Konferenz schlägt Plattform für weltweite Zusammenarbeit in der Entwicklungshilfe vor

2. Nov. 2012
Bepflanzung eines Felds im Rahmen eines Food-for-Work-Projekts mit dem Lutherischen Entwicklungsdienst Simbabwe, assoziiertes Programm der LWB/AWD © Schwedische Kirche/Eva Berglund

Bepflanzung eines Felds im Rahmen eines Food-for-Work-Projekts mit dem Lutherischen Entwicklungsdienst Simbabwe, assoziiertes Programm der LWB/AWD © Schwedische Kirche/Eva Berglund

Religion und Entwicklung gehören zusammen

Die Teilnehmenden an der globalen Konferenz zu Religion und Entwicklung, die der Lutherische Weltbund (LWB) und die deutsche Missionsorganisation Mission EineWelt kürzlich gemeinsam veranstalteten, haben zur Schaffung einer interaktiven Plattform aufgerufen, um die Zusammenarbeit zwischen Kirchen, kirchlichen Hilfsorganisationen und akademischen Einrichtungen zu fördern.

Die Tagung fand vom 21. bis 25. Oktober im süddeutschen Neuendettelsau statt. Mehr als 20 kirchliche Entwicklungsorganisationen aus Afrika, Asien, Europa, Latein- und Nordamerika, Führungspersonen von lutherischen Kirchen, TheologInnen von Universitäten und kirchliche EntwicklungshelferInnen nahmen daran teil. Zum ersten Mal konnten der LWB und seine Partner so viele bedeutende Akteure aus den Bereichen Entwicklung und Religion zu solch intensiven Gesprächen zum Thema Entwicklung zusammenbringen.

Pfr. Michael Martin, Leiter der Abteilung „Ökumene und Kirchliches Leben“ der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, sagte der Lutherischen Welt-Information (LWI), das Ergebnis der Konferenz sei „sehr positiv“. „Ich sehe es als Grundlage für eine umfassendere Zusammenarbeit. Wir kooperieren zwar bereits, jedoch noch nicht in diesem Umfang.“ Es sei nun „die Aufgabe des LWB, ein Netzwerk zu schaffen, an dem wir teilhaben“.

In seiner Eröffnungsansprache hatte Pfr. Eberhard Hitzler, Direktor der Abteilung für Weltdienst des LWB, die Teilnehmenden dazu ermutigt, ein gemeinsames Verständnis der wichtigen Beziehung zwischen Entwicklung und Religion zu entwickeln, um auf menschliche Bedürfnisse reagieren zu können.

Im Laufe der Konferenz, auf der verschiedene ReferentInnen aus Wissenschaft, Kirche und globaler und lokaler Entwicklungsarbeit Reden hielten, wurde die Dringlichkeit einer engeren Zusammenarbeit sehr deutlich. Die Fallstudien zur Rolle von Glaubensgemeinschaften in der Friedensförderung und der Entwicklungsarbeit in China, Costa Rica, Liberia, Myanmar und Simbabwe ragten besonders heraus.

Auch Schwierigkeiten wurden angesprochen. Pfr. Dr. Johnson Mbillah vom Programm für christlich-muslimische Beziehungen in Afrika (PROCMURA) wies darauf hin, dass religiöser Extremismus eine Realität sei und mahnte daher zur Vorsicht. Der Schwerpunkt müsse auf den Dialog und die Förderung von „Bildung und nicht auf die Indoktrination“ gelegt werden.

Lokale Kulturen und Religionen

Prof. Karel August vom Fachbereich Theologie der Universität Stellenbosch in Südafrika betonte, wie dringend es notwendig sei, ein echtes Bekenntnis zu einem Entwicklungsmodell zu erarbeiten, welches von lokalen Weltanschauungen, Kulturen und Religionen genährt wird. Auch wenn sich in den letzten Jahren einiges bewegt habe, so würde doch die lokale Bevölkerung „selten gefragt, was sie wirklich will. Sie war vielmehr schon immer Objekte verschiedener Modelle, auch wenn ihr diese nur selten mehr Nahrungsmittel oder eine bessere Gesundheitsversorgung gebracht haben.“

