„Ich habe gelernt, die Stimme gegen Diskriminierung zu erheben“
(LWI) – Menschen mit Behinderungen sind in Nepal mit enormen Herausforderungen konfrontiert – von für sie nicht zugänglicher Infrastruktur bis hin zu gesellschaftlicher Stigmatisierung. Das Programm des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Nepal hat jüngst ein Projekt abgeschlossen, dessen Ziel es war, die Lebensqualität für die Dalit und indigenen Bevölkerungsgruppen zu verbessern, die marginalisiert werden, und Menschen mit Behinderungen zu mehr Selbstbestimmung zuzurüsten.
Schwierigkeiten überwinden
Mahadev Dhamala, der Vorsitzende des kommunalen Netzwerks von und für Menschen mit Behinderungen in Rajapur, hat in dem Projekt mitgewirkt und eine wichtige Rolle in seinen Bemühungen gespielt. Er hat ein Förderzentrum für Menschen mit Behinderungen gegründet und sich für Inklusion und mehr Barrierefreiheit stark gemacht.
Dhamala kennt die Herausforderungen aus erster Hand, mit denen Menschen mit Behinderung in Nepal konfrontiert sind. 1991 erkrankte er an Polio, wodurch seine beiden Beine gelähmt wurden. Kurze Zeit später starb sein Vater, der allein den Lebensunterhalt der Familie verdient hatte, und seine Mutter ging weg. Dhamala wurde von Verwandten großgezogen. Er kämpfte um Zugang zu Bildung, obwohl es in Nepal keine barrierefreien Schulen gab. „Ich habe mich lange mit meinen Büchern im Schlepptau über die Schotterstraßen in die Schule geschleppt“, erinnert er sich.
Ein Dreirad ermöglichte ihm irgendwann mehr Mobilität, aber nach dem Abschluss der Sekundarstufe erfuhr er immer mehr Diskriminierung. „Die Menschen in meinem Umfeld machten sich über mich lustig, beschimpften mich und begegneten mir mit wenig Respekt“, berichtet er.
Anhaltende Probleme
Dhamala ist nur einer von vielen. In den 1990er Jahren war Polio in Nepal sehr verbreitet und hat bei vielen Kindern zu dauerhaften körperlichen Einschränkungen geführt. Neben fehlenden Rehabilitationsmöglichkeiten und einer passenden Infrastruktur werden die Betroffenen zudem oftmals auch stigmatisiert. „Menschen mit Behinderungen werden in Nepal oftmals von der Teilhabe an Bildung und Jobs und der Teilhabe am öffentlichen Leben ausgegrenzt“, erklärt Dipendra Lamsal, der Kommunikationsverantwortliche von LWB-Nepal. „Weder der öffentliche Raum noch der öffentliche Nahverkehr noch die Schulen sind in der Regel barrierefrei, und die Gesetze, die Menschen mit Behinderungen schützen sollen, werden unzureichend umgesetzt.“
Ich habe gelernt, meine Stimme gegen Diskriminierung zu erheben.
Mahadev Dhamala, Vorsitzender des kommunalen Behindertennetzwerks in Rajapur
LWB-Nepal arbeitet seit Langem mit marginalisierten Bevölkerungsgruppen und setzt sich ein für einen besseren Zugang zu Initiativen und Hilfsangeboten zur Sicherung der Lebensgrundlage, weil dies ein Menschenrecht der Betroffenen ist. Durch Initiativen wie die Lokale Initiative für die Zurüstung und Entwicklung der örtlichen Gemeinwesen bietet der LWB Zugang zu adaptiven Technologien und Möglichkeiten für Kompetenzentwicklung und setzt sich dafür ein, dass auch Menschen mit Behinderung Zugang zu Bildung erhalten. Um eine behindertenfreundliche Infrastruktur zu schaffen und den Zugang zu Gesundheitsfürsorge zu verbessern arbeitet der LWB mit den lokalen Verwaltungsbehörden zusammen. Das LWB-Projekt unterstützt 35.750 Menschen in elf Distrikten.
