Durch Solidarität wird „die Last auf vielen Schultern verteilt“
(LWI) – Ein von mehreren hundert Ehrenamtlichen der Madagassischen Lutherischen Kirche (MLK) betriebenes Projekt zeigt, wie die Fähigkeiten und Kenntnisse der lokalen Bevölkerung, Gemeindemitglieder und der öffentlichen Hand die Beteiligung und Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürger bei der Gemeindeentwicklung fördern können.
Die MLK rief das Projekt „Use Your Talents“ (UYT) vor acht Jahren ins Leben, um Kirchenobere und Gemeindemitglieder zu sensibilisieren und dazu zu bringen, ihre christliche Gabe zur Verbesserung von Kirche und Gemeinde in Madagaskar einzusetzen. Das ist Teil der diakonischen Mission zur Kircheneinheit.
Ein kürzlich veröffentlichter Bericht über die zahlreichen durchgeführten Aktivitäten macht deutlich, wie das UYT-Projekt zu einem Sammelbecken zur Erfüllung verschiedener Bedürfnisse in der Gemeinde wurde. Der Lutherische Weltbund (LWB) unterstützt das UYT-Projekt seit 2017 über sein Programm für Mitgliedskirchenprojekte.
Mit verwaltungstechnischer Unterstützung der MLK und unter der fachlichen Leitung der örtlichen Behörden beteiligten sich Hunderte von Ehrenamtlichen in den 300 Bezirken der Madagassischen Lutherischen Kirche mit ihren Begabungen und Fähigkeiten an Ausbau und Modernisierung von Zubringerstraßen, Brücken und Gesundheitseinrichtungen. Neben vielen anderen Initiativen in den 24 Synoden der MLK im Land richteten sie auch Abfallentsorgungsgruben ein, bauten öffentliche Toiletten, Brunnen, Wasserbecken und Häuser. Zentrale Aufgabe bei der Betreuung sozial schwacher Familien über eine Initiative namens FIMA ist das Wohlergehen von Waisenkindern, Verwitweten, alleinerziehenden Familien, Menschen mit Behinderungen, ehemaligen Gefängnisinsassen und mittellosen Familien.
„Sobald Menschen christlichen Glaubens die Mission der Kirche erst einmal verstanden haben, setzen sie ihre Talente zur Erfüllung dieser Aufgabe ein. Der beste Beweis dafür sind die vielen aufgebauten Einrichtungen und der ermittelte Kreis sozial schwacher Familien“, stellt der UYC-Koordinator Antoine Andriambonimihanta in dem Bericht fest.
Im Bezirk Ambalavao, der Zentralregion der MLK-Synode, werden über das UYT zum Beispiel Patientinnen und Patienten mit außergewöhnlichen Bedürfnissen im Bezirkskrankenhaus, 20 Menschen mit Behinderungen und sechs gehörlose Mädchen betreut. Eine ähnliche Betreuung gibt es auch in anderen Bezirken wie Tanambao, wo UYT-Ehrenamtliche 18 Witwen und eine Reihe von Menschen mit geistigen Behinderungen unterstützen.
Im Bezirk Fisaka ist es dank wöchentlicher Spenden möglich, dass „Menschen mit Behinderungen Geld erhalten, um sich Seife und andere Güter des täglichen Bedarfs zu kaufen“ und mit dem Flechten von Körben werden zusätzliche Einkünfte für die Unterrichtung von Waisenkindern erzielt. In anderen Bezirken, so Andriambonimihanta „hat sich der Anteil erwerbsloser Frauen verringert, ihre Kinder gehen zur Schule und ihre Lebensumstände haben sich verbessert.“ Er fügte hinzu: „Die Mitglieder sind begierig darauf, ehrenamtlich tätig zu werden und Verantwortung zu übernehmen.“ Die Gemeinde zeigt Solidarität, das Eigenkapital wächst und dadurch wird die Last auf vielen Schultern verteilt.
Die Mitglieder sind begierig darauf, ehrenamtlich tätig zu werden und Verantwortung zu übernehmen.“ Die Gemeinde zeigt Solidarität, das Eigenkapital wächst und dadurch wird die Last auf vielen Schultern verteilt.
