde. Dort blieb ich 20 Jahre – ebenfalls eine großartige und freudvolle Erfahrung.
Ich habe immer geglaubt, ich würde im Gemeindedienst bleiben, und meine Frau und ich würden das Los einer Ortsgemeinde teilen. Als ich im Dezember 2018 zum Bischof gewählt wurde, hat sich unser Leben komplett verändert; aber wir haben uns dieser neuen Aufgabe und Berufung gestellt und meine Frau arbeitet nun ehrenamtlich im Seelsorgezentrum der Universität.
Was sind die größten Herausforderungen, mit denen die Kirche in Ihrer Region konfrontiert ist?
Es gibt viele Herausforderungen. Aber die wichtigste Aufgabe ist, die Menschen in ihrem Verhältnis zu Gott zu begleiten und zu unterstützen, ihnen zu helfen, sich bewusst zu werden, dass uns die Gnade Gottes in unserem Leben wirklich befreit. In der Zeit des Kommunismus schien es viel einfacher, sich im Leben zu orientieren – es gab einfach schwarz oder weiß, gut oder böse, Christ oder Atheist. Aber heute gibt es ein ganzes Spektrum und tausende Möglichkeiten, den christlichen Glauben zu leben, tausende Möglichkeiten, das eigene Leben zu verstehen und zu leben, daher ist der pastorale Aspekt unserer Arbeit sehr viel komplizierter.
Was bedeutet es für Ihre Kirche Mitglied im Lutherischen Weltbund zu sein?
Die slowakische Kirche ist ein Gründungsmitglied des LWB. Seit 70 Jahren haben sich die Mitglieder unserer Kirche immer auch für die weltweite Kirchengemeinschaft eingesetzt. Unsere Mitgliedschaft im LWB war nie nur eine Formalität; wir haben immer versucht, uns aktiv in die verschiedenen Strukturen, die Leitung und die verschiedenen Kommissionen des LWB einzubringen und unseren Beitrag zu leisten – und wir hoffen, dass das auch weiterhin so sein wird.