Wenn wir Chancen für die am stärksten ausgegrenzten Menschen schaffen, fördern wir eine Gesellschaft, die stärker, widerstandsfähiger und in ihrer Vielfalt geeint ist.
Dr. Bijaya Bajracharya, Länderrepräsentant LWB Nepal
Ein Weg zu Führungsverantwortung
Dhamala ist für das Projekt der Lokalen Initiative für die Zurüstung und Entwicklung der örtlichen Gemeinwesen ausgewählt worden und wurde für die Advocacy-Arbeit für Menschen mit Behinderungen geschult. „Ich habe gelernt, die Stimme gegen Diskriminierung zu erheben“, sagt er. Als gewählter Vorsitzender des kommunalen Netzwerks von und für Menschen mit Behinderungen ist er aktiv in die örtlichen Verwaltungsstrukturen eingebunden. Im Rahmen des Projekts hat er an der Eröffnung des Förderzentrums für Menschen mit Behinderungen mitgearbeitet, vertritt Menschen mit Behinderungen in der Verwaltung von Rajapur und macht aufmerksam auf bestimmte Bedürfnisse, Ideen und Lösungen.
Mahadev Dhamalas Geschichte ist ein Musterbeispiel für Entschlossenheit und Engagement. Seine Lebensgeschichte zeigt, dass er sich nie mit den Grenzen abgefunden hat, die sein Umfeld ihm steckte. Viele weitere Menschen hätten auf ähnliche Weise von dem Projekt profitiert, berichtet Dr. Bijaya Bajracharya, die Leiterin des LWB-Länderprogramms in Nepal. Den Blickwinkel zu verändern und nicht die Behinderung einer Person, sondern das Potenzial marginalisierter Menschen in den Blick zu nehmen, könne ganze Gemeinwesen verändern.
„Unsere Arbeit stellt sicher, dass Menschen mit Behinderungen inkludiert und zugerüstet werden, um ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Wir stärken ihre Kapazitäten, auf die Verantwortungstragenden (in der lokalen Verwaltung und der Regierung) einzuwirken und ihre Rechte einzufordern und durchzusetzen. Wenn wir Chancen für die marginalisiertesten Bevölkerungsgruppen schaffen, fördern wir eine Gesellschaft, die robuster, widerstandsfähiger und in ihrer Vielfalt vereint ist“, erklärt Bajracharya.
Trotz der immer noch anhaltenden Herausforderungen hat Dhamala heute eine angesehene Führungsrolle inne und unterstützt Menschen, die mit ähnlichen Herausforderungen wie er konfrontiert sind. „Ich freue mich, Menschen helfen zu können, die wie ich marginalisiert wurden und werden“, sagt er. Er nimmt aktiv an Schulungen in den Gemeinwesen und an Sitzungen der kommunalen Behörden teil und hofft, mehr Menschen mit Behinderungen in Führungspositionen verhelfen zu können. „Mit der richtigen Unterstützung können wir unsere Programme institutionalisieren und dauerhafte Veränderungen fördern“, erklärt er abschließend.
Das Projekt „Lokale Initiative für die Zurüstung und Entwicklung der örtlichen Gemeinwesen“, das 2020 bis 2024 umgesetzt wurde, wurde vom Australian Lutheran World Service (ALWS), der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELKA) und dem Deutschen Nationalkomitee (DNK) des LWB gefördert. 35.750 Menschen aus den indigenen Bevölkerungsgruppen und den Dalit haben Schulungen für die Ausbildung von Fertigkeiten und Führungskompetenzen und andere Formen von Unterstützung erhalten, um ihre Lebenssituation zu verbessern, kleine Unternehmen zu gründen und die Leistungen zu erhalten, die ihnen laut Gesetz zustehen.