Die Ansichten Augusts wurden von lateinamerikanischen Teilnehmenden aufgegriffen, die ebenfalls ein neues Entwicklungsparadigma forderten, das auf dem Konzept des „Buen Vivir“ der indigenen Völker Lateinamerikas, also des kollektiven Wohlergehens der Menschen, die in Solidarität miteinander und mit der Umwelt leben, beruht. Aus der Fallstudie zu Costa Rica und den Berichten von Teilnehmenden aus anderen lateinamerikanischen Ländern wurde ersichtlich, dass das Konzept des „Buen Vivir“ in der Region das führende Leitprinzip für die ganzheitliche Entwicklung ist und bevorzugt wird.

Dr. Vitor Westhelle von der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien betonte die Notwendigkeit, einen Entwicklungsethos zu schaffen, der auf klaren theologischen Traditionen basiert. Er verwies auf Martin Luthers Kritik am Wucher als unterdrückerisches Wirtschaftssystem und rief die EntwicklungshelferInnen auf, ihre Erkenntnisse für die Entwicklung in ihren lutherischen Wurzeln zu suchen.

Ein neues Paradigma

Nach lebhaften Diskussionen in Kleingruppen brachten die Teilnehmenden das gemeinsame Bedürfnis nach einem Prozess kontinuierlichen Engagements und bewusster Zusammenarbeit zum Ausdruck, um ihre Entwicklungsbemühungen zu stärken. „Ein Kairos-Moment“ – so beschrieb Dr. Petri Merenlahti von FinnChurchAid, der Entwicklungshilfeorganisation der Evangelisch-Lutherischen Kirche Finnlands, die Konferenz von LWB und Mission EineWelt. „Die Zeiten ändern sich und wir benötigen ein neues Paradigma. Vieles wird doppelt gemacht, es mangelt an Koordination und wir verlieren an Boden, weil wir nicht zusammenarbeiten“, fügte er hinzu.

Unter Berufung auf die Beiträge religiöser Einrichtungen zur Friedensförderung in Sierra Leone nach dem Bürgerkrieg der 1990er Jahre betonte der lutherische Bischof Thomas J. Barnett, eine globale Kooperationsplattform sei „längst überfällig“.

Dr. Theresa Carino Chong von der „Amity Foundation“, die sich für die Bedürfnisse benachteiligter Mitglieder der chinesischen Gesellschaft einsetzt, äusserte sich ähnlich. „Bei der Entwicklungshilfe wird nicht sehr oft theologisch reflektiert und die Kirchen bekommen keine Rückmeldungen. Und ich glaube, dass die Interaktion mit den Kirchen sehr wichtig ist, damit die Entwicklungsarbeit nicht an den Kirchen vorbei geleistet wird.“

Die Teilnehmenden der Konferenz beauftragten den LWB, in einem fünfjährigen Prozess eine globale interaktive Plattform für die Entwicklungszusammenarbeit zu koordinieren. Um den regionalen Charakter dieser Initiative zu stärken, wurde der LWB ausserdem gebeten, regionale Konsultationen in Afrika, Asien und Lateinamerika zu ermöglichen, so dass lokale Überlegungen in diesen Prozess miteinfliessen können.

Für Pfr. Dr. Kenneth Mtata von der LWB-Abteilung für Theologie und Öffentliches Zeugnis, die die Veranstaltung gemeinsam mit der Abteilung für Mission und Interkulturelle Studien von Mission EineWelt organisierte, war „die Konferenz sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance für religiöse Organisationen, sich das Potenzial für die Mobilisierung ihrer vielfältigen Ressourcen auf der globalen Entwicklungsagenda vor Augen zu führen.“

Er bekräftigte die Sichtweise zahlreicher Teilnehmender, dass kirchliche Organisationen einen erheblichen Beitrag zur Entwicklungshilfe leisten können. „Sie haben ihre Anhängerinnen und Anhänger in ihre Gebetsstätten, verfügen über eine lange Glaubenstradition und haben die Geschichte auf ihrer Seite, denn ihre religiösen Traditionen haben sie von jeher dazu angehalten, Menschen in Not zur Seite zu stehen.“

(Für die LWI von der Berliner Journalistin Anli Serfontein)

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