Trekking-Tour bietet Einblicke in das Leben von tibetischen Flüchtlingen und ihr nepalesisches Umfeld
(LWI) – Tasha Tsering (65) war zehn Jahre alt, als er nach dem niedergeschlagenen Aufstand gegen die chinesische Besatzung mit 15 weiteren Familienmitgliedern von Tibet nach Nepal floh. Das war im Jahr 1959, aber er erinnert sich noch genau an den Tag, an dem sein neues Leben als Flüchtling begann.
„Ich habe in Ost-Tibet gelebt, vor der Flucht nach Nepal ging es uns ziemlich gut. 1959 habe ich Tibet verlassen und bin in den Distrikt Mustang nach Nepal gekommen“, erinnert sich Tsering, der heute in Kathmandu lebt und Vorstandsvorsitzender der Nichtregierungsorganisation Dhoto Chhugang Welfare Association ist. „Wir waren sehr froh, als wir in Mustang ankamen, befürchteten aber (anfangs), dass die Chinesen dort eindringen und uns nach Tibet zurückholen könnten. Als wir Nepal erreichten, fühlten wir uns sehr frei.“
Tsering fährt fort: „LWB-Nepal unterstützt uns sein 2010. In der Region um Dhorpatan hat das Länderprogramm Solarlampen verteilt, Toiletten gebaut und landwirtschaftliche Geräte und Traktoren für den Ackerbau bereit gestellt.“
Das Engagement des Lutherischen Weltbundes (LWB) für die tibetischen Flüchtlinge soll bei der vom LWB veranstalteten „Backstage-Pass“ Trekking-Tour beleuchtet werden. Die Teilnehmer bereisen vom 25. Oktober bis 7. November 2014 Nepal und erhalten eine einmalige Chance, den gebirgigen Teil des Landes kennenzulernen und Einblicke in verschiedene Bereiche der Zusammenarbeit des LWB mit Flüchtlingen und den lokalen Gemeinschaften zu gewinnen, in denen die Flüchtlinge angesiedelt sind.
Ländliche Bevölkerung in entlegenen Gebieten
Das Nepalprogramm der Abteilung des LWB für Weltdienst (AWD) wurde 1984 eingerichtet und engagierte sich zunächst für die ländliche Bevölkerung in entlegenen Berggebieten. Später unterstützte das Programm bhutanische und tibetische Flüchtlinge – seit 2010 erschliesst es Familien wie der von Tsering Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften, vermittelt Bildung und berufliche Kompetenzen und stellt sauberes Wasser, Strom und sanitäre Anlagen bereit.
Im Rahmen der LWB-Trekking-Tour haben Teilnehmende die Möglichkeit, „mit tibetischen Flüchtlingen ins Gespräch zu kommen, die vom LWB-Nepalprogramm unterstützt werden, und zu sehen, welche Wirkung diese Hilfsmassnahmen in ihrem Leben entfalten“, so Tourleiter Duane Poppe, Programmreferent für Klimawandel sowie Ostafrika und das Horn von Afrika im Büro der LWB-Kirchengemeinschaft, Genf.
„Ich freue mich sehr darauf, den ‚LWB-Backstage-Pass‘ in Nepal zu begleiten, wo ich 17 Jahre meines Lebens verbracht habe“, betont Poppe, ehemaliger LWB-Vertreter in Nepal und Koordinator von LWB-Länderprogrammen in anderen Teilen Asiens und in Afrika.
„Die Trekking-Tour wird uns Gelegenheit geben, die Höhen und Tiefen der nepalesischen Topographie zu erleben und die Lebenssituation, Kultur und Spiritualität eines Querschnitts der dort lebenden Völker kennenzulernen“, erläutert Poppe.
Verbesserte Lebensgrundlagen für tausende Flüchtlinge
Nach Schätzung des Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) leben in Nepal 15.000 TibeterInnen, die vor 1990 ins Land kamen und von der Regierung als Flüchtlinge anerkannt wurden. Allerdings sind nicht alle registriert, vielen fehlen die nötigen Papiere.
Dolma, die relativ spät aus Osttibet geflohen ist, lebt in einer der Siedlungen, in der der LWB präsent ist. Sie berichtet, es sei schwierig gewesen, mit der ganzen Familie nach Nepal zu kommen, sie sei also mit ihren „drei Kindern und einer Schwester 1981 angekommen. Wir kamen in den Distrikt Solukhumbu und haben meine Kinder dann nach Indien in die Schule des Dalai Lama gebracht. Meine Kinder konnten in Indien studieren, ihnen geht es gut. Ich engagiere mich für die Betreuung von Kindern im Lager Khamba.“
LWB-Nepal setzt sich für die Verbesserung der Einkommensgrundlagen und Lebensbedingungen von 3.993 vertriebenen TibeterInnen und 1.100 Menschen aus den umliegenden Gemeinschaften ein. Das Projekt umfasst acht Siedlungen, zwei tibetische Schulen und eine Einrichtung der Flüchtlingsfürsorge. In der Siedlung Boudha im Distrikt Kathmandu, einer Touristenhochburg, bietet der LWB beispielsweise auch Sprachkurse und Berufsbildungsmassnahmen für die junge tibetische Generation.
In der Siedlung Jhampaling (Distrikt Tanahaun) pflanzt der LWB auf dem Brachland Obstbäume und andere, medizinisch nutzbare Bäume an. Damit soll die Siedlung zukünftig wirtschaftlich auf eigenen Füssen stehen. Das Projekt arbeitet zusammen mit vier landesweit tätigen Nichtregierungsorganisationen, die den tibetischen Flüchtlingen technische Hilfe zur Stärkung ihrer operationellen Kapazitäten leisten.
In Nepal gibt es 17 tibetische Siedlungen. Den Flüchtlingen ist der Zugang zum regulären Arbeitsmarkt des Gastlandes gesetzlich verwehrt, so dass sie nur eingeschränkt Zugang zu den hart umkämpften Erwerbsmöglichkeiten haben. Die Flüchtlinge erwirtschaften ihren Lebensunterhalt deshalb weitgehend durch selbstständige Tätigkeiten. Sie weben Teppiche, arbeiten in der Landwirtschaft, im traditionellen Handwerk oder sind als TrekkingführerInnen und TrägerInnen aktiv. Besonders hoch ist die Arbeitslosigkeit unter den tibetischen Jugendlichen, Frauen und älteren Menschen.