„Als Kirche dürfen wir nicht schweigen“
Asunción (Paraguay) (LWI) – In Paraguay sind neue Maßnahmen in Kraft getreten, mit denen die Gewalt gegen Frauen und Mädchen eingedämmt werden soll. Die Evangelische Kirche am La Plata (IERP) hat diesen Schritt begrüßt und für die Umsetzung ihre Unterstützung in Aussicht gestellt.
Das neue Gesetz soll Frauen umfassend vor sämtlichen Formen von Gewalt schützen. Das Strafmaß für die Ermordung einer Frau oder eines Mädchen, die mit dem Fachbegriff Femizid bezeichnet wird, wurde auf 10 bis 30 Jahre Haft heraufgesetzt.
Bei einer Überprüfung der Situation der Frauen in Paraguay durch die Vereinten Nationen hatte die Frauenministerin des Landes im vergangenen Oktober erklärt, die Bedeutung des Gesetzes liege weniger in der Bestrafung der Täter als in dem Schutz, den es dem weiblichen Opfer und ihren Kindern biete.
Ana María Baiardi erklärte im Rahmen der Anhörung, das Gesetz 5777/16 schreibe unter anderem vor, dass in jedem der 17 paraguayischen Departamentos ein Frauenhaus eingerichtet werden müsse. Aktuell gibt es im ganzen Land nur zwei. Weiterhin nehme das Gesetz die Behörden verstärkt in die Pflicht, was die Aufmerksamkeit und Unterstützung für Frauen angehe, die Opfer von Gewalt geworden seien. Es sehe Sanktionen für staatliche Mitarbeitende vor, die Strafanzeigen nicht sachgerecht bearbeiteten. Das Gesetz wurde Ende 2016 verabschiedet und trat ein Jahr später in Kraft.
Eindämmung geschlechtsspezifischer Gewalt
Mit diesem Schritt wird eine erhebliche Gesetzeslücke geschlossen. Die Zahl der zur Anzeige gebrachten Femizide in Paraguay lag im vergangenen Jahr bei 49 und hatte sich damit im Vergleich zu 2015 nahezu verdoppelt. Ebenfalls 2017 wurden fast 13.500 Fälle von häuslicher Gewalt angezeigt.
Pfarrerin Mariela Bohl von der Kirchengemeinde im Distrikt Santa Rosa del Monday begrüßt das neue Gesetz: „Die Frauen, Mädchen, Jugendlichen hier sind Übergriffen ausgesetzt, und wir müssen dringend Bewusstseinsbildung betreiben im Blick auf die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Achtung der Würde von Frauen wie Männern. Als Kirche dürfen wir nicht schweigen. Wir können Gewalt anprangern und sie durch Bewusstseinsbildung bekämpfen. Deswegen bin ich der Überzeugung, dass dieses Gesetz bekannt gemacht werden muss, damit es als Instrument zur Eindämmung geschlechtsspezifischer Gewalt wirken kann.“
Gewalt gegen Frauen „etwas ganz Normales“
Pfarrer Christian Stephan, der seit vielen Jahren in verschiedenen Gemeinden der IERP in Paraguay tätig ist, erklärt, oft fange die Gewalt scheinbar harmlos an.
„Das große Problem mit der Gewalt gegen Frauen in Paraguay ist, dass sie als etwas ganz Normales erscheint. Zunächst zeigt sie sich in der Sprache, konkretisiert sich in den Rollenzuweisungen und dem alltäglichen Umgang und kommt dann leider zum Ausdruck in verschiedenen Formen von Gewalt, die noch nicht einmal als solche wahrgenommen werden.“
Das Gesetz behandelt Gewalt gegen Schwangere und Gebärende sowie Beschimpfungen von Frauen und Mädchen im Internet. Neben dem Zugang zu Frauenhäusern werden auch die Kostenfreiheit juristischer Unterstützung und die Bereitstellung von Beratungsmöglichkeiten für weibliche Opfer von Gewalt festgeschrieben. Das Gesetz sieht ein einheitliches System zur Erfassung von Daten zur geschlechtsspezifischen Gewalt vor.
Gloria Zapattini, selbst Überlebende von Gewalt und Mitglied der paraguayischen Frauenorganisation „Yo te creo“ (Ich glaube dir), die an der Formulierung der Gesetzesvorlage mitgearbeitet hat, stellt fest, Gewalt werde im ganz alltäglichen Umgang sichtbar, wenn etwa ein Mann einer Frau vorschreibe, was sie anziehen, mit wem sie sprechen oder ob sie die Nachrichten auf ihrem Mobiltelefon checken dürfe.
„Wir meinen, er macht das, weil er dich liebt, aber es ist Gewalt. Ich habe gelernt, diese Zeichen psychischer und ökonomischer Gewalt zu erkennen und habe mein Leben selbst in die Hand genommen.“
Die Regierung ist zuversichtlich, dass das Gesetz die Gewalt gegen Frauen reduzieren wird. Zusätzlich ist angedacht, Strategien zu entwickeln, wie solche Gewalt in den nächsten Generationen ganz überwunden werden kann.
Die Evangelische Kirche am La Plata, die Gemeinden in Uruguay, Paraguay und Argentinien betreut, gehört seit 1991 dem Lutherischen Weltbund (LWB) an.
Ein Beitrag des Kommunikationsnetzwerks Lateinamerika und Karibik, übersetzt und bearbeitet durch das LWB-Kommunikationsbüro.