Ordination von Frauen in Polen: „Die Kirche ist auf dem richtigen Weg”

15 Apr. 2016
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Auf der Synode der polnischen lutherischen Kirche vom 1. bis 3. April haben sich zahlreiche Theologinnen und Theologen sowie Gemeindemitglieder aktiv an der Diskussion über die Ordination von Frauen für den Pfarrdienst beteiligt und sich dafür eingesetzt. Foto: Beata Michalek

Auf der Synode der polnischen lutherischen Kirche vom 1. bis 3. April haben sich zahlreiche Theologinnen und Theologen sowie Gemeindemitglieder aktiv an der Diskussion über die Ordination von Frauen für den Pfarrdienst beteiligt und sich dafür eingesetzt. Foto: Beata Michalek

Fürsprache für eine Kirche mit Frauen in ordinierten Ämtern

Warschau, Polen/Genf, 6. April 2016 (LWI) – Auf der letzten Synode der polnischen lutherischen Kirche hat die Mehrheit für die Ordination weiblicher Amtsträger gestimmt, die damit seelsorgerisch tätig werden können. Allerdings konnte nicht die Zweidrittelmehrheit erreicht werden, die zur Änderung der Geschäftsordnung der Kirche erforderlich ist. Nach Aussage des vorsitzenden Bischofs Jerzy Samiec bedeute dies aber nicht, dass die Kirche von ihrer grundsätzlichen Bereitschaft Abstand nehme, ordinierte Ämter für Frauen zu öffnen.

„Frauen sind schon zu Diakoninnen ordiniert worden, und an dieser Situation hat sich auch nach dem Beschluss der Synode nichts geändert“, sagte Samiec, leitender Bischof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen. Eine geheime Abstimmung über den auf der Kirchensynode vom 1. bis 3. April vorgelegten Antrag, auch Frauen zur Ordination zuzulassen, ergab eine einfache Mehrheit von 38 Stimmen bei 26 Gegenstimmen und 4 Enthaltungen. Damit wurde knapp die in der Kirchensatzung festgelegte Zweidrittelmehrheit verfehlt, die zur Änderung der Geschäftsordnung und zur Ordination von Frauen zu Pfarrerinnen  erforderlich ist.

In einem Gespräch mit der Lutherischen Weltinformation nach der letzten Tagung vom 1. bis 3. April stellte der Bischof fest, dass diejenigen, die eine Ordination von Frauen ablehnen oder befürworten, besonders seit der Synode 2014 Konsens in vielen vormals divergierenden Standpunkten gefunden hätten. Er sei hoffnungsvoll, dass die Entschliessung früher oder später verabschiedet werde, „Die Kirche ist auf dem richtigen Weg, alles hat seinen Ort und seine Zeit. Diese Zeit ist wahrscheinlich noch nicht gekommen. Ich bin traurig, aber ich bin auch voller Zuversicht, dass dieser Tag kommen wird – vielleicht früher, als wir denken.”

Frauen sind schon zu Diakoninnen ordiniert worden, und an dieser Situation hat sich auch nach dem Beschluss der Synode nichts geändert“. Vorsitzender Bischof Jerzy Samiec, Polen

Eine Presseerklärung nach der Abstimmung wies darauf hin, dass die Diskussionen über die Ordination von Frauen in der polnischen lutherischen Kirche bereits seit mehr als 70 Jahren geführt werden. Seit 1963 können graduierte Theologinnen in der Lehre tätig sein, Gottesdienste halten und in Gemeinden seelsorgerische Dienste leisten. Ein Beschluss aus dem Jahre 1999, Frauen zu Diakoninnen zu ordinieren, eröffnete Frauen die Möglichkeit, auch Diakoniedienste auszuüben, Taufen vorzunehmen sowie Aufgaben bei Trauungen und Beerdigungen zu übernehmen. Allerdings können sie nicht zu Pfarrerinnen ordiniert werden,  was in der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen bedeutet, dass sie keine Gemeinden leiten oder die Heilige Kommunion austeilen dürfen.  

