„Transformierende Kraft der Versöhnung“
Harrisburg, Vereinigte Staaten/Genf, 24. Juli 2015 (LWI) – Fünf Jahre, nachdem die Lutheraner die Mennoniten um Vergebung für die Gewalttaten gegen ihre Vorväter gebeten hatten, berichtete der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB) Pfarrer Dr. h.c. Martin Junge auf der Mennonitischen Weltkonferenz (MWK), dass die Vergebung Lutheraner und Mennoniten im Dienst an der Welt einander näher gebracht habe.
Durch den Versöhnungsakt mit den Mennoniten auf der LWB-Vollversammlung 2010 hat der LWB für die Verfolgung der Wiedertäufer durch die Lutheraner im 16. Jahrhundert um Vergebung gebeten, ebenfalls für die Verkennung dieser Taten bis zum heutigen Tag und für die unangemessene und verletzende Darstellung von Wiedertäufern durch lutherische Autoren. Die Vollversammlung betete für die Heilung von Erinnerungen und für die Versöhnung von Lutheranern und Mennoniten. Diese Aktion und auch die darauf folgende Vergebung durch die MWK gab den Beziehungen zwischen Lutheraner und Mennoniten neue Energie und Impulse, erklärte Junge.
„Ihre Vergebung hat uns geholfen, unsere Gespräche über Themen zu vertiefen, die wir nach wie vor unterschiedlich beurteilen“, sagte Junge. „Diese Unterschiede halten uns aber nicht davon ab, noch stärker Zeugnis von dem dreieinigen Gott abzulegen“.
Eine Kirche im Dienst des Nachbarn
In seiner Grussadresse an die Mennonitische Weltkonferenz am 23. Juli (Ortszeit) erinnerte sich der LWB-Generalsekretär ebenfalls an die finanziellen Zuwendungen, die die Mennoniten zur Unterstützung der LWB-Dienste im Flüchtlingslager Dadaab in Kenia angeboten hatten. Damals lebten dort eine halbe Million Flüchtlinge aus Somalia. Diese Spende erfolgte nur ein Jahr nach der Versöhnung mit den Mennoniten auf der Vollversammlung in Stuttgart.
„Wir haben wohl noch nie so gut verstanden, dass die Versöhnung zwischen christlichen Gemeinschaften immer den kirchlichen Bereich transzendieren und zu einer aussagekräftigen Geschichte für Menschen werden muss, die leiden und denen ein Leben im Überfluss versagt ist“, sagte Junge und bedankte sich beim Zentralkomitee der Mennoniten „für den Beitrag für das Flüchtlingslager Dadaab in Kenia und auch für diese Lektion, die uns weiterhin inspiriert auch im Hinblick auf unsere Beziehungen mit anderen christlichen Weltgemeinschaften.“
Katholizität und Diversität
Während seiner Rede auf der Tagung des MWK-Generalrates in Harrisburg, Pennsylvania am 20. Juli reflektierte Junge über die Erfahrungen des LWB, einer Kirchengemeinschaft anzugehören, die sowohl Wert auf Katholizität als auf Vielfalt legt.
Er betonte weiterhin, dass die Kirchengemeinschaften Gottes Aufruf zu Einigkeit folgen sollten und die universelle Heilsbotschaft Christi in den jeweiligen lokalen Kontext stellen sollten.
Junge wies auf die Erfahrungen der Apostel hin, die sich in Liebe zum Gebet versammelten, um Erkenntnisse über die vielfältigen Erfahrungen der frühen Kirchenjahre zu erlangen. „Kirche in apostolischer Tradition zu sein bedeutet, sowohl am Glauben der Apostel als auch an der Art und Weise festzuhalten, wie die Apostel miteinander auf der Grundlage des Glaubens auch in schwierigen Zeiten umgingen“, ergänzte Junge. „Kirche in apostolischer Tradition zu sein bedeutet, sich sowohl für die Wahrheit des Glaubens als auch für die Einigkeit der Kirche einzusetzen.“
Beziehung als Geschenk und Aufgabe
Junge erklärte, dass der LWB als eine Gemeinschaft von 145 Kirchen weltweit nicht aus strategischen Gründen zusammenkomme, sondern weil Gott sie einberufen habe. Ihre Beziehungen untereinander sind ein Geschenk Gottes.
„Beziehungen zwischen Gemeinschaften verlangen besondere Aufmerksamkeit, eine besondere Rechenschaftspflicht und eine spezielle Verantwortung. All dies beruht auf Gegenseitigkeit in den Beziehungen und der Art und Weise, wie sie gelebt werden“, erklärte Junge. „Beziehungen zwischen Gemeinschaften verlangen nach Kreativität, theologischer Kohärenz, Geduld und Liebe in dem Masse, wie die Mitgliedskirchen entdecken, wie sie Gottes Ruf an sie zum Ausdruck bringen und wie sie miteinander umgehen sollen.“
Die Mitgliedskirchen werden weiterhin aufgefordert, in ihrem lokalen Kontext Zeugnis abzulegen und Menschen zu dienen, die auf Gerechtigkeit, Heilung und Versöhnung hoffen. „Sie verkünden die universelle Botschaft der Liebe Gottes für die Welt und Gottes Werk der Erlösung für Jesus Christus für ihre spezielle Wirklichkeit“, betonte Junge.
Aus der Sicht des LWB-Prozesses berichtete Junge über die Erfahrung, dass Katholizität und Kontextualität bzw. Diversität zusammengehalten werden müssen, auch wenn sich zwischen ihnen manchmal Spannungen entwickeln können. „Dies ist dann das Geschenk und die Aufgabe von Kirchen in gemeinschaftlichen Beziehungen untereinander. Dabei geht es darum, das Bedürfnis jeder einzelnen Mitgliedskirche zu erkennen und ihr die Möglichkeit zu geben, Kirche in ihrem eigenen Kontext zu sein und einen entfremdenden hegemonialen Anspruch gegenüber den anderen Kirchen zu vermeiden. Jede Mitgliedskirche muss die Verbindung zu ihrer Katholizität finden und auf diese Weise kulturellen Monopolismus oder Absolutismus vermeiden“, fügte Junge hinzu.