„Not hat keine Nationalität“

04 Nov. 2019
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Flüchtlinge und Migranten, die das Mittelmeer überqueren, tun dies oft in kleinen Booten, die sie einem hohen Risiko aussetzen, auf in Seenot zu geraten. Foto: IOCC/Apostoli/ACT

Flüchtlinge und Migranten, die das Mittelmeer überqueren, tun dies oft in kleinen Booten, die sie einem hohen Risiko aussetzen, auf in Seenot zu geraten. Foto: IOCC/Apostoli/ACT

Evangelische Kirche in Deutschland will Rettungsschiff ins Mittelmeer schicken 

München, Deutschland/Genf (LWI) – Egal aus welchen Gründen Menschen in Lebensgefahr sind, bestehe die Pflicht zu helfen, ist Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) überzeugt: "Not hat keine Nationalität." 

Die EKD will gemeinsam mit anderen Organisationen und in einem breiten gesellschaftlichen Bündnis ein Schiff zur Rettung von Menschen aus Seenot ins Mittelmeer schicken. Dass dort weiterhin Menschen ertrinken, sei etwas, das man nicht hinnehmen könne, so Bedford-Strohm. „Als Kirche und Diakonie sehen wir das Retten von Menschenleben als selbstverständliche Pflicht an. Es ist ein Gebot christlicher Nächstenliebe, Menschen, die aus ihren Heimatländern vor Krieg und Elend fliehen, nicht ihrem Elend zu überlassen.“ 

Er kündigte an, dass ein Verein gegründet werden und Geld gesammelt werden soll, mit dem ein weiteres Schiff für die zivilen Seenotretter gekauft werden kann. Diese Idee wird seit dem Deutschen Evangelischen Kirchentag im Juni in Dortmund diskutiert. 

Eine Resolution der dortigen Teilnehmenden hatte die EKD aufgefordert, mit der aktiven Unterstützung der zivilen Seenotretter ein Zeichen zu setzen. "Die Sammlung für ein zusätzliches Schiff soll ein klares Zeichen der Unterstützung für die zivile Seenotrettung sein", sagte Bedford-Strohm nun. Den Beschluss für die Gründung eines Vereins, der dieses Anliegen voranbringt, fasste der Rat der EKD am 6. September. In dem Gremium habe es eine große Einigkeit zu der Frage gegeben, sagte er. Seitdem haben sich die Pläne weiter konkretisiert: das spendenfinanzierte Schiff soll der Seenotrettungsorganisation Sea-Watch https://sea-watch.org/ zur Verfügung gestellt werden. 

Diakonisches Handeln ist international 

Die Hilfe für Menschen in Lebensgefahr im Mittelmeer sei ein Baustein in einer Gesamtstrategie diakonischen Handelns der Kirche, die mit der Bekämpfung der Fluchtursachen beginne, erläutert Bedford-Strohm. „In unserem internationalen Kirchengemeinschaft begleiten wir Menschen, die sich auf den Weg nach Europa machen wollen, schon in ihrem Ursprungsland.“ 

In dem Programm „Symbols of Hope” (Symbole der der Hoffnung) des LWB würden beispielsweise Menschen in Nigeria von Rückkehrern vor dem lebensgefährlichen Weg durch die Wüste gewarnt und hörten von den Zuständen in libyschen Lagern wo Zwangsprostitution und Sklavenarbeit an der Tagesordnung sind. Darüber hinaus zeige „Symbols of Hope“ auch „Perspektiven im eigenen Land auf, die Menschen zum Bleiben bringen können.“ Wer sich dennoch auf den Weg mache und in Seenot gerate, könne nicht dem Schicksal überlassen werden. „Dazu sind die zivilen Seenotretter mit ihren Schiffen unterwegs“, so der Landesbischof. 

Vorbereitungen und Werbung um Unterstützung 

Das Rettungsschiff aus Deutschland soll so bald als möglich in den Einsatz kommen. Ein genaues Datum lässt sich zwar noch nicht nennen, doch die EKD hofft, dass das Schiff bereits im kommenden Frühjahr bereitliegt. Zahlreiche Schritte sind im Vorfeld nötig: Das nötige Geld – schätzungsweise ein hoher sechsstelliger bis niedriger siebenstelliger Betrag – muss aus Spendenmitteln aufgebracht werden, ein geeignetes Schiff muss zum Kauf angeboten werden, das Schiff muss für Rettungseinsätze umgebaut und ausgestattet werden – und in einem letzten Schritt in das Mittelmeer überführt werden. 

Kritikern, die der Auffassung sind, die evangelische Kirche handele damit nicht verantwortlich, sondern "gesinnungsethisch", hielt der bayerische Landesbischof entgegen: "Barmherzigkeit und Verantwortung können nicht gegeneinander ausgespielt werden." Er betonte aber, die Kirche sei in dieser Situation kein politischer, sondern ein "diakonischer Akteur". 

Der LWB blickt auf eine lange Tradition der Hilfe für Flüchtlinge, Vertriebene und Migranten zurück. Aktuell werden über verschiedene Programme und in Zusammenarbeit mit Organisationen wie dem UNHCR 2,7 Millionen Menschen unterstützt. Auf der Zwölften LWB-Vollversammlung 2017 in Namibia wurde dies Engagement durch eine Resolution bekräftigt. Darin heißt es unter anderem: „Die Vollversammlung ruft die LWB-Mitgliedskirchen dazu auf, sich weiterhin dafür einzusetzen, dass Flüchtlinge in ihren jeweiligen Ländern willkommen geheißen werden, und Druck auf ihre Regierungen, insbesondere die USA und die europäischen Länder, auszuüben, damit diese nicht Mauern, sondern ‚Brücken bauen‘.“

LWF/OCS