– Antoine Andriambonimihanta, UYC-Koordinator
Alle können einen Beitrag leisten
Bei einer der UYT-Maßnahmen handelt es sich um ein Spar- und Kreditsystem namens VOATSINAPY, zu dem mehrere Hundert Familien einen finanziellen Beitrag leisten. Es beginnt mit der Bildung einer Vereinigung aus maximal 25 Leuten, die einander kennen und vertrauen. Die einzelnen Mitglieder zahlen entsprechend ihrer finanziellen Möglichkeiten in einen gemeinsamen Fonds ein und können nach festgelegten Abläufen Geld leihen und zurückzahlen. „Jeder kann bei VOATSINAPY mitmachen. Es stärkt die Solidarität innerhalb der Gesellschaft“, merkte Andriambonimihanta an.
In Vohitsaoka, einer ländlichen Kommune im Bezirk Ambalavao in Zentral-Madagaskar sagen rund 90 Prozent der VOATSINAPY-Mitglieder, dass die Spargemeinschaft ein Erfolg ist, so der MLK-Programmkoordinator Alfred Rasamimanana. „Einige Leute konnten sich Vieh kaufen, andere Land, das sie an ihre Kinder weitervererben können, wieder andere konnten das Geschäft, dem sie nachgehen, modernisieren und vergrößern, und einige Leute bewirtschaften jetzt mehr Land. Andere wiederum stellten fest, dass sich das Familienleben durch das höhere Einkommen gefestigt hat“, sagte er.
Rasamimanana fand, die Einbeziehung in diese neuen Tätigkeiten „hat auch positive Auswirkungen auf das Leben der Kirche“, einschließlich einer stärkeren Teilnahme. „Derzeit erweitern und verbessern sie die Kirche hier in Vohitsaoka“, fügte er hinzu.
Kapazitätsaufbau
Die UYT-Maßnahmen hängen von den Talenten und Fähigkeiten der jeweiligen Gruppen ab, die Hilfe benötigen. Im Falle von FIMA bringen die Bezirksbeauftragten mindestens 10 sozial schwache Familien zusammen und legen ihre Anträge einem Kirchenkomitee vor, das eine Kommission für sozial schwache Familien bildet, um die Fähigkeiten der jeweiligen Familienmitglieder zu ermitteln. Mit Unterstützung der beratenden Fachleute schätzt die Kommission die zu stärkenden Fähigkeiten und Kenntnisse ein. Danach liefern Partner, wie Lokalregierung, Schwesterkirchen, Unternehmer:innen und örtliche Entwicklungshelferinnen und -helfer, den erforderlichen Kapazitätsaufbau.
Eine ähnliche Vorgehensweise gibt es bei Infrastrukturprojekten, für die die begünstigte Gemeinde einen Antrag bei der Kirche stellt. Letztere überwacht die Einrichtung einer aus verschiedenen Interessenvertretern bestehenden Kommission, die die Umsetzung der Arbeit und die Instandhaltung nach Fertigstellung beaufsichtigt.
Eigenverantwortung
Bei einem kürzlichen Besuch in Vohitsaoka traf sich LWB- Referent für Programmförderung in Diakonie und Entwicklung Yann Bovey mit Angestellten und Ehrenamtlichen des UYT-Projekts und besah sich einige der derzeit laufenden Arbeiten auf Gemeindeebene.
„Als ich in der lokalen Kirche in Vohitsaoka ankam, war ich von dem Kontrast zwischen der Abgeschiedenheit des Ortes, der nur über eine holperige Straße zu erreichen ist, und der Lebendigkeit der örtlichen Gemeinde beeindruckt“, sagte Bovey. UYT-Ehrenamtliche waren gerade dabei, das Kirchengebäude wiederaufzubauen, das durch die letzten beiden Wirbelstürme, die in Zentral-Madagaskar verheerende Schäden angerichtet hatten, fast gänzlich zerstört worden war.
Bei einem Treffen mit Mitgliedern der örtlichen Spargemeinschaft VOATSINAPY und ihren Familien „berichteten sie stolz von ihren Erfolgen“, erinnert sich Bovey. „Doch was mich wirklich berührt hat, ist das Gefühl der Eigenverantwortung, das ich erlebt habe: die Menschen dort sind keine Nutznießenden, sondern echte Teilhabende am Projekt“, fügte er hinzu.
Die Madagassische Lutherische Kirche hat über 4 Mill. Mitglieder und ist eine der vier christlichen Hauptkonfessionen in Madagaskar. Mit 25 Synoden, darunter einer in Europa, entsendet sie Missionarinnen und Missionare nach Bangladesch, Kamerun, Papua-Neuguinea, Thailand und Tansania, hauptsächlich als Pastorinnen und Pastoren oder im diakonischen Dienst, zum Beispiel als medizinisches Personal. Sie trat dem LWB 1950 bei und wird von Kirchenpräsident Pfarrer Dr. Dennis Rakotozafy geleitet.