Bedenkenswerte Argumente

Nach Auffassung von Samiec bedeutet die Tatsache der Teilnahme aller Synodenmitglieder an der jüngsten Abstimmung, die zum ersten Mal die mehrheitliche Befürwortung der Ordination von Frauen für den Pfarrdienst belegt hat, dass „die meisten Mitglieder der Synode die Notwendigkeit dieser Ordination erkennen“ Er bedankte sich bei den Gegnern des Antrags für ihre sorgsam überlegten Argumente, die den Rahmen für weitere Diskussionen vorgegeben hätten. Die Synode besteht aus 40 Laienmitgliedern und 28 ordinierten Mitgliedern, davon 14 Frauen.

Samiec wies besonders darauf hin, dass die polnische lutherische Kirche ein geistliches Amt in dreifacher Gestalt - Dekan, Pfarrer und Bischof -  anerkennt und dafür einzelne Personen bestimmt. Zwar besteht keinerlei Zweifel an der Gleichstellung von Männern und Frauen und an dem wertvollen Beitrag, den Frauen für die Kirchen leisten. Es gibt aber auch die andere Meinung, dass nur Männer eine Gemeinde leiten sollten. Diese traditionelle Aufteilung der Geschlechterrollen „wird in hohem Masse durch die Tatsache bestimmt, dass wir in einem vorwiegend katholischen Land leben“, fügte Samiec hinzu.

Nicht allein

Agnieszka Godfrejów Tarnogórska, die regionale Koordinatorin des Netzwerks Frauen in Kirche und Gesellschaft in Mittel- und Osteuropa des Lutherischen Weltbundes (LWB), sagte, das Abstimmungsergebnis der Synode sei trotz des Ergebnisses wichtig. „Zum ersten Mal haben polnische Theologinnen festgestellt, dass sie nicht auf sich allein gestellt sind, denn die Mehrheit der Synode hat für die Ordination von Frauen gestimmt.“  

Viele Theologinnen und Theologen einschliesslich der Bischöfinnen und Bischöfe und der Gemeindemitglieder hätten sich aktiv an der Diskussion beteiligt und die Ordination von Frauen unterstützt, stellte sie fest. Allerdings hätten auch nicht alle, die dieser Forderung nichts abgewinnen können, ihre Zweifel offen vorgetragen, „aber ihre Gefühle und starken Bedenken entsprechend ihrem Kirchenverständnis müssen auch anerkannt werden.“

In der Pressemitteilung heisst es, dass das Leitungsgremium das Thema nicht erneut auf der zweiten Tagung im Oktober zur Sprache bringen wird.

Manchmal verwundet, aber immer noch an Jesus Christus gebunden

Während der Abendandacht am Tag der Abstimmung war das Lied „Bind uns zusammen, Herr“ zu hören. Die Lobpreisleiterin Diakonin Ewa Below erklärte, dass „das Abstimmungsergebnis die Tatsache nicht ändern kann, dass Gott meinen Dienst anerkannt hat.“

In Betrachtung der wichtigen Rolle von Frauen in der Bibel und vor dem Hintergrund des Bildes der Synodenmitglieder, die zusammen einen Kreis bilden und gemeinsam singen ungeachet ihrer unterschiedlichen Auffassungen sagte sie: „Dadurch habe ich verstanden, dass wir als Kirche auf dem richtigen Weg sind und dass es bei der Frage der Ordination von Frauen nicht um Sieg oder Niederlage geht. Alles hat seine Bedeutung und seine Zeit. Die Kirche ist eine Gemeinschaft voller Hoffnung, manchmal auch verwundet, aber immer noch von Gott an Jesus Christus gebunden.“

Die Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen hat 70 000 Mitglieder und ist seit 1947 Mitglied des LWB. Ihre sechs Diözesen, jede unter Leitung eines Bischofs, bestehen aus 133 Gemeinden, in denen 154 Pfarrer und 11 Diakoninnen dienen.

 

LWF/OCS